Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen


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die Falschheit jener Gerüchte, dass man sie ganz von dem Gegenteil überzeugte. Diese Dame, welche die intime Freundin des Lord Townshends, des damaligen ersten Staatssekretärs, war, beschloss selbst, die ganze Sache ins reine zu bringen, auf dass sie auch allen Lohn allein davontrüge. Aber sie verhehlte sich nicht, wie schwer es sein würde, den König von seinen Vorurteilen gegen mich abzubringen; und sie riet der Königin, ihn zu einer Reise nach Berlin zu bereden, damit er sich mit eigenen Augen von den Verleumdungen, die man über mich ausgestreut hatte, überzeugen könne. Die Königin wusste ihren Vater so geschickt zu beeinflussen und wurde dabei von der Herzogin so emsig unterstützt, dass er sich ihren Wünschen fügte und seine Reise für den Monat Oktober in Aussicht stellte.

       Triumphierend kehrte die Königin nach Berlin zurück und wurde aufs Beste von ihrem Gemahl empfangen. Welche Freude der Besuch des Königs von England überall bei uns hervorrief und welche Genugtuung der König darüber empfand, lässt sich nicht beschreiben. Nur ich hatte keinen Teil daran, denn vom Morgen bis zum Abend wurde ich jetzt malträtiert. Zu allem, was ich tat, bemerkte die Königin: „Das sind Manieren, die meinem Neffen nicht gefallen werden, Sie müssen sich von nun an nach seinem Geschmack richten.“ Diese Verweise, die mir wohl zwanzigmal am Tage erteilt wurden, waren für meine kleine Eigenliebe durchaus nicht schmeichelhaft. Ich hatte von jeher das Unglück, viel über die Dinge nachzudenken; ich sage das Unglück, denn auf diese Weise ergründet man in der Tat gar vieles auf recht unerwünschte Weise. Über sich selbst nachzudenken, ist heilsam. Doch würde man viel glücklicher sein, wenn man alle trüben Betrachtungen von sich weisen könnte. Es ist ein physisches Übel, jedoch ein moralischer Vorzug, und obwohl er mir oft sehr zur Last fällt, finde ich ihn doch für die Lebensführung von Wert. Aber während ich mich so über das überflüssige Nachdenken aufhalte, merke ich, dass ich eben wieder dabei begriffen bin, von meiner Erzählung abzuweichen. Ich komme also auf das Verhalten der Königin zurück. „Wie hart ist es für mich“, klagte ich oft meiner Hofmeisterin, „von der Königin immer wieder auf so auffällige Weise gerügt zu werden. Ich weiß, ich habe Fehler, und wünsche lebhaft, sie abzulegen, weil ich mir die Achtung und den Beifall aller Welt erwerben möchte. An dieses Gefühl sollte man sich bei mir wenden, statt nur immer vom Herzog von Gloucester zu sprechen und von der Mühe, die ich mir geben sollte, ihm eines Tages zu gefallen. Mir scheint, ich bin so viel wert als er; und wer weiß, ob er mir gefallen wird und ob ich glücklich mit ihm werden könnte. Warum all dieses Entgegenkommen, bevor es an der Zeit ist? Ich bin die Tochter eines Königs; es ist keine so sonderliche Ehre für mich, einen Prinzen zu heiraten. Ich fühle keinerlei Neigung für ihn, und was mir die Königin täglich von ihm sagt, flößt mir eher Widerwillen als den Wunsch ein, ihn zu heiraten.“ Fräulein von Sonsfeld wusste nicht, was sie erwidern sollte. Was ich sagte, war zu richtig, um getadelt zu werden. Ich war von Natur aus schüchtern, und diese fortgesetzten Missbilligungen waren nicht angetan, mich zu ermutigen. Sie machte der Königin Vorstellungen, aber umsonst.

       Um diese Zeit kam einer der Kavaliere des Herzogs von Gloucester nach Berlin. Die Königin gewährte ihm Audienz, und er wurde ihr wie auch mir vorgestellt. Er entbot mir einen sehr zuvorkommenden Gruß seines Herrn; ich errötete und erwiderte nur mit einer Verbeugung. Die Königin, die hinhorchte, war sehr böse, dass mir keine Antwort auf das Kompliment des Herzogs einfiel; sie wusch mir den Kopf und befahl mir, wenn ich sie nicht erzürnen wollte, am nächsten Tage meinen Fehler gutzumachen. Ich ging weinend auf mein Zimmer, wider die Königin, wider den Herzog sehr aufgebracht. Ich schwor, dass ich ihn nie heiraten wollte; wenn ich schon vor meiner Verheiratung so unter seiner Fuchtel stünde, würde ich späterhin nicht besser als seine Sklavin gehalten werden; die Königin handle nur nach ihrem Kopf, ohne meine Gefühle zu berücksichtigen. Endlich wollte ich mich zu ihren Füßen stürzen und sie anflehen, mich nicht unglücklich zu machen, indem sie mich zwänge, einen Prinzen zu heiraten, für den ich keine Neigung hatte und mit dem ich sicherlich unglücklich sein würde. Fräulein von Sonsfeld hatte alle Mühe, mich zu beruhigen, um mich von einem so törichten Schritt abzuhalten. Tags darauf musste ich mich mit jenem Kavalier unterhalten und etwas über den Herzog sagen, aber ich tat es sehr gezwungen und mit recht verlegener Miene.

       Indes stand die Ankunft des Königs von England bevor. Wir begaben uns am 6. Oktober nach Charlottenburg, um ihn zu empfangen. Das Herz schlug mir heftig, und ich war von banger Aufregung erfüllt. Der König kam am 8. Oktober um sieben Uhr abends an. Der König, die Königin und der ganze Hof empfingen ihn im Schlosshof, da die Gemächer zu ebener Erde lagen. Nachdem er den König und die Königin begrüßt hatte, wurde ich ihm vorgestellt. Er umarmte mich, und sich zur Königin wendend, sagte er: „Sie ist sehr groß für ihr Alter.“ Er reichte ihr die Hand und führte sie in seine Gemächer, und alle anderen folgten. Sobald ich eintrat, nahm er eine Kerze und betrachtete mich von Kopf bis zu Fuß. Ich stand unbeweglich wie eine Statue und aufs tiefste verwirrt. Dies alles geschah, ohne dass er ein Wort zu mir sagte. Nachdem er mich also gemustert hatte, wandte er sich an meinen Bruder, dem er viel Liebes erwies und mit dem er sich lange unterhielt. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um mich zu entfernen; die Königin gab mir ein Zeichen, ihr zu folgen, und ging in ein anstoßendes Zimmer, wo sie sich die Engländer und Deutschen vom Gefolge des Königs vorstellen ließ. Nachdem sie eine Weile mit ihnen gesprochen hatte, sagte sie zu diesen Herren, dass sie mich bei ihnen lasse, um sie zu unterhalten; und zu den Engländern sich wendend, sagte sie: „Sprechen Sie Englisch mit meiner Tochter, Sie werden sehen, dass sie es sehr gut kann.“ Ich fühlte mich viel weniger verlegen, sobald die Königin sich entfernt hatte, schöpfte Mut und begann mit den Herren ein Gespräch. Da ich ihre Sprache so gut wie meine Muttersprache konnte, bestand ich sehr wohl vor ihnen, und alle schienen entzückt. Sie lobten mich bei der Königin und sagten ihr, dass ich englisch aussähe und wie dazu geboren sei, eines Tages ihre Herrscherin zu sein. Dies wollte viel sagen, denn diese Nation hält sich so sehr für die erste, dass, wenn sie jemandem sagen, man könne ihn für einen Engländer halten, sie das größte Lob zu spenden glauben. Ihr König hätte wohl für einen Spanier gelten können, er war außerordentlich gemessen und sprach mit keinem Menschen. Er begrüßte Fräulein von Sonsfeld sehr kühl und fragte sie, ob ich immer so ernst sei und ob ich ein melancholisches Temperament habe. „Nichts weniger als das“, entgegnete sie „allein die Ehrfurcht vor Eurer Majestät macht, dass sie nicht so munter zu sein wagt, als sie es für gewöhnlich ist.“ Da schüttelte er den Kopf und antwortete nichts. Der Empfang, den er mir bereitet hatte, sowie das, was ich soeben vernommen hatte, schüchterten mich so ein, dass ich nie den Mut fand, mit ihm zu sprechen. Endlich ging man zu Tische, wo der König ebenso einsilbig verharrte; vielleicht hatte er recht, vielleicht hatte er unrecht; ich glaube jedoch, er hielte sich an das Sprichwort: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Gegen Ende der Mahlzeit wurde er unwohl. Die Königin wollte ihn bereden, von Tische aufzustehen; eine Weile entschuldigten sie sich hin und her, endlich warf sie ihre Serviette hin und erhob sich. Der König von England fing an zu schwanken, der von Preußen eilte herzu, um ihn zu stützen; alles wollte ihm behilflich sein, jedoch vergeblich: er fiel auf die Knie, seine Perücke auf eine Seite, der Hut auf die andere. Man streckte ihn sachte am Boden aus, und eine gute Stunde lang blieb er besinnungslos liegen. Endlich nach vielen Belebungsversuchen kam er wieder zu sich. Der König und die Königin waren indes untröstlich; und viele glaubten, dass dieser Anfall der Vorbote eines Schlagflusses sei. Man bat ihn dringend, sich zurückzuziehen, doch er wollte nicht und geleitete die Königin in ihre Gemächer. Nachts ging es ihm sehr schlecht, was man erst unter der Hand erfuhr. Aber dies hielt ihn nicht ab, am folgenden Tage wieder zu erscheinen. Die ganze übrige Zeit seines Hierseins verlief in Festlichkeiten und Vergnügungen. Täglich fanden geheime Sitzungen der englischen und preußischen Minister statt. Das Ergebnis war das endliche Zustandekommen des Bündnisvertrages und der doppelten Verlobung, die in Hannover eingeleitet worden war. Die Unterschriften wurden am 12. desselben Monats vollzogen. Der König von England reiste am folgenden Tage ab, und sein Abschied von der ganzen Familie war ebenso kalt wie seine Begrüßung. Der König und die Königin sollten seinen Besuch erwidern und nach Göhrde kommen, einem Jagdschloss in der Nähe von Hannover.

      Schon seit sieben Monaten war die Königin sehr unpass; ihr Übel war so seltsam, dass die Ärzte keinen Rat wussten. Ihr Körper schwoll jeden Morgen mächtig an, und diese Geschwulst verging gegen Abend. Eine Zeitlang schwankte die Fakultät, ob es sich um eine Schwangerschaft handelte; aber sie erachtete zum Schluss, dass dieses Unwohlsein von einer andern Ursache