Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen


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brachte den König auf noch seltsamere Gedanken. Er beschloss, zugunsten meines Bruders abzudanken. Er wollte sich jährlich 10.000 Taler vorbehalten und sich mit der Königin und seinen Töchtern nach Wusterhausen zurückziehen. „Dort“, sagte er, „werde ich zu Gott beten und für die gute Bestellung der Felder sorgen, während meine Frau und meine Töchter das Hauswesen übernehmen werden. Sie sind geschickt“, sagte er zu mir, „ich werde Ihnen die Aufsicht über das Hauslinnen übertragen, das Sie nähen und für dessen Wäsche Sie Sorge tragen werden. Friederike ist geizig und mag als Hüterin der Vorratskammern wirken. Charlotte wird auf den Markt gehen, um Lebensmittel einzukaufen, und meine Frau wird die Obhut über meine kleinen Kinder und über die Küche tragen.“ Er fing sogar an, Instruktionen für meinen Bruder auszuarbeiten, worüber Grumbkow und Seckendorff nicht wenig erschraken. Sie boten vergebens alle ihre Beredsamkeit auf, um diese unheilvollen Gedanken zu verscheuchen; da sie aber einsahen, dass der ganze Entschluss des Königs nur auf seine Gemütsverfassung zurückzuführen sei, und fürchteten, dass, sofern es ihnen nicht gelänge, dieselbe umzustimmen, er wohl imstande wäre, seinen Vorsatz auszuführen, suchten sie ihn zu zerstreuen.

      Der sächsische Hof war von jeher mit dem österreichischen eng befreundet, und so richteten sie ihr Augenmerk dorthin und suchten den König zu bereden, nach Dresden zu reisen. Ein Gedanke zieht gewöhnlich einen andern nach sich, und so kamen sie auf den Einfall, mich mit dem König August von Polen verheiraten zu wollen. Dieser zählte damals neunundvierzig Jahre. Seine Liebeshändel waren weltberühmt; er besaß große Eigenschaften, doch wurden sie von seinen zahlreichen Fehlern verdunkelt. Eine zu große Vergnügungssucht ließ ihn das Wohl seines Staates und seiner Untertanen vernachlässigen, und seine Trinksucht verleitete ihn zu Unwürdigkeiten, deren er sich im trunkenen Zustand schuldig machte und die auf immer seinen Namen schädigen werden.

       Seckendorff hatte in seiner Jugend in sächsischen Diensten gestanden, und ich sagte schon früher, dass Grumbkow bei diesem König sehr in Gnaden stand. Beide wandten sich jetzt an den Grafen Flemming, einen Günstling dieses Monarchen, um Verhandlungen mit ihm anzubahnen. Graf Flemming war ein Mann von großem Verdienst, der oft nach Berlin kam und mich sehr gut kannte. Er nahm die Eröffnungen der beiden Minister mit Freuden entgegen und suchte die Absichten des Königs hierüber zu sondieren. Dieser schien diesem Antrag ziemlich geneigt und schickte den Grafen nach Berlin, um den König von Preußen zum Karneval nach Dresden einzuladen. Grumbkow und sein Pylades teilten jetzt dem König ihre Pläne mit. Hocherfreut, eine so glänzende Partie für mich zu finden, nahm er die Einladung bereitwillig an; er sandte eine sehr verbindliche Antwort an den Grafen Flemming und brach gegen Mitte Januar 1728 auf, um sich nach Dresden zu begeben.

      Mein Bruder war untröstlich, dass er nicht mitreisen durfte. Er sollte während der Abwesenheit des Königs in Potsdam verbleiben, was ihm nicht behagte. Er teilte mir seinen Kummer mit; und da ich ihm mit Vorliebe Freude bereitete, versprach ich ihm, mein möglichstes zu tun, damit er dem König folgen dürfe. Wir kehrten nach Berlin zurück, wo die Königin wie gewöhnlich Cercle hielt. Ich sah dort Herrn von Suhm, den sächsischen Minister, den ich sehr gut kannte und der meinem Bruder sehr zugetan war. Ich sagte ihm, wie leid es dem Kronprinzen sei, nicht nach Dresden eingeladen zu sein. „Wenn Sie ihm eine Freude machen wollen“, fuhr ich fort, „so veranlassen Sie den König von Polen, dass er den König von Preußen auffordere, ihn nachkommen zu lassen.“ Suhm sandte alsbald eine Stafette an seinen Hof, um seinen Herrn, den König, hiervon zu benachrichtigen, der alsbald meinen Vater beredete, meinen Bruder kommen zu lassen. Dieser erhielt Befehl, sich aufzumachen, was er mit tausend Freuden tat.

       Der Empfang, der meinem Vater bereitet wurde, war der beiden Monarchen würdig. Da der König von Preußen das Zeremoniell nicht liebte, richtete man sich ganz nach seinen Wünschen. Er wollte bei dem Grafen Wackerbart, den er sehr hochschätzte, Wohnung nehmen. Sein Haus war ungemein prächtig, der König fand hier prunkvolle Gemächer vor. Leider brach in der zweiten Nacht seines Aufenthaltes Feuer aus, und zwar mit solcher Heftigkeit und Schnelligkeit, dass man ihn nur mit Mühe und Not retten konnte. Der ganze herrliche Palast fiel in Schutt. Dieser Verlust wäre für den Grafen Wackerbart sehr verhängnisvoll gewesen, hätte ihn der König von Polen nicht dafür entschädigt. Er schenkte ihm das Pirnaische Haus, das viel prachtvoller noch als das andere war und ein Mobiliar von unschätzbarem Wert enthielt.

      Der Hof zu Dresden war damals der glänzendste Deutschlands. Die Pracht war hier bis aufs Äußerste getrieben, und man frönte allen Genüssen; mit Recht durfte er mit der Insel Cythere verglichen werden: Die Damen waren sehr liebenswert und die Herren sehr galant. Der König hielt eine Art von Serail, das aus den schönsten Frauen seines Landes bestand. Als er starb, schätzte man die Zahl der Kinder, die er von seinen Mätressen hatte, auf 354. Der ganze Hof folgte seinem Beispiel; man dachte nur an das Wohlleben, und Bacchus und Venus waren die herrschenden Gottheiten. Der König von Preußen vergaß da gar bald seiner Frömmelei; die ausschweifenden Gelage und der Ungarwein versetzten ihn wieder in gute Laune.

Grafik 53

      König August von Sachsen und Polen

      Er schloss enge Freundschaft mit dem König von Polen, dessen verbindliches Wesen ihn anzog. Grumbkow, der inmitten der Feste seiner Ziele nicht vergaß, wollte sich diese günstige Laune zunutze machen und den König verleiten, sich Mätressen zu halten; er teilte seinen Plan dem König von Polen mit, und dieser übernahm es, ihn auszuführen.

       Eines Abends nach einem Trinkgelage führte der König von Polen den König wie von ungefähr in ein reich ausgestattetes Gemach von auserlesenem Geschmack. Mein Vater stand in Bewunderung vor all den Schätzen, als man plötzlich eine Tapetenwand hob und ein höchst unerwarteter Anblick sich darbot. Es war eine weibliche Gestalt im Kostüm der Eva, die nachlässig auf einem Ruhebett ausgestreckt dalag. Das Geschöpf war schöner, als man Venus und die Grazien darstellt; ihr Körper wie aus Elfenbein war weiß wie Schnee und schöner gestaltet als der der medizeischen Venus in Florenz. Das Kabinett, das diesen Schatz in sich barg, war von so vielen Kerzen beleuchtet, dass ihr Schein das Auge blendete und die Schönheit dieser Göttin noch strahlender erschien. Die Veranstalter dieser Komödie zweifelten nicht, dass dieser Anblick das Herz des Königs entzünden würde; allein es kam ganz anders. Kaum hatte der König die Schöne gesehen, als er ihr empört den Rücken zudrehte; und meinen Bruder hinter sich gewahrend, schob er ihn sehr unsanft aus dem Zimmer hinaus; er selbst verließ es auch auf der Stelle und zeigte sich über den Streich sehr ungehalten. Er sprach sich noch am selben Abend sehr nachdrücklich mit Grumbkow darüber aus, nahm sich kein Blatt vor den Mund und erklärte ihm, dass, wenn derartige Szenen sich wiederholten, er unverzüglich abreisen würde. Anders stand es mit meinem Bruder. Trotz der Vorsorge des Königs hatte er vollauf Zeit gehabt, die Venus zu betrachten, die ihm nicht den Abscheu einflößte, den sie bei seinem Vater hervorrief. Sie wurde ihm auf recht eigentümliche Weise durch den König von Polen zuteil.

      Mein Bruder hatte sich leidenschaftlich in die Gräfin Orzelska verliebt, die zugleich die natürliche Tochter und die Mätresse des Königs von Polen war. Ihre Mutter war eine französische Kaufmannsfrau in Warschau. Die Gräfin verdankte ihr Glück ihrem Bruder, dem Grafen Rudofski, dessen Geliebte sie gewesen war und der sie mit dem König von Polen, ihrem Vater, bekannt gemacht hatte. Dieser, wie gesagt, hatte so viele Kinder, dass er sich nicht aller annehmen konnte. Die Reize der Orzelska aber rührten ihn so sehr, dass er sie sogleich als seine Tochter anerkannte; er war ihr leidenschaftlich zugetan. Die Aufmerksamkeiten, die ihr mein Bruder erwies, erfüllten ihn mit grausamer Eifersucht. Um diesem Zustand ein Ende zu machen, ließ er ihm die schöne Formera antragen, unter der Bedingung, dass er der Orzelska entsagen würde. Mein Bruder versprach alles, um jene Schönheit besitzen zu dürfen, die seine erste Geliebte wurde.

       Indes ließ der König den Zweck seiner Reise nicht außeracht. Er schloss mit dem König August einen geheimen Vertrag, dessen Artikel ungefähr folgende waren: Der König von Preußen verpflichtet sich, eine bestimmte Anzahl von Truppen dem König von Polen zu stellen, um die Polen zu zwingen, die Erblichkeit der Krone dem kurfürstlichen Hause Sachsens zuzuerkennen. Er versprach mich dem König zur Ehe und lieh ihm vier Millionen Taler, meine Mitgift nicht eingerechnet, die sehr ansehnlich sein sollte. Dagegen überließ ihm der König von Polen als Pfand für die vier Millionen die Lausitz.