innenraum
fordert kongeniale geister
die beleben sollen
intelligenz wird sphärenspannkraft
einsicht verschafft umsicht
im nahen und im ungeheuren
logischer enthusiasmus
kommunitarischer enthusiasmus
ein pfingstereignis
der denkgeschichte
staunen
aber bitte mit trockener seele
von überwältigendem
sprechen
sieben eigenschaften riefen sie der
kugel hinterher:
sie sei gott
sie sei das schönste
sie sei die größte
sie sei das weiseste
sie sei erfüllt vom schnellen geist
sie sei mit kraft als stärkstes
sie sei ohne anfang ohne ende
wir sind umgriffen gerettet
obschon wir uns dem
mangel ausgeliefert fühlen
der philosoph ist
zum optimismus verpflichtet
den alten europäern
bleibt weisheit:
sich in kontemplativer dankbarkeit
in diese ur-fülle
einzugliedern
sich den besten gründen auszuliefern
während es uns moderne
zu ursprungsflüchtigen macht
vorwärtslaufend denkend
gegen das heimweh
nach dem unveränderlichen noch-nie-dagewesenen
von-ferne-versprochenem
sie scheint uns zuzurufen:
spielt weiter mit dieser kugel
die königen legitimation
und dichterfürsten
zu denken gaben
der mensch
das ekstatische tier
dem ein weltapfel
in die hand gelegt wurde
angesichts riesiger
fragen und aufgaben
schien es nicht wunder
das wir mängelwesen
zu sein schienen
wer kann als mängelwesen
der fülle schon standhalten
was soll aus der kugel
werden
in zeiten ohne könige
was aus den königen
in zeiten ohne kugel
Prolog: Intensive Idylle
Die Szene spielt im 1. Jhrd. vor Christus. Sieben bärtige Männer sitzen zusammen. Es hat den Anschein, als mache eine Idee die Runde und durchfahre sie wie ein Anfall. Weltergreifende Ideen beginnen ihren Flug.
So wie die Offizianten religiöser Kulte Statuen zu Ehren der von ihnen bevorzugten Gottheiten errichten, so haben die Gelehrten hier das Bild der Seins- und Kosmoskugel vor sich aufgestellt, um sie mit angemessenen Erörterungen zu verehren.
Die Kugel ist das Götterbild der Denkenden. Kästchen, Podium sind ihr tragbarer Altar, der Hain vor den Toren der Stadt ist ihr Tempelbezirk. Die sphaira ist der Gott der zu denken gibt. Aber es sind nicht Gebete und Anrufungen, sondern Analysen, Messungen und Beweise. Verehrende Forschung über ein Symbol für jenes Umgreifende oder Um-Sein, periéchon, das alle physischen und geistigen Gattungen des Seienden in sich fasst und das somit auch die Intelligenzen durchwirkt, die sich hier über die Kugel beugen.
Ihr Innenraum verlangt nach einem kongenialen Geist, der ihn beleben soll, das meint erzeugen und ermessen. Intelligenz ist Sphärenspannkraft; aus Einsicht wird Umsicht im Ungeheuren. In den Evidenzerlebnissen gibt sich der Gott, der Eine, Einstimmige, den Denkenden zu sehen. Logischer Enthusiasmus bestätigt seinen Verehrern, dass er in ihnen gegenwärtig ist.
Im bewährungsmächtigen Begriff und im seinsfähigen Bild kommt der göttliche Geist - der hier unterstellt werden darf - auf den menschlichen zu. Es ist das Pfingstereignis der Denkgeschichte, der Ausguss logischer Feuerzungen.
Jeder der sieben bezieht sich als singuläres, wissendes Leben auf das Eine und setzt sich so in eine ursprüngliche Individualität. Er lässt das Umfassende durch sich selbst, das diskrete Gefäß des Ungeheuren, sprechen.
Hier entsteht eine neue Form der Vergesellschaftung: durch die geteilte Erfahrung des Einheits- und Ganzheitsgedankens entsteht eine Gemeinsamkeit, für die es in der völkischen und familiaren Geschichte kein Vorbild gibt.
Aber schon diese sieben lernen nicht fürs Leben sondern für die Schule.
Durch das Theoriespiel Philosophie werden die folgenden Gesellschaften endogen gespalten: in solche die sich und ihr Wissen selbst zum Ernstfall erklären und in die, die sich entweder als Bewunderer dessen zeigten, was sie nicht verstanden oder die, die ein Leben in Ahnungslosigkeit führten, ohne sich unsouverän zu fühlen.
Im Bild der Sieben liegt Glück und Ungeheure still ineinander.
Zukünftig wird ohne den Willen zu dieser Idylle, keine Theorie zustande kommen.
Ohne Muße keine Schule, ohne Entwurzelung aus der Vulgarität, nichts von alledem, was alteuropäisch Freiheit der Forschung hieß.
Von nun an reicht das Ungeheure in der Ordnung weiter, als das Ungeheure in der Tragödie. Die Kugel bestellt die Betrachter mit zwei unbedingten Imperativen zu sich:
Komm, denke mich!
Und:
Geh in mir auf!
Im Hintergrund eine Sonnenuhr. Philosoph ist, wer eine Uhr im Rücken und eine Kugel vor sich hat.
Wir stehen am Beginn eines messenden, feststellenden, vergegenständlichenden „Zeitalters der Vernunft“. Von einem wortreich dunklen Gewerbe wird die Konstellation von SEIN und ZEIT durchleuchtet.
Einer, der der Zeit den Rücken zukehrt um in den absoluten Raum, die göttliche Immanenz, die sphärische Fülle einzutreten. Hier tut sich das Paradies der Ontologen (Lehrende des Seins) auf.
Auch Hegel und Heidegger waren nur Kommentatoren dieses Mosaiks. Auch Nach- und Anti-Hegelianer kämpften um den Kugelnachlass, von der es heißt, sie sei zersprengt, die ihr ent-stürzenden Menschen würden nur noch im freien Fall existieren.
Die Kugel vor Augen lässt die Sieben zu einer lokalen Funktion des globalen Optimums werden. Sie gab ihnen den stärksten Grund Optimist zu sein, wenn die Sphäre wirklich das Inbild und den Inbegriff des Ganzen geben soll.
Liegt im modernen Fortschritts-Optimismus noch ihr Nachhall?
Der thetische (zu beweisende) Funke springt im Augenblick über: Alles ist Gnade, alles ist im Kreis. Eíso panta - alles ist innen-. Der Intellekt ist nun unheilbar krank von einer Sphären- idee, einem Pathos, von dem sich nicht sagen lässt, ob er hell oder dunkel ist: dem Staunen.
Wer