Geri Schnell

Mutige Studenten


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sie ihre Probleme gehabt. Einfach war das Leben auch damals nicht, das müsstest du besser wissen als ich.»

      «Nur waren die Probleme ganz anders gelagert als heute, die Sorgen galten der Gemeinschaft, die Familie war alles», erklärt Olivia.

      «Die hatten Glück, sie haben einen guten Zeitpunkt erwischt, um hier zu leben. Sicher waren schon zu jener Zeit nicht alle Leute frei in unserem Sinne, sie wurden von den Häuptlingen gut kontrolliert», stellt Anna nüchtern fest.

      «Ja vielleicht, doch wer sich an die Regeln hielt, lebte angenehm, es ist halt so, dass man der Gemeinschaft dienen muss, das ist doch nicht schlimm», verteidigt sich Olivia.

      «Solange die Häuptlinge nicht zu mächtig werden, ist das in Ordnung. Doch wer kontrolliert die Leute, die zu viel Macht an sich gerissen haben, da hat der Einzelne keinen Möglichkeit mehr sich zu wehren.»

      «Danke für den Kaffee, ich bin noch nicht in Stimmung, solche Diskussionen zu führen. Ich glaube ich brauche noch etwas Ruhe, ich fahre mit dem Bike auf den Blauen, ich muss mich etwas sammeln, der Kulturschock wirkt noch zu stark.»

      «Wie du willst, es wird dir gut tun. Ich muss mich sowieso an meinen Bericht halten, dank dir weiss ich jetzt wenigstens was ich schreiben muss».

      Olivia rüstet sich für ihren Trip mit dem Mountainbike zum Blauen. Das ist der Hausberg der Basler.

      Anna zieht sich an ihren Schreibtisch zurück und schreibt an ihrer Semesterarbeit. Die Diskussion mit Olivia hat sie so richtig beflügelt. Zumindest bekommt der Professor einiges zu lesen, ob er davon begeistert ist, wagt sie zu bezweifeln. Sie ist jetzt so richtig in Fahrt gekommen. Für ihre Theorie, dass sich die Menschen mit angeblich unnötigen Dingen befassen müssen, wenn sie ihre Grundbedürfnisse befriedigt haben, findet auch in der Neuzeit viele Bespiele. Der Autobahnbau der Nazis und das Apollo-Projekt der Amerikaner sind nur die bekanntesten Beispiele.

      Im einundzwanzigsten Jahrhundert haben die Menschen in Europa zwei Probleme, erstens ist das Vertrauen in das Geld gesunken und zweitens, - vermutlich der Auslöser des Ganzen, hat sich die Autoindustrie derart in eine Überproduktion gesteigert, dass es in diese Richtung nicht mehr weiter geht. Alternativen, wie die Rüstungsindustrie, die Produktion von Luxusgütern und das Gesundheitswesen, stossen ebenfalls an ihre Grenzen. Beim Militär ist es sogar so, dass, zumindest in Europa, eine Abbauphase eingeleitet wurde, dies kostet zusätzliche Arbeitsplätze. Das alles kombiniert mit den Umweltproblemen, macht eine Lösung nicht einfacher. Die Wirtschaft braucht mittelfristig neue Ziele.

      Inzwischen ist Olivia mit dem Regionalzug drei Stationen aus der Stadt herausgefahren. Wieder mit einem Fahrrad fahren, ein anstrengendes aber schönes Erlebnis. Noch steigt die Strasse nur leicht an, da kommt sie noch gut voran, doch später auf dem Waldweg, wird es schwieriger. Schon mit dem Kies auf dem Weg hat sie grössere Probleme, als dann der Weg noch stärker ansteigt, muss sie absteigen und das Bike schieben. Sie schiebt das Bike nicht gern, früher fürchtet sie die mitleidigen Blicke der anderen Biker, doch heute ist sie allein im Wald, also kein Grund, sich zu quälen, schliesslich muss sie ihre Form zuerst wieder finden.

      Langsam gewinnt sie an Höhe. Auf einem Aussichtspunkt setzt sie sich auf die Bank und entnimmt dem Rucksack das Mittagessen. Sie lässt ihren Blick über die Wälder des Tafeljura schweifen. Könnte man in diesen Wäldern noch überleben? Gäbe es ausreichend Früchte und genug Wild zum Jagen? Sicher nicht, das beginnt schon damit, dass man nur im Herbst jagen darf, auch das Sammeln von Pilzen ist zeitlich begrenzt. Früchte tragen die Bäume ebenfalls nicht, die Buchen und Tannenwälder sind nicht zur Ernährung des Menschen geeignet.

      Nach einer Stunde packt sie ihre Sachen zusammen und macht sich vorsichtig auf die Abfahrt. Sie fühlt sich besser, als vorher, die Ruhe des Waldes hat ihr gut getan. Noch fühlt sie sich nicht zuhause angekommen. Das wird noch einige Tage dauern. Vielleicht kann sie sich nach Eintreffen ihres Gepäcks neu motivieren. Noch fühlt sie sich ausser Stande, an ihrem Bericht zu schreiben. Sie hat sich noch nicht einmal aufgerafft, ihren Computer zu starten. Sicher ist ihre Mailbox zum Bersten gefüllt, doch das lässt sie noch kalt.

      Die Kiste

      Im Briefkasten findet Olivia den Zettel, dass sie ihre Kiste abholen kann. Tim organisiert das Auto seines Vaters und sie fahren ins Zollfreilager am Hafen. Mit einigen Problemen verladen sie die Kiste hinten in den Kombi und fahren mit ihr zur Uni. Mit Hilfe eines Schubkarrens bringen sie die Kiste in die Werkstatt. Dort wird sie geöffnet.

      Tim ist von den Steinen sofort begeistert. Auf den ersten Blick erkennt er, dass es sich um Tiefengestein handelt. Das hilft ihm bei seinem CO2-Problem wenig. Inzwischen hat er sich soweit mit Geologie beschäftigen müssen, dass er weiss, dass Tiefengesteine selten sind.

      Bis jetzt wurde immer angenommen, dass die Insel aus vulkanischem Gestein besteht, es wurde jedoch nirgends ein Vulkankegel gefunden. Das Tiefengestein wird seine Geologie Kollegen sicher noch beschäftigen, so kann er ihnen etwas zurückgeben, denn für seine Arbeit mit dem CO2 einlagern, braucht er die Unterstützung von Geologen.

      Olivia ist besonders an den gefundenen Tagebüchern interessiert. Vorsichtig nimmt sie das erste Heft aus der Kiste. Sie belässt es in der Plastiktüte, in das sie es eingewickelt hatte. Sie hofft, dass sie mit Unterstützung eines Antiquars eine Möglichkeit finden, das Heft soweit zu präparieren, dass es wieder lesbar wird. Für die Sammlung zu ihrem Fachgebiet findet sie momentan noch wenig Motivation.

      Die Sammlung an Werkzeuge der Dorfbewohner, Pflanzen aus der näheren Umgebung des Dorfes und ihre Notizen, konnte sie nur wenig Interesse aufbringen, sie stellt sie in einen Schrank. Die Dinge müssen noch warten, bis sie besser motivieren ist, als dies in den letzten Wochen der Fall war. Noch immer hat Olivia Probleme, sich mit der Hektik des Studiums auseinander zu setzen.

      Tim lädt Anna und Olivia zum Nachtessen ein. Er ist von den Steinen so begeistert, dass er die Spendierhosen anzieht. Vielleicht war es auch nur ein Vorwand, weil er sich endlich intensiver mit den beiden beschäftigen möchte. Noch kann er sich nicht entscheiden, welche der beiden seine Gefühle am stärksten bewegt.

      Nach dem Essen ist er in dieser Beziehung noch nicht wesentlich weiter. Olivia ist hübsch, schön schlank und sehr nett, doch im Moment scheint sie nicht ihn bester Stimmung zu sein. Noch hat sie mit dem täglichen Leben Probleme. Anna betört ihn mit ihren schönen grünen Augen. Ihre dunkelblonden Haare passen gut zu ihr. Sie ist kleiner als Olivia und wirkt fraulicher. Zurzeit sprüht sie vor Unternehmungsgeist, da gibt es wenig Platz für einen Mann wie Tim. Bei Olivia kommt so etwas wie Beschützerinstinkt zum Tragen. Er möchte ihr helfen, damit sie aus ihrer kleinen Krise rauskommt. Doch dabei stösst er auf Granit, sie scheint überzeugt zu sein, dass er mit Anna liiert ist und will sich nicht dazwischen drängen. Eine komplizierte Angelegenheit. Soll er sich anderweitig orientieren? Bei den beiden scheint die Lage festgefahren. Auch das Nachtessen bringt ihn nicht weiter. Nach dem Essen begleitet er die beiden in ihre Studentenwohnung. Sie schauen sich gemeinsam noch einen Film an, doch Tim fühlt sich als Fremdkörper. Nach dem Film verabschiedet er sich. Der Abend wird als Fehlinvestition abgebucht. Er ist keinen Schritt weiter gekommen.

      In den folgenden Tagen stürzt sich Tim in die Arbeit. Die Felsstücke welche Olivia mitgebracht hatte, finden die Geologen interessant. Steine mit einer so hohen Dichte findet man selten. Bei seinen weiteren Untersuchungen stellen er fest, dass diese Steine einen extrem hohen Schmelzpunkt aufweisen. Mit der Anlage der Uni kommt er in den Grenzbereich. Die Proben haben einen Schmelzpunkt von über eintausend achthundert Grad Celsius. Das ist wirklich überraschend. Auch mit der Altersbestimmung des Gesteins kommt er an die Grenzen, zwei Milliarden Jahren sind sehr alt. Wenn die Messung überhaupt stimmt. Wie kann man sich so etwas erklären?

      Noch trauen sie den Messwerten nicht, die Angaben zu den Fundstellen sind verwirren und passen nicht in die gültige Theorie. Sie wiederholen die Messungen, diesmal genau nach der von Olivia angegebenen Reihenfolge, wie sie die Steine gefunden hatte. Zuerst die vom Fuss der Wand, dann in aufsteigender Reihenfolge die nächsten. Es gibt feine Unterschiede, doch alle Proben sind sehr alt und bestätigen die ersten Messungen.

      Während