durch die Süße des herrschaftlichen Lebens, bereits verwöhnt war, zu schwer fallen würde.
So lebte sie bis zum sechzehnten Jahr. Als sie aber sechzehn Jahr alt geworden war, kam zu den alten Fräulein ihr Neffe, ein reicher Fürst, der Student war, auf Besuch. Und Katjuscha verliebte sich in ihn, ohne es zu wagen, sich selbst, geschweige denn ihm dieses Geständnis zu machen.
Zwei Jahre später besuchte derselbe Neffe seine Tanten auf der Durchreise zum Kriegsschauplatz und blieb vier Tage bei ihnen. Er verführte und betrog Katjuscha, steckte ihr dann am letzten Tage einen Hundertrubelschein zu und reiste weiter. Fünf Monate nach seiner Abfahrt wußte sie genau, daß sie in anderen Umständen sei.
Von der Zeit an ward ihr alles gleichgültig, und sie dachte nur daran, wie sie der Schande, die ihr bevorstand, entgehen könnte. Sie bediente die Fräulein widerwillig und schlecht, und einmal — sie wußte selbst nicht, wie es gekommen war — platzte sie los, sagte den alten Fräulein Unverschämtheiten, die sie selbst später bereute, und bat um ihre Entlassung.
Und die Fräulein, die sehr unzufrieden mit ihr geworden, entließen sie. Von ihnen kam sie als Stubenmädchen zu einem Landpolizeimeister, aber konnte dort nur drei Monate bleiben, da der Polizeimeister, ein Mann von bereits 5O Jahren, ihr nachzustellen begann. Einmal, als er besonders unternehmungslustig war, brauste sie auf, nannte ihn einen Narren und alten Teufel und stieß ihn so vor die Brust, daß er hinfiel. Sie wurde wegen Grobheit entlassen. Eine neue Stellung anzunehmen hatte keinen Zweck, da sie bald niederkommen mußte, und so mietete sie sich bei einer Dorfhebamme ein, die nebenbei einen Branntweinhandel betrieb. Die Geburt war eine leichte. Aber die Hebamme, die vorher im Dorf bei einer kranken Wöchnerin gewesen war, infizierte sie mit dem Kindbettfieber. So wurde das Kind in das Findelhaus gebracht, wo der Knabe, wie die Alte, die ihn hingebracht hatte, erzählte, sofort nach seiner Ankunft verstarb.
Geld hatte Katjuscha, als sie sich bei der Hebamme einmietete, im ganzen hundert und sieben und zwanzig Rubel: sieben und zwanzig Lohn und hundert Rubel, die ihr damals ihr Verführer gegeben hatte. Als sie aber die Hebamme verließ, behielt sie nur sechs Rubel. Sie verstand das Geld nicht zu sparen, verausgabte selbst viel und lieh jedem, der sie darum bat. Die Hebamme nahm von ihr für Kost und Logis für zwei Monate vierzig Rubel, fünf und zwanzig Rubel kostete die Expedierung des Kindes ins Findelhaus, vierzig Rubel bat sich die Hebamme leihweise zur Anschaffung einer Kuh aus, gegen zwanzig Rubel gingen so, für Kleider, für Geschenke u. s. w. darauf. Auf diese Weise also hatte Katjuscha, als sie gesund wurde, kein Geld mehr und mußte sich nach einer Stellung umsehen. Sie fand dieselbe bei einem Förster. Der Förster war ein verheirateter Mann, aber auch er begann ihr, ebenso wie der Polizeimeister, vom ersten Tage an nachzustellen. Er war ihr widerwärtig und sie ging ihm aus dem Wege. Aber er war erfahrener und schlauer, als sie, und vor allem ihr Herr, der sie schicken konnte, wohin er wollte. So bemächtigte er sich denn ihrer in einem günstigen Augenblick. Die Frau erfuhr es, und als sie einmal ihren Mann mit dem Mädchen allein im Zimmer traf, stürzte sie auf Katjuscha los und wollte sie schlagen. Aber Katjuscha ergab sich nicht und so entstand eine Prügelei. Infolge dessen jagte man Katjuscha aus dem Hause, ohne ihr auch nur den Lohn auszuzahlen.
Da fuhr Katjuscha in die Stadt und stieg dort bei ihrer Tante ab. Der Mann der Tante war Buchbinder und lebte früher gut. Um die Zeit aber hatte er bereits alle seine Kunden verloren, ergab sich dem Trunke und vertrank alles, was ihm nur in die Hände kam.
Die Tante hielt eine kleine Waschanstalt und ernährte damit sich, ihre Kinder und den verlorenen Mann. Sie bot Katjuscha an, bei ihr als Wäscherin einzutreten. Aber da die Maslowa das schwere Leben, das die bei der Tante wohnenden Frauen, die Wäscherinnen, hatten, sah, so zögerte sie und suchte unterdes in den Bureaux nach einer Stellung als Dienstmädchen. Und so eine Stelle fand sich bei einer Dame, die mit ihren zwei Söhnen, Gymnasiasten, lebte. Eine Woche nach ihrem Eintritt hörte der ältere, ein schnurrbärtiger Tertianer, zu lernen auf und ließ ihr keine Ruhe. Die Mutter gab an allem der Maslowa Schuld und kündigte ihr. Eine neue Stelle fand sich nicht, aber es traf sich, daß die Maslowa in einem Stellenvermittelungsbureau einer Dame mit beringten Fingern und vielen Spangen an den vollen, nackten Armen begegnete. Diese Dame gab der Maslowa, als sie von ihrer Stellenlosigkeit hörte, ihre Adresse und lud sie zu sich ein. Die Maslowa ging hin. Die Dame empfing sie freundlich, bewirtete sie mit Pastetchen und süßem Wein, und schickte unterdes ihr Mädchen irgendwohin mit einem Briefchen. Abends trat in das Zimmer ein hochgewachsener Herr mit langem ergrauenden Haar und grauem Barte. Der alte Herr setzte sich sofort zu der Maslowa heran, begann sie mit glänzenden Augen zu betrachten und mit ihr zu scherzen. Die Hausfrau rief ihn ins Nebenzimmer, und die Maslowa hörte, wie sie ihm sagte: ein frisches Ding, vom Lande. Dann rief die Frau die Maslowa heraus und sagte ihr, daß der Herr ein Schriftsteller sei, der sehr viel Geld habe und der, wenn sie ihm gefiele, nicht knauserig sein würde. Sie gefiel ihm und der Schriftsteller gab ihr fünf und zwanzig Rubel und versprach, sie häufiger wiederzusehen. Das Geld verausgabte sich schnell zur Bezahlung der Schuld an die Tante, für ein neues Kleid, einen Hut, für Bänder. Nach einigen Tagen schickte der Schriftsteller wieder nach ihr und sie ging. Er gab ihr noch fünf und zwanzig Rubel und schlug ihr vor, in eine aparte Wohnung überzusiedeln.
Während die Maslowa in der vom Schriftsteller gemieteten Wohnung lebte, verliebte sie sich in einen lustigen Kommis, der auf demselben Hof logierte. Sie sagte das selbst dem Schriftsteller und zog in eine kleinere Wohnung hinüber. Der Kommis aber, der ihr versprochen hatte, sie zu heiraten, reiste, ohne ihr was zu sagen und mit der offenbaren Absicht, sie zu verlassen, nach Nishnij ab, und die Maslowa blieb allein. Sie wollte anfangs die Wohnung behalten, aber das wurde ihr nicht gestattet. Der Revieraufseher sagte ihr, daß sie nur dann so wohnen könnte, wenn sie eine gelbe Karte nehmen und sich der Kontrolle unterwerfen würde. Da ging sie wieder zur Tante.
Als die Tante sie jetzt in moderner Toilette, mit Mantelet und Hut wiedersah, empfing sie sie mit Respekt und wagte ihr nicht mehr eine Wäscherinnenstelle anzubieten, denn ihrer Meinung nach stand ihre Nichte jetzt auf einer höheren Lebensstufe. Auch für die Maslowa existierte die Frage, ob sie Wäscherin werden sollte, nicht mehr. Sie blickte voll Mitleid auf das Galeeren leben, das in den Vorderzimmern die bleichen, abgemagerten Wäscherinnen, von denen einige bereits schwindsüchtig waren, führten. Bei im Sommer und Winter geöffneten Fenstern wuschen und plätteten sie im Seifendampf, in einer Temperatur von dreißig Grad. Die Maslowa schauderte bei dem Gedanken, daß auch sie zu diesem elenden Sklavenleben hätte herabsinken können. Eben in dieser, für die Maslowa besonders trüben Zeit, wo sie keinen Beschützer finden konnte, wurde sie von einer Agentin aufgesucht, die für die öffentlichen Häuser junge Mädchen lieferte.
Die Maslowa rauchte schon seit langem, aber in der letzten Zeit ihres Verhältnisses mit dem Kommis, und besonders seitdem er sie verlassen hatte, gewöhnte sie sich immer mehr an das Trinken. Der Wein zog sie nicht nur darum an, weil er ihr schmeckte, sondern noch viel mehr, weil er sie all das Schwere, was sie durchlebt hatte, vergessen machte; er verlieh ihr jene Ungezwungenheit des Auftretens, jene selbstbewußte Sicherheit, die ihr sonst mangelten. Ohne Wein schämte sie sich ihrer selbst und war traurig.
Die Agentin bewirtete zuerst die Tante und machte die Maslowa betrunken. Dann proponierte sie der letzteren, in eine gute Anstalt, die erste der Stadt, einzutreten, indem sie ihr alle Vorzüge einer solchen Lage erklärte. Sie stand jetzt vor der Wahl: entweder die erniedrigende Stellung einer Dienstmagd, die sie sicher den Nachstellungen der Männer aussetzte und zu periodischem, heimlichen Ehebruch verführte, oder eine sorgenlose, ruhige, durch das Gesetz beschirmte Lage und offener, chronischer, vom Gesetze geduldeter, gut bezahlter Ehebruch. Sie wählte das letztere. Da durch glaubte sie sich auch an ihrem Verführer, am Kommis und an allen Menschen, die ihr Böses gethan, zu rächen. Außerdem verführte sie und war für ihren endgültigen Entschluß der Umstand ausschlaggebend, daß, wie die Agentin ihr sagte, sie sich Kleider, soviel und welche sie wollte, bestellen konnte: samtene, seidene, Ballkleider mit bloßem Halse und Armen. Und als sich die Maslowa sich im grellen gelben Seidenkleide mit schwarzem samtenen Besatz vorstellte, decolletiert, da konnte sie der Versuchung nicht mehr wider stehen. Am selben Tage nahm die Agentin eine Droschke und brachte das Mädchen in die berühmte Anstalt der Kitajewa.
Von der Zeit an begann für die Maslowa jenes, in der chronischen Übertretung menschlicher und göttlicher