Geri Schnell

Mutige Studenten


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Ihre Jagt muss erfolgreich sein, sonst verlieren sie sofort an Ansehen.

      Dass sich fünf Männer als Träger zur Verfügung stellten, ist etwas Aussergewöhnliches. Das Schleppen von Lasten ist eigentlich Frauensache. Nur der Umstand, dass Olivia die Träger mit Medikamenten bezahlen konnte, wertete ihre Arbeit auf. Auch wenn die Dorfbewohner für jede Krankheit ihre Kräuter kennen, hatten die Erfahrungen gezeigt, dass die Medizin der Weissen, in gewissen Fällen Vorteile bietet.

      Die Gruppe kommt gut voran. Das Telefon werden sie jedoch heute nicht mehr erreichen. Sie müssen nochmals im Wald übernachten. Früher hätte sie Angst gehabt, Olivia befürchtete, dass sie von Tieren angegriffen werden. Inzwischen weiss sie, dass es im dichten Wald sehr selten zu Begegnungen mit Tieren kommt. Ob es so wenige Tiere hat, oder ob diese den Menschen ausweichen, konnte sie nicht feststellen. Die jungen Männer müssen tagelang durch den Wald ziehen, bis sie auf ein wildes Tier treffen. Lediglich Insekten scheinen sich im dichten Wald wohlzufühlen. Für alle anderen Tiere ist der Lebensraum Dschungel nicht attraktiv. Das Überleben ist hart.

      Von der Strasse zweigt ein kaum sichtbarer Weg ab. In kurzer Zeit ist eine heftige Diskussion entbrannt. Die Männer wollen diesen Weg nehmen, da sie davon ausgehen, dass er in ein kleines Dorf führt. Olivia will eigentlich die Strasse nicht verlassen. Sie erinnert sich jedoch, dass die Strasse sehr weite ausholt, um die Steigung zur Passhöhe zu überwinden. Zu Fuss ist man auf dem direkten Weg sicher schneller.

      Der Weg ist gut begehbar. Dies deutet darauf hin, dass er regelmässig benutzt wird. Olivia kann nicht feststellen, ob die Benutzer Tiere sind, oder ob es zu einem Dorf führt.

      Nach einiger Zeit erreichen sie eine kleine Lichtung. Zwischen Baumkronen kann man die Felswand erkennen. Olivia ist beruhigt, die Richtung stimmt, es war durchaus eine Abkürzung. Die Felswand ist nicht so steil, wie es von oben ausgesehen hatte. Es besteht die Möglichkeit, über die Felswand hochzusteigen.

      Durch Zeichensprache verständigt man sich, man will versuchen, an den Fuss der Felswand zu gelangen. Dort wird es einfacher voran zu kommen. Die Vegetation ist dort weniger üppig. Doch noch fehlt rund ein Kilometer. Der ausgetretene Weg endet bei einer Lichtung, die von einem kleinen Bächlein durchquert wird. Den Weg zur Felswand versperrt dichter Dschungel.

      Da die Sonne schon relativ tief am Himmel steht, beschliessen sie hier zu lagern. An den Bäumen am Rande der Lichtung hängen sie ihre Hängematten auf. Die jungen Männer suchen Holz für ein Feuer. Vielleicht haben sie Glück und ein Tier besucht in der Abenddämmerung den Bach. Mit etwas Glück könnten sie es mit dem Blasrohr erlegen.

      Es ist nicht einfach trockenes Holz zu finden, sie müssen einige Meter in den Wald eindringen. Das Holzsammeln überlässt Olivia den Männern. Sie entspannt sich und sucht eine Stelle, von der sie die Felswand beobachten kann.

      Später gibt sie das Beobachten der Wand auf und schlendert den Waldrand entlang. Sie spürt eine gewisse Unruhe. Wie von unsichtbarer Hand geführt, zieht es sie plötzlich in den Wald hinein. Sie hat das Gefühl, dass der Wald an dieser Stelle weniger dicht ist. Sie kann ohne Probleme weiter in den Wald eindringen.

      Dann bleibt sie plötzlich überrascht stehen, unter einem sehr grossen Baum steht eine Hütte. Es ist nur ein Bretterverschlag, doch der ist eindeutig das Werk eines Weissen. Die Hütte dürfte schon jahrelang nicht mehr benutzt worden sein. Sie hat keine Tür, lediglich ein alter löchriger Vorhang schliesst den Eingang. Olivia geht zurück und holt sich den Anführer der Träger. Er soll mit ihr die Hütte untersuchen. Nur unwillig folgt ihr der Führer ihn den Wald. Als er die Hütte bemerkt, will er sofort umkehren. Olivia kann ihn überreden, mit ihr die Hütte zu inspizieren. Mit einem brennenden Holzstück, leuchtet sie in die Hütte, während der Führer ihr ängstlich und mit viel Widerwillen folgt. Zwei einfache Betten stehen an den Seitenwänden. Gleich rechts neben dem Eingang gibt es eine Feuerstelle mit einigen Töpfen. In der Mitte erspäht sie ein Tisch auf dem eine Petrollampe steht.

      Olivia ist erleichtert, die Hütte ist leer. Sie hatte schon befürchtet, eine Leiche anzutreffen. Doch dieser Anblick bleibt ihr erspart. Anscheinend hatte der oder die Bewohner die Hütte vor Jahren aufgegeben.

      Kurz überprüft sie die Stabilität der Betten. Eines hält noch und besitzt oben an der Decke eine Einrichtung zur Befestigung des Moskitonetzes. Sie beschliesst, wieder einmal eine Nacht in einem Bett zu schlafen.

      Von der Lichtung ertönt ein Geschrei. Zwei der Männer hatten Jagdglück und erlegten zwei hühnergrosse Vögel. Sie sind bereits am rupfen der Federn, sie werden später über dem Feuer gebraten.

      Olivia hat ein Bein des gebratenen Huhns abgenagt. Es schmeckt beinahe wie ein Grillhähnchen zu Hause. Kurze Zeit später zieht sie sich in die Hütte zurück. In einem Bett zu schlafen, da kommt Vorfreude auf.

      Bevor sie sich zur Ruhe legt, inspiziert sie die Hütte genauer. In einer Ecke findet sie eine Kiste. Sie ist mit einem durchgerosteten Schloss verschlossen. Sie muss sie mit Gewalt öffnen. Hat sie einen Schatz gefunden? Die Durchsuchung ist eine Enttäuschung, die Kiste enthält keinen Schatz, in ihr liegen nur zwei Schreibhefte. Die Seiten sind zusammengeklebt, es ist nicht möglich sie zu öffnen. Auf dem Umschlag kann sie die Jahreszahl 1942 entziffern.

      Die Kiste scheint schon einige Jahre verschlossen hier zu liegen. Sie Verstaut die zwei Hefte in ihrem Rucksack. Das wird eine gute Übung für die Archäologiestudentin – Leni, die muss sich oft mit alten Schriften herumschlagen. Sicher kann sie die Hefte so präparieren, dass sie deren Inhalt entziffern kann.

      Zufrieden legt sie sich im Schlafsack aufs Bett und verkriecht sich unter ihr Moskitonetz. Sie schläft herrlich, auch wenn sie einige Male erwacht und an die gefundenen Hefte denken muss. Wer lebte hier zur Zeit des Krieges? Sie wird es herausfinden, es könnte eine spannende Geschichte werden.

      Am nächsten Morgen fühlt sie sich seit langem wieder ausgeschlafen. Das Schlafen in einem Bett hat schon Vorteile. Sie fühlt sich wesentlich besser. Nun gilt es, die Felswand zu bezwingen. Hoffentlich hat sie sich bezüglich der Steilheit nicht verschätzt. Wenn sie nicht mehr weiter kommen, könnte das fatale Folgen haben. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass ihnen eine Rettungskolonne zu Hilfe eilt, sie sind auf sich allein gestellt.

      Mühsam bahnen sich die Männer einen Weg durch den dichten Dschungel, bis sie die Felswand erreichen. Nochmals sucht sie die Wand mit dem Feldstecher ab. Sie ist Steil, doch nirgends überhängend. Dazu scheint der Fels sehr griffig zu sein. Nach langem Überlegen entscheidet sie sich, noch einige hundert Meter dem Fuss der Wand zu folgen. Sie sieht, dass sich weiter vorne die Felsen verworfen haben. Diese Verwerfung ist etwa ein Meter breit. Sie bildet einen schmalen Weg, der wesentlich weniger steil ansteigt und er bietet zusätzlichen Halt. Noch weiss sie nicht, wie berggängig die Männer sind.

      Die Sorge, ob die Männer mit der Steilwand zurechtkommen, hat sich erübrigt. Wie Bergziegen erklimmen sie den steilen Pfad. Selbst das transportieren der Körbe auf ihren Köpfen scheint sie nicht zu behindern. An einigen Stellen müssen sie die Hände zu Hilfe nehmen, doch an diesen Stellen reichen sie sich die Körbe weiter. Der Aufstieg geht sehr ruhig und kontrolliert vor sich. Sie hat sogar Zeit, einige Steine aus der Wand auszubrechen, zu markieren, die Stelle zu fotografieren und den Stein in ihrem Rucksack zu verstauen. Tim wird über dieses Geschenk erfreut sein.

      Bis gegen Mittag haben sie die Hälfte der Wand erklommen. Der obere Teil scheint eher etwas flacher zu sein. Zügig kommen sie voran. Immer wieder macht Olivia Fotos von der Wand und der überwältigenden Aussicht, die sich ihnen bietet. In den Schweizer Bergen ist es nicht schöner. Sie ist begeistert und verzeiht es dem Lastwagen, dass er nicht rechtzeitig gekommen ist. Vermutlich ist er noch nicht unterwegs. Das Geräusch würde man meilenweit hören. Ausser den üblichen Geräuschen des Dschungels ist nichts zu hören. Ab und zu brüllt laut ein Affe und Frösche quaken um die Wette.

      Im Laufe des Nachmittags erreichen sie die Kante der Felswand. Die Hütte mit dem Telefon ist einige hundert Meter weite hinten. Stolz blickt Olivia die Wand hinunter. Kaum zu glauben, dass sie da hochgeklettert sind. Nun ist das Schlimmste überstanden. Auch wenn sie noch keine Ahnung hat, wie es von hier aus weiter gehen soll. Sie hat zumindest eine Möglichkeit, ihre Freundin anzurufen. Die wird erfreut sein, nachdem sie sich mittlerweile