Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen


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– – Oh! sie wird nur desto geschmeidiger sein, mir blindlings gehorchen – – und über meinen Mann gibt mir diese Entdeckung auch neue Vorteile. – Wenn ich meine Absichten erreiche, so ist mir das übrige alles gleichgültig! – Laut. Kommen Sie, Nichte, erholen Sie sich! Sie sind ein gutes, braves Kind! Alles vergebe ich! Kommen Sie, werfen Sie Ihren Schleier über, wir wollen ausfahren, Sie müssen sich zerstreuen.

      NICHTE indem sie aufsteht und der Marquise um den Hals fällt. Beste, liebste Tante, wie beschämen Sie mich!

      MARQUISE. Sie sollen eine Freundin, eine Vertraute an mir finden. Nur der Marquis darf nicht wissen, daß ich es bin; wir wollen ihm die Verlegenheit ersparen.

      NICHTE. Welche Großmut!

      MARQUISE. Sie werden ihn auf eine geschickte Weise vermeiden; ich werde Ihnen behülflich sein.

      NICHTE. Ich bin ganz in Ihren Händen!

      MARQUISE. Und was die Geister betrifft, will ich Ihnen die wunderbarsten Geheimnisse entdecken; und Sie sollen diese fürchterliche Gesellschaft lustig genug finden. Kommen Sie! Kommen Sie nur!

      Dritter Aufzug

      Erster Auftritt

      Zimmer des Domherrn.

      Im Grunde ein Kamin, auf dessen beiden Seiten zwei Bilder in Lebensgröße, eines ältlichen Herrn und einer jungen Dame.

      DER DOMHERR Papiere in der Hand haltend. Soll ich denn wieder einmal, angebetete Fürstin, vor dein schönes Bild mit hoffnungsvoller Freude treten! Soll die Sehnsucht, die zu dir hinaufblickt, endlich einigen Trost von deinen Lippen erwarten dürfen! – Noch schweb ich in Ungewißheit. Diese köstlichen Züge seh ich vor mir – Auf die Papiere deutend. ich erkenne deine Hand, ich fühle deine Gesinnungen; aber noch ist es nur allgemeine Höflichkeit, noch steht keine Silbe von dem, was ich so heftig wünsche, auf diesen Blättern. – Tor! und was verlangst du? – Ist es nicht schon genug, daß sie schreibt? Dir so viel schreibt. Und wäre nicht ihr bloßer Namenszug schon ein Zeuge ihrer glücklich veränderten Gesinnungen? – Veränderten? – Nein, sie hat sich nie verändert. Sie schwieg, als man mich verstieß; sie verstellte sich, um mir zu nutzen. Und nun belohnt sie mich mit zehnfachem Vertrauen und wird bald Gelegenheit finden, mich wieder heraufzuführen. – Sie wünscht das kostbare Halsband, sie gibt mir den Auftrag, ohne Vorbewußt ihres Vaters ihr dieses Kleinod zu verschaffen, sie sendet mir ihre Garantie, sie wird wegen der Zahlungen immer in Verbindung mit mir bleiben; gerne lege ich den ersten Termin aus, um sie noch fester an mich zu knüpfen. – Ja, du wirst – du wirst – darf ich es in der Gegenwart deines Bildes aussprechen? – du wirst mein sein! – Welch ein Wort! – Welch ein Gedanke! – Schon füllt die Glückseligkeit wieder ganz mein Herz aus. Ja! dieses Bild scheint wieder sich zu bewegen, mir zu lächeln, mir freundlich zuzuwinken. – Schon hebt sich der Ernst von des Fürsten Stirne hinweg. Huldreich sieht er mich an, wie in jenen Tagen, als er mir diese kostbaren Gemälde unvermutet schenkte. Und sie! – Komm herab, Göttin, herab! – Oder hebe mich zu dir hinauf, wenn ich nicht vor deinen Augen sterben soll!

      Zweiter Auftritt

      Der Domherr. Ein Bedienter, hernach die Hofjuweliere.

      BEDIENTER. Euer Gnaden haben die Hofjuweliere befohlen; sie sind vor der Türe.

      DOMHERR. Laß sie hereinkommen! Zu den Juwelieren. Nun, wie sind Sie mit dem Entwurfe des Kontrakts zufrieden, den ich Ihnen zugeschickt habe?

      JUWELIER. Wegen der Summe hätten wir noch einige Erinnerungen zu machen.

      DOMHERR. Ich dächte doch, der Schmuck wäre gut bezahlt. Sie finden nicht leicht einen Käufer. Liegt Ihnen das Halsband nicht schon ein Jahr müßig?

      JUWELIER. Leider! – Und dann – Verzeihen Sie, gnädiger Herr –

      DOMHERR. Was ist's noch?

      JUWELIER. Wenn wir auch mit der gebotenen Summe uns begnügen und sie in den festgesetzten Terminen annehmen wollten, so werden Sie doch nicht ungnädig nehmen, wenn wir auf Ihre bloße handschriftliche Versicherung ein so kostbares Stück abzuliefern Bedenken tragen. Es ist gewiß nicht Mißtrauen; nur unsre Sicherheit in einem so wichtigen Geschäfte –

      DOMHERR. Ich verdenke Ihnen nicht, daß Sie mir eine so große Summe nicht geradezu anvertrauen wollen. Ich habe Ihnen aber schon gesagt, daß ich das Halsband nicht für mich, sondern für eine Dame kaufe, die allerdings so viel Kredit bei Ihnen haben sollte.

      JUWELIER. Wir trauen völlig Ihren Worten und wünschten nur eine Zeile von der Hand unsrer gnädigsten Käuferin.

      DOMHERR. Ich sagte Ihnen schon, daß es nicht angeht, und empfehle Ihnen nochmals das Geheimnis. Genug, ich werde Ihr Schuldner. Damit Sie aber nicht glauben, als handelte ich übereilt und hätte nicht gewußt, mich und Sie zu decken: so lesen Sie hier. Er gibt ihnen ein Papier und spricht für sich, indem sie es lesen. Zwar hat die Marquise ausdrücklich verlangt, ich soll das Blatt niemanden zeigen, soll es nur zu meiner eigenen Sicherheit verwahren. – Wenn nun aber diese Leute auch an ihre Sicherheit denken, wenn sie nun auch wissen wollen, wer mir und ihnen für eine so große Summe steht – Laut. Was sagen Sie nun, meine Herren?

      JUWELIER indem er das Blatt zurückgibt. Wir bitten um Vergebung, wir zweifeln keinen Augenblick. – Auch ohne dies würden wir das Halsband ausgeliefert haben. Hier ist es. Wäre es gefällig, den Kontrakt zu unterschreiben?

      DOMHERR. Sehr gern. Er unterschreibt und wechselt das Papier gegen das Schmuckkästchen aus. Leben Sie wohl, meine Herren! Die Termine sollen richtig abgetragen werden, und künftig haben wir mehr miteinander zu tun.

      Die Juweliere, gehen mit tiefen Verbeugungen ab.

      Dritter Auftritt

      Domherr, nachher ein Bedienter, dann Jäck.

      DOMHERR indem er das Halsband betrachtet. Kostbar, sehr kostbar! – und wert des schlanken weißen Halses, der dich tragen soll, wert des himmlischen Busens, den du berühren wirst. Eile zu ihr, glänzender Schmuck, damit sie einen Augenblick lächle und gefällig an den Mann denke, der viel wagt, um ihr diese Freude zu verschaffen. Geh, sei ihr ein Zeuge, daß ich alles für sie zu tun bereit bin. Den Schmuck ansehend. Wäre ich ein König, du solltest sie als ein Geschenk überraschen und bald durch kostbarere Geschenke wieder verdunkelt werden. – Ach, wie betrübt's mich, wie demütigt's mich, daß ich jetzt nur den Mäkler machen kann!

      BEDIENTER ein Billett bringend. Ein Bote von der Marquise!

      DOMHERR. Er soll warten.

      Bedienter ab.

      DOMHERR liest. »Wenn der Schmuck in Ihren Händen ist, so geben Sie ihn gleich dem Überbringer. Ich habe die schönste Gelegenheit, ihn hinauszuschicken; eine Kammerfrau ist in der Stadt; ich schicke verschiedene Putzwaren an die Göttliche und packe die Juwelen bei. Der Lohn für diesen kleinen Dienst erwartet Sie schon heute nacht. In einer Viertelstunde bin ich bei Ihnen. Was steht uns nicht heute bevor! Das Angesicht des Großkophta und das Angesicht eines Engels. Leben Sie wohl, liebster Auserwählter. Verbrennen Sie dies Blatt.«

      Traue ich meinen Augen? Noch heute nacht? Geschwinde! geschwinde! Sei der Vorläufer des Glücklichsten unter allen Sterblichen. Er schreibt wenige Worte und siegelt das Schmuckkästchen ein. Warum muß auch heute sich alles zusammendrängen? Soll ein einziger Abend mich für soviel Langeweile, soviel Ungeduld und Schmerzen entschädigen? Erscheine, sehnlich erwarteter Zeitpunkt meines Glücks! Führet mich, ihr Geister, ins Heiligtum der geheimen Kenntnisse; führe mich, o Liebe, in dein Heiligtum! Er klingelt.

      Bedienter tritt ein.

      DOMHERR. Wer ist von der Marquise da?

      BEDIENTER. Ihr Jäck.

      DOMHERR. Laß ihn hereinkommen!

      Bedienter ab.

      DOMHERR. Ich habe keine Ruhe, bis ich das Kleinod in ihren Händen weiß.

      JÄCK tritt auf. Was befehlen Ihro Gnaden?