Mike Wogengletter

Im Gebet sein


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jüdischen Woche ist der Sabbat vorgesehen und alle sieben Jahrsiebte ein Sabbat- oder Jobeljahr, in dem alles ruht. Von welch tiefer Weisheit ist diese Forderung getragen? Die Natur muss sich von unseren Eingriffen erholen können. Statt zu roden, sollten wir aufforsten. Statt zu verbrennen, sollten wir pausieren. Dennoch ist unser Alltag nicht von der Stille des Sabbats geprägt. Wie volltrunken berauschen wir uns an der Technik und ihren Möglichkeiten. Ziehen Jahr für Jahr die Bilanz, um dann im kommenden Jahr noch ein Mehr an Leistung zu fordern. Das geht auf Dauer nicht gut. Wir sind begrenzt und so ist es unsere Erde. Das Wachstum hat ein Ende. Unser Körper hat ein Ende. Dessen sollten wir uns bewusst sein.

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      So dürfen wir nur demütig vor dem Ewigen stehen und fragen: „Nimmst du mich auf?“ Voller Demut vor der Größe Gottes sollte unsere Seele erschauern, denn in ihrer Mitte wohnt der Allmächtige. Er erhält uns durch den Atem. Dieses ständige Kommen und Gehen des Lebens steht im Licht der Ewigkeit. Das bewusste Einatmen ist Glück. Das bewusste Ausatmen lässt uns loslassen von all den Dingen und Schmerzen, die uns täglich quälen.

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      Versuche es einmal an dieser Stelle. Atme tief ein und spüre ganz bewusst, wie der Atem an deiner Nasenspitze vorbei durch den Hals in die Lungen strömt, bis er den Bauchraum bis unter den Nabel ganz ausfüllt. Du brauchst nichts dafür zu tun ganz von allein Strömt der Atem ein. Ganz von allein erfüllt er dich mit Glück und Leben. Genieße den Moment. Dann lass los. Der Atem strömt wieder aus; mit ihm all die schrecklichen, quälenden Dinge, Schmerzen und Gefühle. Lass ganz los. Dann einen Moment und das heitere Spiel beginnt von Neuem. Mit dem Atem strömt Glück ein. Das ist das schönste Gebet. Mit dem Atem strömt Leid aus. Die beste Form loszulassen. Gott in uns wird zufrieden lächeln. So einfach kann Erlösung funktionieren. So einfach ist Gebet.

      Wenn wir das im Alltag üben, werden wir erkennen, dass wir Wesen unbändiger Freude sind. Dann kehren wir nach Innen ein und verbinden uns wieder mit dem wahren Selbst. Durch diese Verbindung können wir wahre Verbundenheit erkennen. So, dass wir in unserem Kern wieder die Verbundenheit mit allen Dingen erleben. So, dass wir in unserem Kern der Ewigkeit wieder bewusst werden. So, dass Gott in uns wieder spricht. Dazu brauchen wir allerdings Pausen in dem geschäftigen Treiben des Alltags. So sollte unser Handeln auf das Ewige ausgerichtet sein, indem wir im Alltag immer wieder Pausen schaffen. Pausen, in denen wir einfach unser Einatmen genießen und mit unserem Ausatmen loslassen. Diese Pausen sollten als Momente der Stille gestaltet sein, um uns wieder klar sehen und hören zu lassen und unserer Emotionen wieder Herr zu werden. In der Stille können wir in der Liebe zu unserem Umfeld und unserer Umwelt das Wesentliche wieder zum Fließen bringen. Wir werden dem Glück mit dem jetzigen Atemzug bewusst. Wir kehren in unser Selbst ein und werden Wesen der Liebe, die wir eigentlich immer waren. Das Sein in Liebe bestimmt dann unser Wesen wechselwirkend. Auch das ist Erlösung.

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      Wir können nur so, durch die Pausen und durch das Atmen, bergreifen warum Gott die Ruhe des Sabbats an das Ende seines Schöpfungswirkens gestellt hat. Hier nimmt er den Raum zu lieben und in Güte zu schauen. Die Qualität der Schöpfung wird offenbar. Nur mit Pausen wird unser Handeln vervollkommnet. Aus dem Blick auf den Sabbat und die Ruhe Gottes erhalten wir den tiefen Frieden für uns selbst und andere.

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      Während uns die KI als ein gut gemachtes Werkzeug etwas vorspielt, zeigt uns der Schöpfer die Wahrheit. Wollen wir wirklich, dass ein Werkzeug da wirkt, wo menschliche Nähe besser wäre? Darf eine Maschine Psychologe, Arzt oder gar Richter sein? Geschweige denn in sozialen Berufen als Menschenersatz eingesetzt werden? Wollen wir unsere Nähe durch die Kälte eines Dings ersetzt wissen?

      Manch ein Philosoph fordert, dass am Ende des maschinell Machbaren wieder ein Mensch stehen sollte. Das wichtigere aber scheint das Abschalten der Elektronik zu sein. Ein Sabbat von allen elektrischen und elektronischen Geräten, damit wir wieder einen klaren Kopf bekommen, der uns zeigt, was wichtig ist. Sonst wird die Verbrennung, die zur Gewinnung der Elektrizität notwendig ist, uns irgendwann den Atem rauben; wenn wir so weiter machen wie bisher. Wir verfehlen den Auftrag Gottes seine Schöpfung zu hüten und zu bewahren. Wir leben uns am Leben vorbei in einen kollektiven Tod. Auch daher muss unser aktives Leben von Zeit zu Zeit durch kleine Momente der Stille, der Einschränkung und der Liebe unterbrochen sein. Diese Pausen fördern zuerst unsere Erholung und weiten wir sie aus, die Erholung der Schöpfung. Diese braucht sie dringend, um uns fast neun Milliarden Menschen zu erhalten. Insbesondere bedürfen die Regenwälder des Amazonas deutlichen Schutz und Pausen vor der Verbrennung.

      Es wird immer wichtiger die Schöpfung um uns herum, nicht zu planieren, zu betonieren und zu verbrennen. Nein. Vielmehr müssen wir stetig dazu beitragen, dass sie Momente der Erholung erfährt. Während des ersten Corona-Lockdowns lag vieles brach und wir mussten uns auf das innere Selbst konzentrieren. Dabei standen viele Zweige der Schwerindustrie still, Flugzeuge flogen nicht mehr und Autos fuhren wesentlich weniger. Dabei steigerte sich die Qualität der Luft für wenige Tage merklich. So zeichnete sich der silberne Streif der Hoffnung auf eine mögliche Erholung der Erde am Horizont der Welt ab.

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      Hier war es möglich der Erde wieder Raum zu geben, indem die Menschheit sich eingeschränkt hat. Insgeheim sollten wir für die Wiederholung solcher Momente beten. Wir sollten unser Handeln an dem Gebet nach der Befreiung der Schöpfung ausrichten, Bäume pflanzen und Autos sowie Flugzeuge stehen lassen. Die Flora sollte in unseren Städten vermehrt Einzug halten, damit wir nicht aussterben. Damit wir atmen können. Daran sollten wir unser liebendes Streben ausrichten, damit unsere Ururenkel wahrhaftig eine Chance haben.

      Warum dieser Ausflug? Es soll gezeigt werden, wo sich in unserem aktiven Leben der Ungeist der Zeit versteckt; wie sich das scheinbar Gute als das Gute tarnt, indem wir kaufen und kaufen können, als ob es kein Morgen gäbe. Wie dringend brauchen wir den Sabbat in uns und um uns? Wie sehr brauchen wir den Frieden, um der nächsten Generationen willen?

      In den Pausen im Alltag dürfen wir unser Schauen und Sein wieder weg vom Konsum auf hin Gott ausrichten. Dieses kann in regelmäßiger Weise geschehen. Die Muslimas und Muslime leben es uns vor, wie es ist, fünfmal am Tag zu beten. Aus der jüdischen Tradition erfahren wir, wie es ist an einem Tag der Woche alles um Gottes willen ruhen zu lassen. Tauchen wir also in diese tiefen Weisheiten ein. Statt auf das Handy zu blicken, beginnen wir zu beten. Statt mit der KI zu flüstern, kümmern wir uns um unsere Nächsten. Die Kraft dazu erhalten wir aus der Stille, dem bewussten Atmen und dem Gebet, das uns zu bestimmten Zeiten am Tag trägt.

      Unser Atem bringt uns Erlösung, wenn wir ihn bewusst feiern. Er hat die Kraft uns in der Stille mit dem göttlichen Urgrund allen Seins erneut zu verbinden. Seine Kraft stammt noch aus der Zeit, als Gott uns selbst den Odem seiner Herrlichkeit eingeflößt hat. Er stammt aus dem Sein im Paradies, aus der Zeit, als wir Menschen noch selig mit unserem Gott verbunden waren. Und so hat er heute umso mehr die Kraft uns wieder nach innen zu dem Sein unseres Schöpfers zu tragen. Er verbindet uns wieder mit der Ewigkeit. Der Atem ist ein Zyklus des stillen Gebets in uns, wenn wir ihn bewusst begleiten. Er ist die Basis für alles Beten in und durch uns. Versuche es wieder selbst. Atme ein und spüre das Glück, welches dich mit Gott verbindet. Unter grünen Bäumen, auf einer Sommerwiese, aber auch im Büro, auf der Straße oder in der Küche kannst du mit diesem Einatmen spüren, wie sehr Gott dich liebt. Letztlich ist er es, der deine Organe im Inneren durch den Lufthauch liebkost. Atme nun aus in dem Vertrauen, dass er dich trägt. Lass dich ganz in seine Gegenwart fallen. Spüre nun, dass du sein geliebtes Kind bist. So einfach kann beten sein. Atme ein und atme aus.

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      Die Gebetsformen für unseren Alltag sind vielfältig und lassen sich manchmal sogar mit unseren