Weihnachten an? Der
Henker hole die fröhlichen Weihnachten! Welchen Nutzen hatte
er wohl jemals davon gehabt?
»Die Schule ist nicht ganz verlassen«, nahm der Geist wieder das
Wort. »Ein Kind, eine verlassene Waise, sitzt noch einsam dort.«
Scrooge sagte, er wisse es. Und er schluchzte.
Sie verließen nunmehr die Heerstraße auf einem wohlbekannten
Feldweg und erreichten bald ein Haus aus dunkelroten
Backsteinen mit einem kleinen Türmchen auf dem Dach und
einer Glocke drin. Es war ein großes Haus, aber jetzt
vernachlässigt und ziemlich verwahrlost, weil die geräumigen
Gemächer wenig gebraucht waren, die Wände feucht und grün,
die Fenster zerbrochen, die Türen morsch und halb zerfallen.
Hühner gluckten und scharrten in den Ställen, und der
Wagenschuppen war mit Gras überwachsen. Auch im Innern
war nichts übriggeblieben von seiner alten Pracht, denn als sie in
den verödeten Hausflur eintraten und durch die offenen Türen in
die vielen Zimmer blickten, sahen sie nur ärmlich ausgestattete,
kalte, große Räume. Ein erdiger, multriger Geruch lag in der Luft,
kalte, große Räume. Ein erdiger, multriger Geruch lag in der Luft,
eine frostige Unbehaglichkeit von allzu häufigem Aufstehen bei
Kerzenlicht und nicht al zu reichlichem Essen.
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Der Geist ging mit Scrooge über den Hausflur nach einer Tür auf
der Rückseite des Hauses. Sie öffnete sich vor ihnen und zeigte
ihnen einen langen, kahlen, unbehaglichen Saal, den Reihen von
einfachen hölzernen Bänken noch kahler und unbehaglicher
machten.
Auf einer davon saß einsam ein Knabe neben einem schwachen
Feuer und las; und Scrooge setzte sich auf eine Bank nieder und
weinte, als er sein eigenes, vergessenes Selbst sah, wie es in
früheren Jahren war.
Kein dumpfer Widerhall in dem Haus, kein Rascheln der Mäuse
hinter dem Getäfel, kein Getröpfel des halbgefrorenen
Brunnentrogs hinten im Hof, kein Seufzer in den blattlosen
Zweigen einer verlassen trauernden Pappel, nicht das Knarren
der vom Wind hin und her bewegten Tür des Vorratshauses im
Hof, selbst nicht das Knistern des Feuers war für Scrooge
verloren. Alles fiel auf sein Herz wie erweichende Töne und löste
seine Tränen.
Der Geist berührte seinen Arm und wies auf sein jüngeres, in ein
Buch vertieftes Abbild. Plötzlich stand draußen vor dem Fenster
ein Mann in fremdartiger Tracht, mit einer Axt im Gürtel und
ein Mann in fremdartiger Tracht, mit einer Axt im Gürtel und
einen mit Holz beladenen Esel am Zaume führend.
»Was! Das ist ja Ali Baba!« rief Scrooge voller Freude aus. »Es
ist der alte, liebe, ehrliche Ali Baba. Ja, ja, ich weiß es noch.
Einst zur Weihnachtszeit geschah es, daß dieser verlassene
Knabe ganz allein hier saß, und er zum ersten Male wirklich
kam, gerade wie er dort steht. Der arme Junge! Und Valentin«,
fuhr Scrooge fort, »und auch sein wilder Bruder Orson, dort
gehen sie! Und wie heißt doch der, der mitten im Schlaf vor das
Tor von Damaskus gesetzt wurde?
Siehst du ihn nicht? Und der Stallmeister des Sultans, der von
den bösen Geistern auf den Kopf gestellt wurde, dort ist er ja
auch! Ha, ha, es geschieht ihm schon recht! Wer hieß es ihn
auch, die Prinzessin heiraten wol en!«
Scrooge mit vollem Ernst über solche Gegenstände reden zu
hören und mit einer zwischen Lachen und Weinen schwankenden
Stimme, dann auch sein vor Freude aufgeregtes Gesicht zu
sehen: das wäre für seine Geschäftsfreunde in der City gewiß
eine große Überraschung gewesen.
»Da ist ja auch der Papagei«, rief Scrooge, »der mit grünem Leib
und gelbem Schwanz, da ist er! Der arme Robinson, er rief ihn,
als er von seiner Inselumsegelung wieder nach Hause kam
›Robinson Crusoe, wo bist du gewesen?‹ Er glaubte, er träume,
aber das war der Papagei. Ha, dort läuft Freitag in der kleinen
aber das war der Papagei. Ha, dort läuft Freitag in der kleinen
Bucht. Es gilt das Leben. Hallo, hob, hal o!«
Dann sagte er mit einem schnel en Wechsel der Gefühle, der
seinem gewöhnlichen Charakter sehr fremd war: »Der arme
Knabe!«, und er weinte wieder. Dann wischte er sich mit dem
Ärmelaufschlag die Augen, steckte die Hand in die Tasche und
murmelte: »Ich wünschte - aber es ist jetzt zu spät.«
»Was willst du?« fragte der Geist.
»Nichts«, sagte Scrooge, »nichts. Gestern abend sang ein Knabe
ein Weihnachtslied vor meiner Tür. Ich wünschte, ich hätte ihm
etwas gegeben, weiter war es nichts.«
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Der Geist lächelte gedankenvoll und winkte mit der Hand. Dann
sagte er: »Laß uns ein anderes Weihnachtsfest sehen.«
Scrooges früheres Selbst wurde bei diesen Worten größer, und
das Zimmer etwas finsterer und schwärzer, das Getäfel warf
sich, die Fensterscheiben sprangen, Stücke des Kalkbewurfs
fielen von der Decke und das bloße Lattenwerk zeigte sich: aber
wie das alles geschah, wußte Scrooge ebensowenig wie ihr. Er
wußte nur, daß alles stimmte und sich ganz so zugetragen habe,
und daß er's nun wieder sei, der dort al ein sitze, während die
andern Knaben nach Hause gereist waren zur fröhlichen
Weihnachtsfeier.
Weihnachtsfeier.
Er las nicht, sondern ging wie in Verzweiflung im Zimmer auf und
ab.
Scrooge blickte den Geist an und schaute mit einem traurigen
Kopfschütteln und in banger Erwartung nach der Tür.
Da ging sie auf und ein kleines Mädchen, viel jünger als der
Knabe, sprang herein, schlang die Arme um seinen Hals,