Alexandre Dumas

Die Fünfundvierzig


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schwellte.

      »So lieben mich also die, für die ich so viel getan habe!« rief der König, »ah! Joyeuse, undankbarer Joyeuse!« – »Nun, willst du ihn nicht etwa zurückrufen?« sagte Chicot, zum Bett vorschreitend. »Wie! weil du zufällig ein wenig Willen gehabt hast, bereust du es?«

      »Höre doch,« erwiderte der König, »du bist herrlich; glaubst du, es sei angenehm, im Monat Oktober Regen und Wind auf der See zu genießen? Ich möchte dich dabei sehen, Selbstsüchtiger.« – »Es steht dir frei, großer König, es steht dir frei.«

      »Dich zu Wasser und zu Land zu sehen?« – »Zu Wasser und zu Land, es ist in diesem Augenblick mein lebhaftestes Verlangen, zu reisen.«

      »Wenn ich dich also irgendwohin schicken wollte, wie ich Joyeuse abgeschickt habe, so würdest du es annehmen?« – »Ich würde es nicht nur annehmen, sondern ich bitte, ich bewerbe mich darum.«

      »Eine Sendung?« – »Eine Sendung.«

      »Du gingest nach Navarra?« – »Ich ginge zum Teufel, großer König.«

      »Spottest du, Narr?« – »Sire, ich war schon zu meinen Lebzeiten nicht sehr heiter und bin noch viel trauriger seit meinem Tode.« – »Aber du weigertest dich soeben, Paris zu verlassen.« – »Mein huldreicher Fürst, ich hatte unrecht, großes Unrecht, und ich bereue es.«.

      »Und du wünschest Paris nun zu verlassen?« – »Sogleich, erhabener König, auf der Stelle, großer Monarch.«

      »Das begreife ich nicht.« – »Du hast also die Worte des Großadmirals von Frankreich nicht gehört?«

      »Welche?« – »Die, in denen er dir seinen Bruch mit der Geliebten des Herrn von Mayenne mitteilte?«

      »Ja, und?« – »Wenn diese Frau, verliebt in einen reizenden Burschen wie der Herzog, ihn seufzend verabschiedet, so hat sie einen Beweggrund.«

      »Ohne Zweifel, sonst würde sie ihn nicht verabschieden.« – »Kennst du nun diesen Beweggrund? Nicht? Nun, weil Herr von Mayenne zurückkommen wird.«

      »Oh! oh!« machte der König. –»Du begreifst endlich, ich wünsche dir Glück.« – »Ja, ich begreife und fange an zu glauben, daß Mayenne zurückkehren wird; aber du, du, Chicot, du bist keine furchtsame oder verliebte Frau?« – »Ich, Heinrich, bin ein kluger Mann, ein Mann, der eine offene Rechnung, eine eingegangene Partie mit Herrn von Mayenne hat; findet er mich, so wird er wieder anfangen wollen; er ist ein Spieler, der einen zum Schauern bringt, dieser gute Herr von Mayenne.«

      »Nun?« – »Nun, er wird so gut spielen, daß ich einige Messerstiche bekomme.«

      »Bah! ich kenne meinen Chicot, er empfängt nicht, ohne zurückzugeben.« – »Ich werde ihm zehn zurückgeben, an denen er krepiert.«

      »Desto besser, dann ist die Partie zu Ende.« – »Desto schlimmer, alle Wetter! im Gegenteil, desto schlimmer, die Familie wird ein furchtbares Geschrei erheben, du wirst die ganze Lige auf dem Halse haben, und an einem schönen Morgen wirst du mir sagen: ,Chicot, mein Freund, entschuldige mich, aber ich bin genötigt, dich rädern zu lassen'.«

      »Ich werde dies sagen?« – »Du wirst dies sagen und sogar tun, was noch schlimmer ist, großer König, Es ist mir also lieber, wenn die Sache eine andere Wendung nimmt, verstehst du? Ich befinde mich so ganz gut und möchte noch eine Weile so bleiben. Ich werde also nach Navarra gehen, wenn du mich dahin schicken willst,«

      »Gewiß will ich es.« – »Ich erwarte deine Befehle, huldreicher Fürst.«

      Hierbei nahm Chicot dieselbe Stellung ein, die Joyeuse angenommen hatte, und wartete.

      »Aber« du weißt nicht, ob die Sendung dir zusagen wird.« – »Sobald ich dich darum bitte...«

      »Siehst du, Chicot, ich habe gewisse Pläne wegen einer Entzweiung zwischen Margot und ihrem Gemahl.« – »Trennen, um zu herrschen, das war schon vor hundert Jahren das Abc der Politik.«

      »Es widerstrebt dir also nicht?« – »Geht das mich etwas an?« erwiderte Chicot; »du wirst tun, was dir beliebt, großer Fürst. Ich bin nur Botschafter; du hast mir keine Rechenschaft abzulegen, und vorausgesetzt, daß ich unverletzlich bin... Ah! darauf halte ich allerdings.«

      »Aber du mußt auch wissen, was du meinem Schwager zu sagen hast.« – »Ich etwas sagen! nein, nein, nein! Wer das Wort führt, hat immer eine Verantwortlichkeit; wer ein Schreiben überreicht, wird stets erst von zweiter Hand angepackt.«

      »Gut, es sei, ich werde dir einen Brief geben; aber du sollst doch wenigstens meine Absichten inbetreff Margots und ihres Gemahls wissen,« rief Heinrich. »Tu bist ein Gaskogner, mein Brief wird Lärm am Hof von Navarra machen. Man wird dich befragen, du mußt antworten können. Zum Teufel! Du vertrittst mich. Du sollst nicht aussehen wie ein Dummkopf.« – »Mein Gott!« erwiderte Chicot, die Achseln zuckend, »wie stumpf ist dein Geist, großer König. Wie, du Meinst, ich werde einen Brief in eine Entfernung von zweihundertfünfzig Meilen tragen, ohne zu wissen, was darin steht! Alle Wetter! Sei unbesorgt, an der nächsten Straßenecke, unter dem nächsten Baume, wo ich anhalte, öffne ich deinen Brief. Wie, du schickst seit zehn Jahren Botschafter nach allen Enden der Welt und weißt das nicht besser! Auf, lege deinen Körper und deinen Geist zur Ruhe, ich kehre in meine Einsamkeit zurück.«

      »Wo ist sie, deine Einsamkeit?« – »Auf dem Friedhof des Innocens, großer Fürst.«

      Heinrich schaute Chicot mit jenem Erstaunen an, das er seit den zwei Stunden, die er ihn wiedergesehen, noch nicht ganz aus seinem Blicke hatte verbannen können.

      »Nicht wahr, das hast du nicht alles erwartet?« fragte Chicot, indem er seinen Hut und seinen Mantel nahm. »So ist es aber, wenn man in Verbindung mit Leuten aus der andern Welt steht. Es ist abgemacht, morgen, ich oder mein Bote.«

      »Es sei, doch dein Bote muß auch ein Losungswort haben, damit man weiß, daß er von dir kommt und damit man ihm die Türen öffnet.« – »Vortrefflich! Bin ich es, so komme ich von mir; ist es mein Bote, so kommt er vom Schatten.«

      Nach diesen Worten verschwand er so leicht, daß der abergläubische Geist Heinrichs im Zweifel war, ob ein Körper oder ein Schatten durch die Tür gegangen sei, ohne daß man sie hörte, und unter dem Vorhang durch, ohne ihn sich bewegen zu sehen.

      Was Chicots Verschwinden und vermeintlichen Tod betrifft, so sei zum Verständnis des Lesers berichtet, daß Chicot es in der Tat aus dem angegebenen Beweggrunde für besser gehalten hatte, sich eine Zeitlang völlig den Blicken der Welt, d.h. des Herzogs von Mayenne, zu entziehen. Er flüchtete sich in das Kloster seines Freundes Gorenflot, dem er einen Brief an den König mit der Mitteilung von seinem, Chicots, Tode in die schwere Hand diktierte.

      In Antwort auf diesen Brief Gorenflots schrieb der König eigenhändig:

      »Mein Herr Prior, Ihr werdet unserem armen Chicot ein frommes und poetisches Begräbnis geben; ich beklage ihn von ganzer Seele, denn er war nicht nur ein treu ergebener Freund, sondern auch ein ziemlich guter Edelmann. Ihr werdet ihn mit Blumen umgeben und es so einrichten, daß er in der Sonne ruht, die er als Sohn des Südens sehr liebte. Was Euch betrifft, dessen Traurigkeit ich in gleichem Maße ehre und teile, so werdet Ihr nach dem Wunsche, den Ihr gegen mich aussprecht, die Priorei Beaune verlassen. Ich bedarf in Paris zu sehr ergebener Männer und guter Geistlicher, um Euch entfernt zu halten. Demzufolge ernenne ich Euch zum Prior der Jakobiner, wonach Ihr vor der Porte Saint-Antoine wohnen werdet, eine Gegend, der unser armer Freund ganz besonders zugetan war.

      Euer wohlgewogener Heinrich, der Euch bittet, ihn in Euren Gebeten nicht zu vergessen.«

      Man kann sich denken, wie der Prior bei diesem ganz eigenhändig vom König geschriebenen Briefe große Augen machte, die Größe von Chicots Genie bewunderte und sich beeilte, der ehrenvollen Stellung, die ihn erwartete, entgegenzueilen. Denn der Ehrgeiz hatte, wie man sich erinnert, schon früher ein Reis in Gorenflots Herzen getrieben.

      Alles ging nach den Wünschen des Königs und Chicots. Ein Bündel Dornen, physisch und allegorisch den Leichnam darstellend, wurde