Jules Verne

Die Jagd nach dem Meteor


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Das will ich auf mich nehmen, erbot sich Loo. Ich springe die sechs Stockwerke schnell hinaus.«

      In der Tat war es unumgänglich, daß Mr. Forsyth und Mr. Hudelson sich hier einfanden. Handelte es sich doch darum, den Tag für die Trauung zu bestimmen. Daß die Hochzeit bald gefeiert werden sollte, darüber war man wohl einig... doch unter der Bedingung, daß das schöne Festkleid der jungen Brautjungfer – ein langes Kleid, wie es erwachsene Damen tragen und das Loo an dem denkwürdigen Tage einweihen wollte – fertig geworden wäre.

      In bezug hierauf erlaubte sich Francis auch die scherzhafte Bemerkung:

      »Ja, wenn sie nun aber noch nicht vollendet ist, die berühmte Robe?

      – Dann, erklärte das herrische Persönchen, dann wird die Hochzeit einfach verschoben!«

      Dieser Antwort folgte ein so herzliches lautes Lachen, daß es Mr. Hudelson oben in seinem Wartturme jedenfalls hören mußte.

      Der Zeiger der Uhr schlich inzwischen über alle Minutenstriche des Zifferblattes hin, Mr. Dean Forsyth erschien aber nicht. Loo mochte sich noch so weit aus dem Fenster, von dem aus der Eingang zum Hause zu übersehen war, hinausbiegen... kein Mr. Forsyth ließ sich entdecken. Man mußte sich also mit Geduld wappnen, mit einer Waffe, die Loo nicht im geringsten zu handhaben verstand.

      »Mein Onkel hat mir zwar fest versprochen, hierher zu kommen, erklärte Francis Gordon, ich weiß aber gar nicht, was er seit einigen Tagen haben mag.

      – Mister Forsyth ist doch hoffentlich nicht unwohl? fragte Jenny.

      – Nein... aber so sorgenvoll... so nachdenklich. Man kann ihm keine zehn Worte entlocken. Ich weiß nicht, was ihm durch den Kopf gehen mag.

      – Wahrscheinlich eine Sternschnuppe! rief das drollige Mädchen.

      – Mit meinem Manne liegt es nicht anders, nahm da Mrs. Hudelson das Wort. Seit einer Woche ist er tiefsinniger als je. Man kann ihn gar nicht mehr aus seinem Observatorium herausbringen. Wahrscheinlich wird am Himmel ein ganz außergewöhnliches Ereignis zu beobachten sein.

      – Wahrhaftig, fiel Francis ein, das möchte ich nach dem Verhalten meines Onkels ebenfalls glauben. Er geht nicht mehr aus, schläft nicht mehr, ißt und trinkt kaum noch und verpaßt wenigstens die Essenszeit –

      – Da wird sich Mitz ja heidenmäßig freuen! warf Loo ein.

      – Die... die wütet geradezu, es hilft ihr nur nichts. Mein Onkel, der früher die Standreden seiner alten Haushälterin fürchtete, hört jetzt gar nicht mehr darauf.

      – Ganz wie hier bei uns, meinte Jenny lächelnd. Meine Schwester hat ihren Einfluß auf Papa gänzlich verloren, und wie groß war der bisher!

      – Ist das menschenmöglich, Fräulein Loo? fragte Francis in demselben Tone.

      – Ja, es ist leider nur zu wahr! erwiderte das Mägdlein. Doch Geduld... nur Geduld! Mitz und ich, wir werden schließlich doch mit dem Vater und dem Onkel fertig werden!

      – Was kann denn aber beiden widerfahren sein? fuhr Jenny fort.

      – Ach, da wird sich wohl irgend ein kostbarer Planet verlaufen haben, ruf Loo. Na, wenn sie ihn nur noch vor der Hochzeit wiederfinden!

      – Wir scherzen hier so leichthin, nahm jetzt Mrs. Hudelson wieder das Wort, und Mister Forsyth erscheint immer noch nicht.

      – Ja, eben hat es schon halb fünf geschlagen, bemerkte Jenny.

      – Wenn mein Onkel binnen fünf Minuten noch nicht hier ist, werde ich ihn holen,« versprach Francis Gordon.

      Im gleichen Augenblicke ertönte aber die Haustürklingel.

      »Da... das ist Mister Forsyth, versicherte Loo. Hört nur, er klingelt immer weiter. Das ist ja das reine Glockenspiel! Ich wette darauf, daß er wohl einen Kometen fliegen hört, doch nichts davon, daß er hier klingelt.«

      Wirklich war es Mr. Forsyth. Er trat auch gleich darauf in das Zimmer, wo Loo ihn mit lebhaften Vorwürfen empfing.

      »Nachzügler!... Nachzügler!... Sie legen's wohl darauf an, daß man auf Sie böse wird?

      – Guten Tag, Mistreß Hudelson!... Guten Tag, liebe Jenny, sagte Nr. Forsyth, der das junge Mädchen in die Arme schloß, und auch hier einen Guten Tag,« fuhr er fort, die Wangen des kleinern Mädchens streichelnd.

      Diese Begrüßungen erfolgten aber alle mit sehr zerstreutem Aussehen. Wie Loo angenommen hatte: Mr. Dean Forsyth hatte unbedingt, wie man sagt, »den Kopf wo anders«.

      »Lieber Onkel, wendete sich jetzt Francis Gordon an ihn, da wir dich nicht zur verabredeten Stunde erscheinen sahen, nahm ich an, daß du unsre Zusammenkunft ganz vergessen hättest.

      – Nicht ganz, doch, ich gesteh' es – ein wenig, und das bitte ich zu entschuldigen. Zum Glück hat mich Mitz in bekannter Weise an meine Verpflichtung erinnert.

      – Und daran hat sie wohlgetan! erklärte Loo.

      – Schonen Sie mich ein bißchen, kleine Miß!... Eine ernsthafte Beschäftigung... ich stehe vielleicht am Vorabend einer der interessantesten Entdeckungen.

      – Ja natürlich!... Ganz wie Papa.

      – Was! rief Mr. Dean Forsyth, der mit einem Satze aufsprang, als ob er von einer starken Feder in seinem Stuhle emporgeschnellt würde, Sie sagen, daß der Doktor...

      – Wir sagen gar nichts, bester Herr Forsyth,« beeilte sich Mrs. Hudelson einzuwerfen, da sie immer, und nicht ohne Grund, befürchtete, daß hier eine neue Veranlassung zu einer Rivalität zwischen ihrem Gatten und dem Onkel Francis Gordons verborgen liegen könnte.

      Dann setzte sie, um weitere Erörterungen abzuschneiden, hinzu:

      »Loo, hole nun deinen Vater.«

      Leicht wie ein Vogel eilte das Mägdlein nach dem Turme, und wenn sie hier die Treppe benutzte, statt durchs Fenster zu fliegen, geschah das nur, weil sie sich ihrer Flügel nicht bedienen wollte.

      Eine Minute später erschien Mr. Sydney Hudelson im Zimmer, aber mit sehr ernstem Gesicht, ermüdetem Auge und mit so stark gerötetem Kopfe, daß man einen ihn bedrohenden Schlaganfall befürchten konnte.

      Mr. Dean Forsyth und er wechselten einen leichten Händedruck, während beide einander mit verstohlenem Blicke auszukundschaften suchten. Sie sahen einander an, als ob einer dem andern nicht recht über den Weg traute.

      Die beiden Familien waren ja heute aber hier nur zusammengekommen, um den Tag für die Hochzeit oder – um die Ausdrucksweise Loos zu gebrauchen – den für die Vereinigung der Gestirne Francis und Jenny zu bestimmen. Von andern Dingen sollte heute keine Rede sein.

      Alle waren darüber einig, daß die Feierlichkeit nach möglichst kurzer Frist vor sich gehen sollte, und so dauerte denn die Verhandlung nicht gerade lange.

      Ob ihr wohl Mr. Dean Forsyth und Mr. Hudelson mit besondrer Aufmerksamkeit gefolgt waren? Nein, man konnte vielmehr glauben, daß sie auf der Verfolgung irgend eines im Weltraum verschwundenen Asteroiden begriffen wären, wobei sich jeder von ihnen fragte, ob nicht der andre nahe daran sei, ihn wiederzufinden.

      Jedenfalls erhoben sie keinen Widerspruch, daß die Hochzeit nach wenigen Wochen stattfinden sollte. Heute war der 21. März; in Aussicht genommen wurde der 15. Mai.

      Wenn man sich ein wenig beeilte, war bis dahin Zeit genug, die neue Hauswirtschaft einzurichten.

      »Jawohl, und mein neues Kleid fertig zu machen,« setzte Loo mit der ernsthaftesten Miene der Welt hinzu.

      Viertes Kapitel

      Worin zwei Breife – ein an die Sternwarte in Pittsburg und ein an die Sternwarte von Cincinnati gerichteter – in die Akten über Feuerkugeln aufgenommen werden.

      An