H.P. Karr

Best of H.P. Karr - Band 4


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Bistro kam. Ich nickte ihm zu. »Walter, das ist Diana«, sagte ich.

      »Hallo Walter!«, sagte sie und schmiegte sich an mich.

      Ich zwinkerte Walter zu und legte meine Hand auf Dianas Hüfte. Sie küsste mich auf die Wange, knabberte an meinem Ohrläppchen und sagte gerade so laut, dass Walter es noch mitbekam: »Ich kann gar nicht genug von dir kriegen. Zu blöd, dass ich noch diesen Geschäftstermin habe. Bis nachher …«

      Sie stöckelte auf ihren High Heels hinaus und Walters Augen wurden zu kleinen Schlitzen, so intensiv starrte er ihr nach.

      Ich bestellte mir einen Daiquiri.

      »Wie zum Teufel …« Walter sah mich mit seinem Hundewelpenblick an.

      Ich zog das Tuch heraus und legte es auf den Tresen.

      »Es ist ein Casanova-Tuch«, sagte ich. »Casanova sagt Ihnen sicher was. Philosoph und Frauenheld, 1725 bis 1798. Dieses Tuch stammt aus seinem Nachlass. Vor ein paar Jahren sind zwei davon in einem Archiv aufgetaucht. Er hatte diese Schweißtücher dabei, immer wenn er … Sie wissen schon. »

      Endlich war sein Interesse für mich größer als für alle Schlepptender-Loks oder Fahrstraßenschaltungen dieser Welt.

      »Das faszinierende ist«, sagte ich, »dass die aphrodisierende Wirkung sich weder durch Waschen noch durch lange Lagerung verflüchtigt. Ganz und gar nicht. Wie Sie gesehen haben.«

      »Und woher …«

      »Lange Geschichte«, sagte ich. »Sehen Sie, mein Schwager hat vor ein paar Jahren seine Dissertation über den alten Aufreißer geschrieben und ich hab für ihn in den Archiven hier in der Gegend rumgegraben, weil Casanova 1764 für ein paar Wochen in Wesel war, um sich von einem Arzt kurieren zu lassen, weil er sich vorher in London … also … etwas angefangen hatte.«

      Er sah mich skeptisch an. Ich zog das abgegriffene Buch aus meiner Jackentasche. »Seine Memoiren, hier können Sie's lesen: »Der junge Arzt, der die verkörperte Sanftmut war, lud mich ein, bei ihm zu wohnen. Er versprach mir, seine Mutter und seine Schwestern würden mich so sorgfältig pflegen, wie ich es nur wünschen könnte. Von einer Preisvereinbarung wollte der Doktor nichts wissen. Er sagte mir, ich könnte ihm bei meiner Abreise geben, soviel ich wollte, und er würde damit sehr zufrieden sein. Ich schämte mich so sehr, dass ich mein Taschentuch vors Gesicht hielt, um dieses nicht der Mutter und den Schwestern des jungen Doktors zu zeigen.««

      Mein Freund nahm das Buch und sah auf die Titelseite. »In Wesel«, murmelte er. »Unglaublich.«

      Ich sagte: »Jedenfalls habe ich im Stadtarchiv von Wesel, irgendwo ganz hinten, doch tatsächlich eine Kiste mit seinen Sachen gefunden, die er damals bei dem Doktor gelassen hatte, weil er mit leichtem Gepäck weiterreisen wollte, nach Braunschweig. Alles alter Kram, und dazwischen die Tücher. Zwei Stück.« Ich grinste. »Und was soll ich Ihnen sagen - kaum hatte diese süße kleine Archivarin, die mir beim Kramen geholfen hat, so ein Tuch in der Hand …« Ich lächelte ein schmutziges Lächeln. »Wir sind die ganze Nacht nicht mehr aus dem Archiv rausgekommen.«

      Mein Freund verschluckte sich fast an seinem Bier.

      »Sagen Sie mal …«, meinte er dann, »also ich meine, Sie haben eben gesagt, dass da zwei von den Tüchern …«

      Man sah förmlich, wie seine Hormone Amok liefen.

      »Ja«, sagte ich. »Zwei Tücher.«

      Ich faltete das Tuch auseinander und fuhr mit den Fingerspitzen über das eingestickte Monogramm, ein verschnörkeltes G und ein darin verschlungenes C. Er leckte sich die Lippen. »Und … also mal angenommen … wie viel …«

      Ich lächelte. »Bestimmt mehr, als Sie sich jemals von dem Taschengeld absparen können, das Ihre Inge Ihnen gibt.«

      »Ich habe Geld!«, beteuerte er. »Also ich meine, wir haben …« Er versank in dumpfes Brüten. Dann straffte er sich auf einmal. »Also eigentlich ist es mein Geld. Ich habs von meinem Vater, aber sie hat nach der Erbschaft einfach gemeint, dass es besser ist, wenn sie sich darum kümmert. Sie hat …«

      »… einfach Ihr Leben in ihre Hand genommen!«, sagte ich. »Und seien Sie ehrlich, Walter: Solange das so ist, brauchen Sie dieses Tuch vom alten Casanova gar nicht. Und die Kollegin von den Tapeten und Teppichen werden Sie auch nie rumkriegen. Sie haben ja Ihre Inge.«

      »Ich habe das Geld!«, sagte er trotzig.

      »Und ich habe noch eins von diesen Tüchern!«

      Er sah mich an. »Wieviel?«

      Ich musterte ihn lange. »20000.«

      Er schluckte.

      Ich faltete das Tuch wieder zusammen und steckte es ein.

      »Zahlen!«, sagte ich zum Keeper.

      »Nein-nein, Moment«, stieß er hervor.

      Ich schrieb ihm meine Handynummer auf einen Bierdeckel. »Rufen Sie mich an, wenn Sie bereit sind, Ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen!«

      Als ich drei Tage später wieder ins Bistro am Hallenbad kam, war mein Freund Walter nicht da. Statt dessen winkte mich ein smarter Lederjackentyp zu sich. Der Barkeeper drückte sich in der hintersten Ecke herum und erweiterte seinen Wortschatz mit dem neuen Batman-Comic.

      »Walter Kleinkemper«, sagte der Lederjackentyp, der Steinbrecher hieß und Hauptkommissar bei der Kripo Wesel war. Das hatte er mir schon gesagt, als er mich auf dem Handy angerufen und herbestellt hatte, um »einige Dinge zu klären«, wie er es ausgedrückte.

      Steinbrecher trank Rotwein, aber so wie er ihn kippte, hätte es auch Leitungswasser sein können. Er sagte: »Sie haben sich also ein paarmal hier mit Walter unterhalten?«

      Der Barkeeper bewegte lautlos die Lippen bei der Lektüre des Comics.

      »Unterhalten wäre zuviel gesagt«, meinte ich. »Nur das, was man halt so am Tresen so redet.«

      »Und das wäre?

      »Autos, Fussball.«

      »Frauen?«

      »Auch das.«

      Er sah mich an. »Und, wie war das? Mit Walter und den Frauen?«

      Ich hob die Schultern. »Was soll ich sagen? Er ist verheiratet.«

      »War. War verheiratet. Steinbrecher lächelte knapp. »Walter Kleinkemper ist tot.«

      Das war nicht gut. Ich sagte: »Oh?«

      »Eigentlich ist das alles reine Routine und wir hätten die Sache als Unfall abgelegt, wenn da nicht die Geschichte mit dem Geld gewesen wäre.«

      Ich hob eine Augenbraue.

      »Sehen Sie«, sagte Steinbrecher, »da lebt unser Walter Kleinkemper, Abteilungsleiter für Kleinelektro beim Baumarkt, Jahr für Jahr an der Seite seiner Frau in seinem Häuschen in Spellen vor sich hin und spart sich jeden Wagen und jede Lokomotive für seine Modelleisenbahn von seinem Taschengeld zusammen - bis er plötzlich vorgestern 20000 Euro von der Bank abhebt. In bar.«

      Walter hatte also genau das getan, was ich ihm gesagt hatte. Aber das ging Steinbrecher nichts an.

      »Nun ist es so, dass bis dahin immer seine Frau die Geldgeschäfte erledigt hat«, meinte der Kommissar. »Dazu kommt, dass die Kassiererin bei der Volksbank in Spellen jede Woche mit Inge Kleinkemper beim TC Blau-Weiß Tennis spielt. Ihr kommt das also komisch vor mit dem Geld, und deshalb ruft sie ihre Freundin Inge an und fragt sie, ob das in Ordnung ginge, dass ihr Gatte da auf einmal das ganze Tagesgeld abräumt. Und am gleichen Abend haben die Kollegen vom Revierdienst einen Einsatz wegen HG am Zimmermannsweg. Sie wissen, was HG ist?

      »Häusliche Gewalt?«

      »Genau. Und was meinen Sie, finden die Kollegen im Zimmermannsweg? Walter Kleinkemper, unten an der Kellertreppe, vor der Tür zu seiner Modelleisenbahn, mit einem Platzwunde am der Stirn, einem frischen Veilchen und einem gebrochenen Genick. Und oben an der Kellertreppe eine