Geri Schnell

Mutige Studenten


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ist, dass die Rationen knapp bemessen waren.

      Nach acht Tagen waren die Schiffbrüchigen immer noch auf See. Leutnant Sommer hatte Probleme, das sieht man an seiner schlechter lesbaren Schrift. Er braucht alle Kraft für seine Eintragungen, sie sind auch sehr knapp gehalten. Zuletzt schreibt er, dass es kurz geregnet hat und sie sehr froh darüber waren, dass die Sonne einmal nicht scheint. Mehr hat er nicht geschrieben. Das ist die letzte Eintragung in seiner Schrift. Danach geht es unleserlich weiter. Leni hat versprochen, diese Schrift noch besser lesbarer zu machen, doch das dauert.

      Olivia stellt sich die Männer im Rettungsboot vor, sie werden von Tag zu Tag schwächer. Keiner traut dem andern. Zum Glück gab es ab und zu Regen, sodass der Wasservorrat regelmässige auffüllt werden konnte.

      Auf einer Karte versucht Olivia die Position des Rettungsbootes herauszufinden. Wenn sie davon ausgeht, dass zumindest einer der Insassen die Insel Pulau Taliabu erreicht hatte, kann sie ungefähr ausrechnen, wie lange die Schiffbrüchigen um ihr Leben kämpfen mussten. Es müssen mindestens zwei Wochen gewesen sein. Zwei Wochen in einer Nussschale auf hoher See. Eine harte Angelegenheit. Zwei Wochen Überlebenskampf für jeden von ihnen. Sicher mussten sie um die Rationen kämpfen. Dazu kam die unterschiedliche Mentalität. Offiziere und Matrosen, Europäer und Japaner auf engstem Raum und in dauernder Lebensgefahr.

      Olivia stellte sich das Leben im Rettungsboot vor. Misstrauen und Missgunst, zusammen mit einem Überlebenswillen, der sie zur Zusammenarbeit zwang. Am Anfang konnten sie sich noch auf Grund der beiden Autoritäten an Bord einigen, doch je schwächer die Offiziere wurden, umso schwieriger wurde die Zusammenarbeit. Olivia ist sicher, dass nicht alle Schiffbrüchigen die Insel lebend erreichten, sonst hätte nicht die Schrift im Logbuch geändert.

      Am Morgen erhielt sie ein Mail mit der nun besser lesbaren Fortsetzung des Logbuchs. Noch hat sie Probleme, die Schrift zu entziffern. Mit jedem Satz den sie sich zusammenreimen kann, wird es besser. Es ist der Funker Jürg Eicher, welcher jetzt das Logbuch weiter führt. Datums gibt es jetzt keine mehr. Er hat die Übersicht verloren und weiss nicht mehr, an welchem Tag er schreibt.

      Olivia ist sicher, dass er die Führung des Logbuchs erst einige Tagen später weitergeführt hat. Er versucht die Ereignisse der Landung auf der Insel im Nachhinein zu erzählen.

      Nach seiner Beschreibung lagen die fünf Männer halb besinnungslos im Rettungsboot. Der eine Japaner war, als Jürg wieder einmal zu sich kam, nicht mehr im Boot. Ob er sich selber über Bord gestürzt hatte, oder ob jemand nachgeholfen hatte, hat er nicht erwähnt.

      Er erinnert sich nur noch, dass es Knut war, welcher plötzlich Land erspähte. Aus dem Nichts war der dunkle Streifen am Horizont aufgetaucht. Knut und Jürg begannen zu rudern. Die drei anderen Männer bekamen davon nichts mehr mit, sie waren bereits zu erschöpft. Gemeinsam schafften sie es, das Rettungsboot in die Nähe der Brandung zu bringen. Doch nun verloren sie die Kontrolle. Das Boot rollt und schlug auf den Wellen. Eine kontrollierte Landung war nicht möglich. Je näher man dem Ufer kam, umso höher wurden die Wellen. Dank den Steuerkünsten von Knut schafften sie es bis ans Ufer. Knut und Jürg sprangen aus dem Boot und versuchten es an Land zu ziehen, doch ihre Kräfte schwanden. Als das Boot auf Grund lief, befestigten sie eine Leine an einem Baum, dann brachen sie erschöpft unter einem Baum zusammen.

      Als sie, vermutlich Stunden später, wieder zu sich kamen, war das Rettungsboot verschwunden. Sie konnten nur ihr Leben retten. Für eine Suchaktion fehlte ihnen die Kraft. Sie brauchten jetzt dringend etwas zu essen und zu trinken. Als Erstes fanden sie einige Beeren, später Kokosnüsse. Als die Kräfte langsam zurückkamen, suchten sie am Strand nach Krebsen und brieten sie über einem Feuer.

      Langsam kamen die Kräfte zurück. Die Insel war menschenleer. Noch wagten sie sich nicht, weit in den Wald. Sie folgten dem Strand in der Hoffnung, dass ein Bach aus den Bergen ins Meer mündet. Jürg war überzeugt, dass bei so hohen Bergen ein Bach ins Meer fliessen muss. Nach einigen Tagen fanden sie tatsächlich die Mündung eines Flüsschens. Sie liessen sich am Fluss nieder, und bauten sich eine Hütte.

      Inzwischen waren bereits mehrere Tage vergangen. Die Beschaffung von Nahrung wurde einfacher. Man lernte schnell. Die beiden Männer kamen langsam wieder zu Kräften. Als sie sich gut eingerichtet hatten, brachen sie auf und gingen den Weg zurück. Sie suchten nach dem Booten.

      Nach drei Tagen fanden sie die Reste des zerschellten Rettungsboots. Am Strand lagen einige Werkzeuge. Unter anderem fand Jürg das Logbuch und nahm es mit. Männer oder Leichen haben sie keine gefunden, sie fanden auch keine Spuren im Sand. Auch sonst gab es keine Anzeichen, dass sonst jemand überlebt hat.

      Mit einigen Werkzeugen und dem Logbuch kehrten sie zu ihrer Hütte zurück. Jetzt begannen sie, sich auf einen längeren Aufenthalt einzurichten. Anscheinend führte Jürg Eicher das Logbuch weiter.

      Falsche Angaben

      Nach einer Woche hat Tim seine Resultate fein säuberlich aufgelistet. Jetzt geht es um die Analyse. Kaum hat er mit der Auswertung begonnen, stutzt er. Olivia muss die Messwerte vertauscht haben, anders kann er sich die Resultate nicht erklären. Die oberen Schichten waren eindeutig die älteren Gesteinsarten, als die, vom unteren Teil der Wand. Das konnte nicht sein, er muss mit Olivia reden. Sicher hat sie etwas durcheinander gebracht. Ist unter den Umständen wie sie die Proben einsammeln musste, nur zu verständlich.

      Er klemmt sich die Liste und die wichtigsten Dokumente unter den Arm und verlässt das Labor. Er will Olivia besuchen und sie nochmals fragen, wie sie die Steine eingesammelt hat. Sicher wird ihr dann einfallen, wie die Verwechslung geschehen konnte. Ist ja nicht weiter schlimm, die falschen Angaben lassen sich einfach in die richtige Reihenfolge umsortieren.

      Olivia war zuhause. Als Tim klingelte, legte sie das Tagebuch beiseite und öffnete die Türe.

      «Hallo Tim», begrüsst sie ihn, «ich bin überrascht dich zu sehen.»

      «Ich muss dich sprechen, kann ich reinkommen?»

      «Natürlich, Anna ist aber nicht da.»

      «Das macht nichts, ich will ja mit dir reden.»

      Olivia gibt die Türe frei und bittet Tim einzutreten. Ein mulmiges Gefühl beschleicht sie, hat er sich entschieden, welche der zwei Freundin seine Herzdame ist? Olivia ist verunsichert. Wie soll sie reagieren. Sie beschliesst ein Ablenkungsmanöver: «Kaffee?»

      «Ja gerne, bitte nicht zu stark», entgegnet Tim und macht es sich auf dem Sessel so gemütlich wie es eben geht. Der Sessel ist eine Fehlkonstruktion, das hatte er schon früher bemerkt, nach einer halben Stunde schmerzt einem der Rücken.

      «Da ist der Kaffee», Olivia stellt die beiden Tassen auf den Tisch, «was gibt es so dringendes?»

      «Nun, es ist mir nicht recht», beginnt Tim vorsichtig, «doch ich muss es genau wissen, es ist für mich sehr wichtig!»

      Ah, - sie soll ihm sagen ob Anna in ihn verliebt ist, denkt Olivia, da wird sie ihm keine Antwort geben können, sie weiss es nämlich selber nicht und Anna vermutlich auch nicht.

      «Es geht um die Gesteinsproben, die du freundlicherweise für mich eingesammelt hast», beginnt er vorsichtig.

      Was haben denn die Gesteinsproben mit Anna zu tun, denkt Olivia, da soll einer die Männer verstehen.

      «Was ist mit ihnen?», fragt sie.

      «Nun, bist du sicher, dass du Sie in der richtigen Reihenfolge eingesammelt hast? Könnte es sein, dass du die Reihenfolge vertauscht hast?»

      «Was meinst du mit vertauscht?»

      «Die Reihenfolge, es ist unmöglich, dass du die Steine an diesen Stellen gefunden hast.»

      «Und wieso, glaubst du das? Ich war nicht besoffen, nein, die Steine habe ich so gefunden – Pasta!»

      «Du musst dich nicht aufregen, jeder macht mal einen Fehler, kann doch passieren.»

      «Ist es aber nicht, ich war bei vollem Verstand und zudem weiss ich genau, welche Steine ich die Felswand