Irene Dorfner

Irgendwann krieg ich Dich


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der Name Karl Rauschberger, er wurde auch der Lehrer genannt? Hier ist ein Foto von ihm.“

      „Absolut nichts, den Namen habe ich noch nie gehört. Auch das Gesicht sagt mir nichts.“ Er gab das Foto wieder zurück.

      „Wo waren Sie am 9. Juli um ca. 15.00 Uhr?“

      „Um Gottes willen! Ich brauche ein Alibi?“

      „Bitte beantworten Sie meine Frage.“

      „Lassen Sie mich überlegen. Am 9. Juli hatte ich eine Tour nach Süd-Frankreich. Ich hole schnell mein Notizbuch, da steht alles haarklein drin. Das mache ich schon seit Jahren so, weil ich mir schlecht Einzelheiten merken kann und das Finanzamt möchte immer alles genau wissen. Entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit. Möchten sie etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?“

      Sie lehnten beide dankend ab. Simon Maurer holte aus dem Nebenzimmer ein rotes, ledergebundenes Notizbuch und blätterte darin.

      „Klar war ich in Frankreich! Ich bin Sonntagabend 8. Juli um 22.00 Uhr losgefahren. Ziel war ein kleiner Ort vor Marseille. Dort habe ich termingerecht am Nachmittag abgeladen und bin am Mittwoch den 11.07. gegen 16.30 Uhr bei meinem Arbeitgeber auf den Hof gefahren. Bitteschön.“ Mit einem Lächeln beugte er sich zu Anna und reichte ihr das Notizbuch, wobei sie die Tätowierung auf dem muskulösen Oberarm entdeckte, die ihr sehr gefiel. „Bitte fragen Sie in der Firma nach, die können das bestätigen.“

      „Wo waren Sie gestern Abend nach 17.00 Uhr?“

      „Im Schützenhaus. Gestern war Vereinssitzung mit anschließendem Training. Ich war kurz nach 17.00 Uhr dort, das kann die Wirtin bestätigen. Ich ging erst nach Mitternacht. Da ich jetzt zwei Wochen Urlaub habe, konnte ich länger bleiben und auch mal ein Glas mehr trinken. Ich bin mit dem Taxi nach Hause, Quittung habe ich keine. Ich erinnere mich dass das Taxi die Nummer 66 hatte.“ Wieder lächelte er charmant.

      „Das werden wir auf jeden Fall prüfen. Schreiben Sie uns bitte die Adresse Ihres Arbeitgebers und die Ihrer Vereinskammeraden auf.“

      Simon Maurer notierte die Adressen mit sauberer Handschrift und gab Anna den Zettel, die ihm nun wiederum das Notizbuch zurückgab.

      „Jetzt würde ich aber doch gerne wissen, was das hier soll und was ich mit der ganzen Sache zu tun habe.“

      „Während einer Morduntersuchung sind Ihre Fingerabdrücke auf einem Messer aufgefunden worden und wir fragen uns natürlich, wie die da hinkommen.“

      „Wie bitte? Ich verstehe nicht. Meine Fingerabdrücke? Das kann nicht sein.“

      „Bei dem Messer handelt es sich um einen sogenannten Hirschfänger. Besitzen Sie solch ein Messer?“

      „Ja sicher und zwar schon viele Jahre. Das Messer war ein Geschenk meines Großvaters zu meiner Konfirmation und sie können sich ausrechnen, wie lange das schon her ist. Den Hirschfänger habe ich noch nie benutzt, er liegt hier noch fabrikneu und in der Originalverpackung in der Schublade. Ein Andenken an meinen verstorbenen Großvater, von dem ich mich niemals trennen würde. Ab und zu nehme ich es heraus, sehe es mir an und denke an ihn, er war ein toller Typ. Eine Sentimentalität, ich weiß, aber ich kann eben nicht anders. Moment, ich zeige es Ihnen.“

      Anna schmolz geradezu dahin, als sie die warmherzigen Worte hörte. Leo war das zuwider und ihn machte diese Geschichte eher misstrauisch. In seinen Augen war Maurer ein hervorragender Schauspieler.

      Simon Maurer ging zum Wohnzimmerschrank und öffnete eine Schublade, kramte darin, fand aber offensichtlich nichts. Er öffnete die anderen Schubladen und suchte hektisch darin.

      „Das gibt es doch nicht. Das Messer müsste hier sein. Es tut mir leid, ich kann es nicht finden. Aber es muss hier sein, ich verstehe das nicht. Erst vor ein paar Wochen habe ich es in den Händen gehabt.“ Simon Maurer war völlig verstört und verzweifelt, die Selbstsicherheit war verschwunden.

      „Es hätte mich überrascht, wenn Sie es gefunden hätten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es bei uns liegt. Bitte verreisen Sie nicht und halten Sie sich zu unserer Verfügung.“

      Anna und Leo ließen den überraschten Simon Maurer zurück und fuhren zu der angegebenen Adresse des Arbeitgebers, der Spedition Millthalter, da diese nur unweit von Maurers Wohnung entfernt war.

      „Mein Name ist Leo Schwartz, Kripo Ulm, das ist meine Kollegin Anna Ravelli. Wer ist bei Ihnen für die Einteilung der Fahrer zuständig?“

      Die kleine, dicke, ungepflegte Frau starrte die beiden an, sagte nichts, sondern zeigte auf einen älteren, übergewichtigen Mann mit Glatze, der gerade lautstark telefonierte. Sie warteten. Als der Mann aufgelegt hatte, traten sie an dessen Schreibtisch. Sie stellten sich abermals vor.

      „Niederwinkler Alois, ich bin hier der Disponent. Mordkommission? Womit kann ich dienen?“

      „Wir möchten von Ihnen wissen, wo Ihr Fahrer Simon Maurer am 09.07. gegen 15.00 Uhr war.“

      „Der Simon war in Frankreich,“ kam es wie aus der Pistole geschossen. Alois Niederwinkler sprach in breitschwäbischen Dialekt. Er tippte auf der Tastatur seines Computers. „Die Fahrt war sehr lukrativ, ich kann mich noch sehr gut an den Auftrag erinnern: Aber das können wir uns gleich detailliert ansehen, denn unsere Lkws sind mit GPS ausgestattet, damit kann man alles lückenlos nachverfolgen. Hier habe ich die entsprechenden Daten, sehen Sie selbst.“

      Leo las die Daten auf dem Bildschirm. Und tatsächlich: Simon Maurer war in Frankreich.

      „Und das ist absolut sicher? Keine Manipulation möglich?“

      „Noi, die Daten stimmen absolut. Simon war in Frankreich, daran gibt es keinen Zweifel.“

      „Wer außer Ihnen hat noch mit der Einteilung der Fahrer zu tun?“

      „Sie vermuten trotzdem eine Manipulation? Können Sie vergessen, außer mir teilt niemand die Fahrer ein. Das ist allein meine Arbeit, leider. Meine Kollegin, die sie vorhin kennenlernen durften, ist zu nichts zu gebrauchen. Entschuldigen Sie, aber die Wahrheit muss nun mal gesagt werden, auch wenn sie die Cousine vom Chef ist. Wir sind schon lange auf der Suche nach einer vernünftigen Arbeitskraft, aber das ist echt schwierig, Sie glauben nicht, wer sich hier vorstellt, wenn überhaupt jemand kommt. Diejenigen, die vom Arbeitsamt zu uns kommen wollen nur eine Bestätigung, dass sie sich vorgestellt haben. Und alle anderen Bewerber sind entweder ungeeignet oder absolut dämlich. Wenn Sie jemand wissen, schicken Sie ihn oder sie zu mir. Viele muss man nicht mitbringen. Wenn man lesen, schreiben und ein Telefon bedienen kann, und dann noch mindestens einen IQ im 2-stelligen Bereich hat, sind das schon super Voraussetzungen. Es wäre phantastisch, wenn ich beruflich etwas entlastet würde. Meinen letzten Urlaub hatte ich vor über drei Jahren. Jedes Jahr planen wir einen wunderschönen, gemeinsamen Urlaub, der dann doch ins Wasser fällt. Meine Frau glaubt schon nicht mehr daran.“

      Leo mochte Alois Niederwinkler sofort, denn er war gerade heraus und hatte einen herrlichen hintergründigen Humor, den er sehr liebte. Noch stundenlang hätte er ihm zuhören können, aber das Telefon klingelte bereits wieder. Herr Niederwinkler verabschiedete sich und nahm das Gespräch entgegen, das jedoch schon beendet war, noch bevor sie aus der Tür draußen waren.

      „Moment noch,“ rief Alois Niederwinkler ihnen hinterher, „ich kann mich daran erinnern, dass Simon während besagter Tour einen Strafzettel von den Franzosen kassiert hat. Fragen Sie ihn danach. So wie ich ihn kenne, hat der Strafzettel aufbewahrt. Ich bin ja davon überzeugt, dass diese Schneckenfresser regelrecht Jagd auf deutsche LKW machen. Die sind nicht nur sehr schnell mit ihren völlig überteuerten Strafzetteln, die natürlich an Ort und Stelle bezahlt werden müssen, sondern dazu auch noch sehr unfreundlich.“

      Niederwinkler nahm kein Blatt vor den Mund.

      Leo und Anna fuhren zurück ins Büro. Nach den Fingerabdrücken dachten sie eigentlich, dass sie den Fall sehr schnell abschließen konnten. Weit gefehlt. Der vermeintliche Täter hatte für die Tatzeit ein Alibi, und zwar ein absolut Wasserdichtes. Trotzdem riefen sie bei Simon Maurer bezüglich des Strafzettels an, der ihnen dies bestätigte und tatsächlich noch das Original in