des Üblichen. Auch das sogenannte „Kreuz im Riesengebirge“ ist dem Mönch am Meer insofern ähnlich, nichts als Weite und Horizont, Ausblick von einsamer Höhe auf hingebreitetes Land.
Kein Vordergrund. Im Hintergrund unzählige, von feinen Nebenstreifen unterbrochene Hügelkulissen. Im Mittelgrund Fels. Darauf wieder – wie beim Teschener Altar – ein hochragendes Kreuz. Davor, gerade noch erkennbar, in lichte Gewänder gehüllt eine Frauengestalt, die eine dunklere männliche die letzte Stufe zum Kreuz emporzieht.
Das Ganze: Sinnbild von der Einheit alles Grenzenlosen; Welt, Gott, Du, Ich – „Wo du auch hingehst, du bist nirgends allein“.
Dieses Bild bezeichnet den Beginn von Friedrichs „unendlicher Landschaft“. Was es beherrscht wie den „Mönch am Meer“, ist die Übermacht des Chaotischen. Nur: jener Mönch erscheint wie ein Fragezeichen am Rande des Chaos. Die beiden Gestalten am Kreuz sind dem Chaos entronnen.
Immerhin, ihre Gebärde ist Flucht aus der Grenzenlosigkeit, Flucht vor der unermesslichen Ferne, die hier noch drohend erscheint, indem sie alles menschliche Maß übersteigt.
Doch schon in Friedrichs nächsten Werken vollzieht sich die Wandlung. Die Ferne wird zum Gegenstand nicht mehr der Abwehr, sondern der Hinneigung, und beider Spiel und Widerspiel, das jener Ferne mit den an ihren Standort gefesselten Wesen im Vordergrund wird zur Vorahnung von der einstigen Erlösung.
Erwartung unwissbar ferner Dinge umweht in den „Lebensstufen“ die hauchzarten Silhouetten abendlicher Segelschiffe; berührt im „Mondaufgang am Meer“ die graziösen Umrisse zweier in wortloses Schauen versunkener Frauen; beseelt in der fast chinesisch
einfachen zweiten „Riesengebirgslandschaft“ das blattlose Geäst eines einsam in öde Verlassenheit ragenden Baums.
Immer in diesen Werken wird das Unfassbare an seinem Gegensatz fassbar, das Unbegrenzte begriffen durch seinen Widerschein im Begrenzten.
Immer klingt durch alle Spannung, Sehnsucht, Unerlöstheit – am stärksten im „Mondaufgang“ – etwas wie ein Versprechen durch, „alles Getrennte fände sich wieder“. Das Getrennte aber – von der großen Einheit Getrennte – ist die Gestalt im Vordergrund: Baum, Mensch, Tier, Segel …
Plötzlich, in einem seiner letzten großen Gemälde – der „böhmischen Landschaft“ – steht der Betrachter allein. Kein Baum mehr im Vordergrund, keine Menschengestalt. Nur ein einsamer Weg führt noch hin zu fernen taubeglänzten Wiesen, Bergen, Wäldern.
Jene Wiesen, Berge und Wälder aber gleichen in ihren lichten Zartheit Melodien aus Schuberts späten Werken, und jener Weg ist wie ein Hineingleiten in Musik.
Folgt noch letztes, allerletztes Bild: Kein Weg mehr, weit, unsagbar weit dehnt sich Sommer, Bäume und Büsche stehen trunken von Licht. Im Mittelpunkt ein Menschenpaar in seliger Umarmung. Nah und Fern sind Eins. Die Zeit ist stehen geblieben, die Welt am Ziel.
Danach und bald nach den Befreiungskriegen, die Friedrich miterlebt wie nur irgendein Deutscher seiner Zeit, ist auch sein Leben nicht mehr bedeutsam. Er wird wunderlich und seine letzten fünfzehn Jahre gleichen einem langsamen Verdämmern.
Er stirbt am 4. Mai 1840, lange, nachdem sein Geist in Umnachtung verfiel. Er hatte der Welt die „unendliche Landschaft“ geschenkt. Was sollte er weiter auf ihr?
Arnold Böcklin:
Maler des Mittelmeeres
als eines mythischen Wesens
Dass er – ein Sohn des Nordens, der den Süden liebte – diesen Süden jedoch nur mit nordischen Augen sah, das war das Geheimnis seines deutschen Erfolges, malte er doch ihren Süden, den Süden der Nordländer. Nicht den bekannten und billigen der Reisenden aus Licht und Leichtigkeit, und nicht den schwermutvollen, sonnverbrannten der Einheimischen, sondern jenen fahlen, föhnigen Süden, der hinter dämmrigen Schatten alle versunkenen Götter der Heiden an die Oberfläche beschwört.
Nie hätte ein Italiener die „Toteninsel“ gemalt, nie ein moderner Grieche das „Spiel der Najaden“.
„Wo man nur irgend kann, soll man die Darstellung klaren Sonnenscheins in Bildern vermeiden“, schreibt Böcklin. Das ist ganz nordisch, ganz mit den überempfindlichen, leicht geblendeten Augen des Deutschen gesehen. Die Sonne verjagt alle Geheimnisse einer feinabgetönten Schattenwelt. Sie zerstört jenes niederländische Helldunkel, das Böcklin als fix und fertiges Vorbild nach Italien mitbringt.
Denn nur die kennen alle Weite des Lichts, denen es sparsam zu Teil wird. Zuviel Sonne blendet und erhellt nicht die feineren Unterschiede, sondern verdunkelt sie.
„Diese Florentiner“ sagt Böcklin zu Floerke, „wenn man von den Niederländern kommt – Nacht wirds. Beobachtungen machen gibt’s nicht. Nie haben sie etwas zu erzählen, nie etwas mitzuteilen: die Niederländer (hingegen) sind bis in die Fingerspitzen voll. Kinder sind die Florentiner in der Kunst, ärmliche hohle Gesellen, diese Botticelli und so weiter. Dagegen so ein van Eyck-Schüler – durchempfunden bis ins kleinste… oder ….dieser Rogier von Weyden zum Beispiel. Bis ins letzte hinein belebt. Daneben nun die besten Italiener: Gleich hörts auf. Und nun gar an Stellen, wo sie sich unbeobachtet meinen….“
Auch die Venezianer: „Rücksichtslose Schmierer von wenig edlem Geschmack.“ Tizian: „Leichtfertig und liederlich“ und „an der Lebensfülle des Rubens gemessen – ein Nachtwächter“. Dagegen Rembrandt: „Auf Farbstimmungen hat er sich zwar nie eingelassen“, aber „das stärkte Licht auf kleinstem Raum konzentriert, durch große breite Schattenmassen unterstützt …. Das hat er verstanden!“
„Ja, wenn diese Flamen und Holländer mehr in Italien gewesen wären! Das malen, was die Italiener gemalt haben, aber so malen, wie sie selber es konnten!“
Böcklin war dreiunddreißig, als er nach Rom kam. Im Wagen. Durch die Porta Salaria. Er kam und blieb sieben Jahre. Was früher gewesen war, wurde unbedeutsam: Basel, das ihn geboren hatte, dann Düsseldorf, Antwerpen, Brüssel, Paris…
Alles war anders hier. Rinder weideten über sonnenüberglühten Ruinen und die Ruinen waren ohne Zeit. Auch die vielen Brunnen waren es und auch die Öde vor den Toren – die Campagna.
Manche unter seinesgleichen ist diese Stadt ohne Uhr und Stunde zum Verhängnis geworden. Die Urwüchsigkeit Böcklins blieb ihr gewachsen. Er lernte das Schauen in ihr, und die Frucht dieses Schauens waren weiträumige, lichtgebadete Landschaften von einem bezaubernden Wohlklang der Formen – noch ein bisschen „Claude Lorrain“ in mancher Hinsicht, aber doch schon sehr „Böcklin“; und für manche der Höhepunkt seiner Kunst überhaupt. Denn nicht die Unberufensten bezeichnen seine späteren, bekannteren Entwürfe in der Art des „Heiligen Hains“ oder der „Villa am Meer“ bereits als Denkmale eines bedauerlichen Verfalls.
Woran Böcklin vorbeiging in Rom, war alles, was die Zeit dort geschaffen hatte und, unter ihrem Szepter, Päpste wie Cäsaren. Und was er schließlich mitnahm, war weder das geistige oder sinnliche Bild des alten Imperium Romanum, noch das der Renaissance oder das des Barock – sondern etwas aus Luft und Landschaft, das um Rom ist und südlich von Rom, und das erst in der kälteren Luft Deutschlands frei wurde für sein Werk wie der Tau erst frei wird in der Kühle des Morgens.
Dort treten mit einem Mal an Stelle der bisherigen flimmernden Fernen und der im silbrigen Mittagslicht träumenden Baumgruppen die dunkel leuchtenden Gemälde einer versunken Götterwelt.
Nun, da er nicht mehr in Rom ist, malt er aus den Gesichtern seiner römischen Zeit. Aber er malt nicht was er in Wirklichkeit sah, denn es sei ganz verkehrt, die Natur nachahmen zu wollen. Da ziehe jeder Maler den Kürzeren. „Wir haben kein Sonnenlicht auf der Palette…. wir müssen die Farben beim Malen übersetzen und durch Kontraste ihre Wirkung sichern….“
„Die Farbe ist im Bilde zu einem ganz anderen Zweck da, als in der umgebenden Natur. Unsere Bildtafel ist eine Fläche. Um diese Fläche räumlich zu gestalten, muss ich ihren Charakter