Jules Verne

Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 2


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Monat in Anspruch.

      Noch immer hatte man aber über das Schicksal Marion's und der ihn begleitenden Leute keine volle Aufklärung. Zur Erlangung einer solchen begab sich zunächst eine starke, wohl bewaffnete Abteilung nach dem Dorfe Tacouri's.

      Dasselbe erwies sich verlassen. Nur einige schwächliche Greise, die ihren fliehenden Landsleuten gewiss nicht zu folgen vermochten, saßen da und dort vor den Hütten. Man versuchte sie zu fangen. Da stieß einer derselben, ohne sich lange zu besinnen, mit dem Wurfspieß, den er in der Hand hielt, nach einem Soldaten. Man bestrafte ihn dafür mit dem Tode, ließ aber die anderen unbehelligt in ihrem Dorfe. Alle Wohnungen wurden nun sorgfältig durchsucht. In der Küche Tacouri's fand sich ein erst vor wenig Tagen gerösteter Menschenkopf mit noch einigen Fleischresten, an denen man den Eindruck von Zähnen sah; ferner, an einem hölzernen Bratspieß befestigt, ein zu drei Vierteilen aufgezehrter Oberschenkel.

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      Marion's Tod

      In einer anderen Hütte fand man ein Hemd, das als ein dem unglücklichen Marion gehöriges erkannt wurde. Der Halsteil desselben war ganz blutig und zeigte drei oder vier, an den Rändern ebenfalls blutbefleckte Löcher. In verschiedenen anderen Häusern entdeckte man noch einen Teil der Kleider und die Pistolen des jungen de Vaudricourt, der seinen Kommandanten begleitet hatte, ferner mehrere Waffen aus dem zweiten Boote und einen Haufen Fetzen von den Jacken der unglücklichen Matrosen.

      Jetzt war kein längerer Zweifel möglich. Über den Tod der Opfer wurde ein Protokoll aufgesetzt, und Du Clesmeur suchte sich aus Marion's Papieren über dessen weitere Reiseziele zu unterrichten, fand aber nichts als die von dem Statthalter auf Isle de France herrührenden Instruktionen.

      Das versammelte Offizierscorps entschied sich angesichts des kläglichen Zustandes der Fahrzeuge dahin, von der Aufsuchung unbekannter Länder abzusehen, erst nach den Inseln Rotterdam und Amsterdam, dann nach den Mariannen und den Philippinen zu segeln, wo man die eingenommene Ladung vor der Rückkehr nach Isle de France veräußern zu können hoffte.

      Am 14. Juli verließ Du Clesmeur den von ihm sogenannten „Hafen des Verrates“ und die Schiffe steuerten nach den Inseln Amsterdam und Rotterdam zu, an denen sie, etwas nördlich von ihnen, am 6. August vorüberkamen. Glücklicherweise begünstigte diese Fahrt das herrlichste Wetter, denn der Skorbut hatte unter den Matrosen so sehr gewütet, dass nur noch wenige derselben dienstfähig waren.

      Am 20. September wurde endlich die Insel Guaham, die größte der Mariannen, erreicht, an der man doch erst sieben Tage später vor Anker gehen konnte.

      Der von Crozet verfasste Bericht enthält eine sehr schätzbare und eingehende Schilderung dieser Insel, wie ihrer Erzeugnisse und Bewohner. Wir geben hier daraus nur folgenden, ebenso kurzen wie bezeichnenden Passus wieder:

      „Die Insel Guaham“, heißt es, „erschien uns wie ein irdisches Paradies; die Luft hier ist erquickend, das Wasser ausgezeichnet, Gemüse und Früchte sind vortrefflich, Rinder-, Ziegen- und Schweine-Herden unzählbar; alle Arten Geflügel vermehren sich sehr stark.“

      Unter den Erzeugnissen hebt Crozet die „Rima“ besonders hervor, deren Frucht essbar wird, wenn sie ihre volle Ausbildung erlangt hat, aber noch grün ist.

      „In diesem Zustande, sagt er, ernten sie die Eingeborenen zum Verspeisen; sie beseitigen die raue Schale und schneiden sie wie Brot in Stücke. Zum Zweck des Aufbewahrens schneiden sie daraus runde Scheiben und lassen diese, in Form sehr dünner Brotkuchen, an der Sonne oder am Feuer dörren. Dieser Naturzwieback behält seine nährende Eigenschaft mehrere Jahre lang und jedenfalls weit länger als unser bester Schiffszwieback.“

      Vom Hafen von Agana aus segelte Crozet nach den Philippinen, wo er bei Cavite, in der Bai von Manilla, vor Anker ging. Hier trennten sich nun die „CASTRIES“ und die „MASCARIN“, um einzeln nach Isle de France zurückzukehren. –

      Einige Jahre früher schon hatte ein kühner Offizier der Kriegsmarine, der Chevalier Jacques Raymond de Giron de Grenier, der wohl auch dem glänzenden Siebengestirn berühmter Männer, den Chazelle, Borda, Fleurieu, Du Maitz de Grimpo, Chabert und Verdun de la Grenne zugezählt zu werden verdiente, die sich so eifrig für alle Fortschritte der Schifffahrt und Erdkunde bemühten, seine Muße während des Aufenthaltes auf Isle de France dazu benutzt, die benachbarten Meere zu durchforschen. Mit der Corvette „HEURE DU BERGER“ unternahm er eine recht erfolgreiche Kreuzfahrt, bei der er die Positionen des Saint Brandon-Riffes, der Saya de Malha-Bank berichtigte, in den Seychellen die Inseln St. Michel, Rocquepire, Agalega eingehend erforschte und die Karte der Inseln Adu und Diego Garcia verbesserte. Unter Berücksichtigung des sich gegenseitig bedingenden Verhältnisses zwischen den Meeresströmungen und den Monsuns (Jahreszeiten-Winden) brachte er einen kürzeren und sichereren Weg von Isle de France nach Indien in Vorschlag. Die Ersparnis an demselben sollte achthundert (See-) Meilen betragen; die Sache schien einer ernsten Untersuchung nicht unwert.

      Als der Marine-Minister bei der See-Akademie für de Grenier's Vorschlag eine günstige Stimmung fand, beschloss er die Prüfung desselben einem See-Offizier zu übertragen, der mit derartigen Arbeiten vertraut war.

      Seine Wahl fiel auf Yves Joseph de Kerguelen.

      Während der beiden, in den Jahren 1767 und 1768 zur Hebung und zum Schutze des Stockfischfanges nach den Küsten von Island unternommenen Fahrten hatte dieser Seemann Skizzen einer großen Anzahl von Häfen und Reden aufgenommen, viele asThronomische Beobachtungen gesammelt, die Karte von Island berichtigt und über das bis dahin nur wenig bekannte Land eine Fülle genauer und interessanter Beobachtungen ausgezeichnet. Ihm verdankte man die erste eingehende und verlässliche Schilderung der „Geyser“, jener Quellen heißen Wassers, welche manchmal ziemlich hoch aufsteigen, die merkwürdigen Nachrichten über das Vorkommen fossilen Holzes und damit den Beweis, dass das jetzt jedes Baumwuchses entbehrende Island in vorgeschichtlicher Zeit mit ungeheuren Wäldern bedeckt gewesen sein muss.

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      Yves Joseph de Kerguelen

      Gleichzeitig veröffentlichte Kerguelen damals viele noch unbekannte Einzelheiten über Sitten und Gebräuche der Bewohner.

      „Die Frauen“, sagte er, „tragen Röcke, Leibchen und Schürzen aus einem in Island selbst gefertigten und „Wadmel“ genannten Stoffe. (Noch heute in Skandinavien als „Vadmal“, das ist etwa: selbstgefertigter Fries, bekannt); über das Leibchen ziehen sie einen sehr weiten Rock, ähnlich dem der Jesuiten, der aber nicht so weit herabreicht wie die Unterkleider, welche er noch sehen lässt. Dieser Überrock ist von verschiedener Farbe, meist jedoch einfach schwarz; man nennt ihn „Hempe“. Er wird mit Samtband oder anderem Ausputz verziert ... Ihre Haartracht gleicht einer Pyramide oder einem zwei bis drei Fuß hohen Zuckerbrote. Sie flechten sich dabei ein großes Taschentuch von grobem Leinengewebe ein, welches genügende Steifigkeit besitzt und, von einem feineren bedeckt, die oben erwähnte Form hervorbringt ...“

      Endlich verstand jener Offizier sehr wichtige Nachrichten über Dänemark, die Lappen, die Samojeden zu sammeln und beschrieb auch die Archipele der Färöer, der Orcaden und der Shetlands-Inseln, welche er genau untersuchte.

      Betraut mit der Erprobung des von Grenier vorgeschlagenen Seeweges, ging Kerguelen den Minister um die Erlaubnis an, mit dem ihm zu übergebenden Schiffe gleichzeitig die Wiederaufsuchung der von Bouvet de Lozier im Jahre 1739 entdeckten südlichen Länder versuchen zu dürfen.

      Der Abbé Terray, der Nachfolger des Herzogs von Praslin, übergab ihm das Kommando des Schiffes „LE BERRYER“, das von Lorient Lebensmittel für vierzehn Monate, dreihundert Mann Besatzung und einige für Isle de France bestimmte Munition mitnahm. Der Abbé Rochon begleitete dabei Kerguelen, um die astronomischen Beobachtungen zu leiten.

      Gleich nach seiner Ankunft bei Isle de France, am 20. August 1771, vertauschte Kerguelen die „BERRYER“ gegen die Flute „FORTUNE“, mit der noch die kleine Flute „GROS VENTRE“ von sechzehn Kanonen mit hundert Mann Besatzung unter dem Befehle de Saint Allouarn's vereinigt wurde.