Johannes Anders

Rücksturz nach Tyros


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überwanden. Kein Wunder, dachte Brent. Die diebische Bande hatte von zwei Wandlern so viele Teile geklaut, dass sie nutzlos waren.

      Unablässig strömten Meldungen herein: Kühlaggregate defekt, Zuleitungen zu den Hilfstriebwerken ohne Energie. Zweites Ladeschott musste von Hand geschlossen werden, Hydraulik ohne Funktion, sie hatten das Öl geklaut.

      Endlich gelang es, eine Verbindung aufzubauen. „Brent an MAGELLAN. Wir werden angegriffen. Ich wiederhole: liegen unter Beschuss", versuchte er der Admiralin mitzuteilen, aber ohne Erfolg. Offenbar wurde der Funkverkehr jetzt gestört. Die Funksprüche der anderen Schiffe kamen nur als Fragmente herein. Alle schienen unter denselben Problemen zu leiden.

      Dann schlugen die ersten Treffer ein: energiestarke Laserstrahlen, die die Schirme gleich auf Höchstlast brachten.

      „Kommandant an Armierungsoffizier. Mugab, Feuer frei! Hol das Pack vom Himmel!“

      „Würde ich ja gerne, Commander. Benötige mehr Energiezuleitung zu den Werfern", kam prompt die Antwort. Brent legte zwei Schalter in der Holokonsole um, und sofort begannen die Werfer zu feuern.

      Lichtblitze von mehreren Gigavolt schlugen in die Jäger der Vlock ein, ohne Wirkung zu erzielen.

      Brent sah im Ortungsholo, dass die Mag-5 ihre Laser auf einen Gegner konzentrierte. Das war eine gute Idee. „Konzentriertes Feuer auf einen Gegner“, befahl er.

      Der Jäger verdampfte, aber weitere Jäger näherten sich. Die gesamte Jägerflotte schien es plötzlich auf die Mag-6 abgesehen zu haben.

      „Energieverlust. Die Schirme halten nicht!", schrie Bad Huren, der Bordingenieur.

      Brent ließ den Antrieb abschalten. Ein Vlockjäger konnte gerade noch ausweichen und raste so dicht an einer Sichtluke vorbei, dass man den Piloten sehen konnte. Alle Energie lag nun auf den Schirmen, die zischten, knisterten und pufften.

      „Mag-6 an Basis! Unsere Wandler überladen! Die Schirme halten nicht …“, schrie Brent in die Kommunikationsanlage.

      Die anderen Kreuzerkommandanten kamen zu Hilfe und steuerten ihre Schiffe in die Schussbahnen der Jäger, um die Mag-6 zu entlasten.

      *

      Charlene Armstrong sah, dass die Mag-6 am Ende war und in einer großen Explosion auseinanderflog.

      Für Entsetzten blieb keine Zeit, denn die Vlock knöpften sich als nächstes die Mag-2 vor. Zwar flog sie Ausweichmanöver, aber die Jäger hingen an ihr dran und hörten nicht auf, sie zu beschießen. Schon flackerten auch ihre Schirme, und eine Explosion sprengte Trümmerstücke aus ihrer Seite. Die Mag-1 wollte helfen und Entsatz fliegen, aber ihr Astrogator machte einen Fehler und rammte einen der angreifenden Jäger. Da die Schutzschirme nur Energie abhalten konnten und nicht Materie, traf der Jäger den Kreuzer mit voller Wucht. Beide Schiffe vergingen in grellen Feuerbällen.

      Derweil wurde die Lage auf der Mag-2 hoffnungslos. „Besatzung in die Phönix!“, hörte man die Kommandantin befehlen. Das Schiff trieb steuerungslos im All. Die anderen Kreuzer umschwärmten sie, um sie notdürftig gegen den Beschuss abzuschirmen.

      Charlene Armstrong beobachtete verzweifelt das Szenario. Es war wie beim Schachspiel: Wenn der König im Schach stand, blieben dem Verteidiger kaum Optionen. Hier stand nun die Mag-2 im Feuer, und alle anderen Kreuzer waren gebunden, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Dabei war der Einsatz doppelt hoch, denn die Mag-2 hatte ja auch noch die Crew der Mag-4 mit an Bord. Die Phönix würden sie nicht retten, denn die kleinen Beiboote würden leichte Beute für die Jäger sein.

      Endlich war die MAGELLAN im Kampfgeschehen eingetroffen und brachte Erleichterung. Ihre zehn Werfer schossen Schneisen in die Reihen der angreifenden Jäger. Der Astrogator brachte sie in die Nähe der schwer angeschlagenen Mag-2. Überraschend nahm die Mag-2 langsam Fahrt auf und näherte sich dem Hangar des Mutterschiffs. Offenbar hatten sich doch noch nicht alle Besatzungsmitglieder in die Phönix geflüchtet. Wahrscheinlich hielt die Kommandantin noch Stellung auf der Brücke, wie man es von einer guten Kommandantin erwarten konnte.

      Die Mag-2 erreichte den Hangar des Mutterschiffs. Sobald die künstliche Schwerkraft sie erfasste, krachte sie auf den Boden und schlitterte gegen eine Wand, wobei sie umherstehendes Gerät mit sich zog. Offenbar waren auch die Magnetkissen des Kreuzers beim Kampf beschädigt worden. Der Hangar schloss sich, und das Rettungsteam rückte an, um Feuer zu löschen und Verletzte zu bergen.

      Währenddessen lieferten sich die Mag-5 und das Mutterschiff ein Duell mit den Jägern. Deren Reihen wurden zwar gelichtet, aber auch die MAGELLAN fing sich schwere Treffer ein. „Einschlag in Maschinenraum 7, brauchen Rettungsteam!", brüllte jemand durch das Kommunikationssystem.

      „Noch mehr Jäger starten von der Planetenoberfläche!“, meldete der Ortungsoffizier. „Es sind hunderte! Tausende!“

      „Abbrechen!“, befahlt die Admiralin. „Geben Sie Alphaorder an die Mag-5: Rücksturz zur MAGELLAN! Packen wir unsere Sachen und dann nichts wie weg hier!“

      Die Mag-5 näherte sich mit irrer Geschwindigkeit ihrem Hangar und zog eine Reihe feindlicher Jäger hinter sich her. Statt mit diesem Tempo in den Hangar einzuschlagen und Verwüstungen anzurichten, zog sie im letzten Moment eine Schleife und präsentierte die verfolgenden Schiffe wie auf einer Perlenkette den Werfern des Mutterschiffs.

      Nicht schlecht, dachte die Admiralin, während die Jäger der Reihe nach abgeschossen wurden. Es war zwar nur ein Standardmanöver, das man auf der Flottenakademie lernte, aber nicht allen Kommandanten fielen die Basics ein, wenn es drauf ankam. Dann war es wohl doch eine gute Entscheidung gewesen, die Mag-5 Commander Karan zu geben. Viele hielten Karan für zu jung, aber Charlene Armstrong hatte geahnt, dass die junge Frau etwas draufhatte.

      Nachdem die Mag-5 unbeschädigt im Hangar gelandet war, gaben die Wandler der FERDINAND MAGELLAN die bereits angestaute Energie auf den Einstein-Rosen-Antrieb und katapultierten das Schiff in Sicherheit.

      2 Aufbruch nach Skram

      Im Weltall gibt es keinen Morgen und keinen Abend, und so waren es nur die Vibrationen ihres Armsprechgerätes, die Major Zaya Karan weckten. Leichte Kopfschmerzen plagten sie, und sie rieb sich die Schläfen, um sie zu vertreiben. Genervt fiel ihr ein, dass sie sich um 9:00 Uhr Bordzeit mit ihrer Crew zur Vollversammlung melden musste. Die Vollversammlung, zu Kriegszeiten noch Appell genannt, war keine freiwillige Veranstaltung. Alle mussten antreten, um den Weisheiten der Schiffsführung zu lauschen.

      Üblicherweise marschierten die Besatzungen der Erkundungskreuzer gemeinsam in den Versammlungsraum ein. Am Sammelpunkt warteten schon Bordingenieur Chivan Swo und Astrogatorin Gael Klein. Es verbesserte Zayas Laune nicht, dass Storm fehlte. Außerdem machte sich ein leises Magengrummeln bei ihr bemerkbar, weil sie das Frühstück verpasst hatte. Schwarzer Kaffee auf leeren Magen war eine Dummheit, die sie leider immer wieder beging. Kommunikationsoffizier Neno Chung fand sich nun ebenfalls ein, aber er wusste auch nicht, was mit Storm wieder los war. Storm kam eigentlich immer zu spät oder gar nicht, und Zaya dachte manchmal darüber nach, ob sie selbst im Umgang mit Storm etwas falsch machte oder ob Storm einfach nicht zu helfen war. Da Zaya Storm mit dem Armsprechgerät nicht erreichen konnte, gab sie das Zeichen zum Aufbruch. Ohne Storm marschierten sie in den Versammlungsraum. Es war eine Demütigung für Zaya, denn jeder konnte sehen, dass sie ihr Team nicht im Griff hatte.

      Der Versammlungsraum war ein großer Hangar, der für offizielle Anlässe benutzt wurde. Im Hintergrund standen einige hoovercraftbetriebene Landungsfahrzeuge, und durch ein Glasdach konnte man die Sterne sehen. Wie immer mussten sie eine Weile warten, bis die Schiffsführung eintraf. Schließlich ging es los: Die Sternenlichthymne schnatterte aus den Lautsprechern, und die unvollständige Crew nahm hinter Zaya Haltung an. Links neben ihnen befanden sie die Leute des Mutterschiffs und rechts standen die Crews der Mag-2 und der Mag-4. Noch weiter rechts tat sich eine große Lücke auf.

      Endlich betrat die Alte den Versammlungsraum. Admiralin Charlene Armstrong hatte schon im Krieg gedient und war mit ihren 57 Jahren nicht mehr die Jüngste. Ihre dunkelbraun melierten Haare trug sie wie immer sauber geflochten und hochgesteckt. Natürlich war sie sich ihrer Pflichten