Franz Kugler

Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz"


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nur die Darstellung moralischer Zustände hervor. Ein wahrhaft ergreifendes Gefühl atmet vornehmlich erst in denjenigen seiner Dichtungen, welche der Zeit des siebenjährigen Krieges, als die schwere Hand des Schicksals auf ihm lag und alle geistige Spannkraft zum Widerstande hervorrief, angehören. Ungleich wichtiger und merkwürdiger als seine früheren Poesien sind zwei Abhandlungen, die er in dieser Zeit seines Aufenthaltes in Rheinsberg verfasst hat.

      Die eine derselben, ist bereits im Jahre 1736 geschrieben und enthält „Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatensystemes.“ Friedrich fasst hier die kritische Lage Europas, nach jener Verbindung zwischen Frankreich und Österreich, mit einer Schärfe ins Auge, die bei einem vierundzwanzigjährigen Jünglinge das höchste Erstaunen hervorruft; er zieht dann die Folgerungen, die der alten Politik beider Mächte gemäß – der unaufhörlichen Vergrößerungssucht Frankreichs und dem Streben Österreichs nach absoluter Herrschaft über Deutschland – aus jener Verbindung zu erwarten seien, wenn sich in den anderen Mächten keine neue Kraft entwickele. Die Schrift ist in der Vorahnung der neuen Kraft, die zu entwickeln eben Friedrich selbst bestimmt war, geschrieben. Er schließt damit, den Fürsten auf eindringliche Weise ins Ohr zu rufen, dass all ihre Schwäche nur auf ihrem falschen Glauben von sich selbst beruhe, dass nicht die Völker für sie, sondern umgekehrt, sie für die Völker da seien. Das war die Lehre der neuen Zeit, die durch Friedrich in das Leben eingeführt werden sollte und der er bis an seinen Tod treu geblieben ist. Friedrich hatte übrigens die Absicht, diese Abhandlung in England drucken zu lassen; doch unterließ er es aus guten Gründen, und so ward sie erst in seinen hinterlassenen Werken bekannt.

      Die zweite Abhandlung, eine Arbeit von größerem Umfange, schrieb Friedrich im Jahre 1739. Dies ist die, unter dem Namen des „Antimacchiavell“ bekannte, Widerlegung des Buches „der Fürst“, welches der berühmte florentinische Geschichtschreiber Nicolo Macchiavelli im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts verfasst hatte. Das Buch vom Fürsten, ein Meisterwerk, wenn man die Verhältnisse, für die es ausschließlich bestimmt war und in die es wirksam eingreifen sollte, ins Auge fasst, enthält die Anweisungen, wie eine Alleinherrschaft im Staate – im florentinischen Staate jener Zeit – zu erreichen und zu behaupten sei. Friedrich fasste dasselbe allgemein, als eine Lehre des Despotismus auf; er betrachtete Macchiavelli, der den Fürsten eine solche Lehre hinstellte, geradezu als ihren frevelhaftesten Ratgeber, ja als einen Verleumder ihrer erhabenen Pflicht. Mit begeistertem Unwillen wies er es nach, indem er den Bemerkungen des Florentiners Schritt für Schritt folgte, wie nicht despotische und verbrecherische Handlungen, sondern nur Tugend, nur Gerechtigkeit und Güte die Richtschnur der Fürsten sein dürfe, wie nur sie ihnen ein dauerndes Glück auf dem Throne versprechen könne. Seine ganze Darstellung knüpft sich an denselben Grundsatz, mit welchem er die vorerwähnte Abhandlung geschlossen hatte, dass der Fürst nicht als der uneingeschränkte Herr der Völker, die er beherrsche, dass er vielmehr nur als ihr erster Diener zu betrachten sei. Eine unbefangene, historisch wissenschaftliche Würdigung des Werkes, welches er bekämpfte, tritt also dem Leser nicht entgegen, im Einzelnen so wenig, als im Ganzen; aber als das ausführliche Glaubensbekenntnis, welches der Erbe einer mächtigen Krone ablegte, und zwar zu einer Zeit, in welcher die Übernahme seines Erbes nach menschlicher Berechnung schon nahe bevorstand, ist es ein höchst denkwürdiges Buch. Auch erweckte es ein allseitiges Interesse, als es, zwar ohne Friedrichs Namen, in Holland öffentlich erschien, wo Friedrich dasselbe unter Volatiles Augen hatte drucken lassen. Der Verfasser wurde bald genug bekannt, und alle Welt war begierig sich zu überzeugen, inwiefern seine Tat mit seinem Worte, übereinstimmen werde. Denn schon trug er die Krone.

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      Zwölftes Kapitel – Der Tod des Vaters

       Zwölftes Kapitel – Der Tod des Vaters

Grafik 152

      Friedrich Wilhelm II.

      Die schönen Tage in Rheinsberg waren indes keineswegs ohne mancherlei Störung hingeflossen. Die Dienstgeschäfte in Ruppin, Besuche am Hofe des Vaters in Berlin, Reisen in entlegenere Provinzen des Reiches führten Friedrich nur zu häufig auf längere oder kürzere Zeit fort; aber alle diese Unterbrechungen dienten nur dazu, den Genuss, welchen Geselligkeit, Wissenschaft und Künste darboten, um so lebhafter und inniger empfinden zu lassen.

      Vor allem war Friedrich bemüht, durch genaueste Erfüllung seiner militärischen und anderweitigen Obliegenheiten die Gunst des Königs rege zu erhalten. Er sorgte dafür, dass sein Regiment bei den jährlichen Heerschauen und Musterungen sich stets als eines der schönsten und geübtesten auszeichnete; und er hatte die Genugtuung, dass der König ihm vor der versammelten Generalität seine Zufriedenheit bezeugte. Auch war ein solcher militärischer Eifer das beste Mittel, um diese und jene Äußerung des Missvergnügens, das dem Könige noch immer von Zeit zu Zeit gegen Friedrichs geselliges und wissenschaftliches Treiben auftauchte, unwirksam zu machen. Ebenso wandte Friedrich alle Mittel an, um Rekruten von ausgezeichneter Größe und Schönheit an allen Enden der Welt für das Regiment, welches der König selbst führte, anwerben zu lassen. Auch suchte er durch allerlei kleine Geschenke, welche der Garten und die Ställe von Rheinsberg in die Küche des Königs lieferten, Zeugnisse seiner Aufmerksamkeit zu geben. Alles das war ihm durch die Regeln der Klugheit geboten; zugleich aber war es viel mehr; denn sein Gefühl gegen den Vater hatte sich durch die Anerkennung seiner unleugbaren Verdienste um das Land schon lange zu einer innigen Hochachtung gesteigert.

      Auch ging in dem Charakter Friedrich Wilhelms selbst in den letzten Jahren seines Lebens eine merkliche Veränderung vor. So berichtete Friedrich u. a. selbst, im Dezember 1738, an einen Freund, der König habe von den Wissenschaften als etwas Löblichem gesprochen.

      „Ich bin entzückt“, so fährt er fort, „und außer mir vor Freude gewesen über das, was ich gesehen und gehört habe. Alles Löbliche, was ich sehe, gibt mir eine innere Freude, die ich kaum verbergen kann. Ich fühle die Gesinnungen der kindlichen Liebe in mir sich verdoppeln, wenn ich so vernünftige, so wahre Ansichten in dem Urheber meiner Tage bemerke.“ – Ein Jahr später konnte er einem anderen Freunde von einer noch ungleich bedeutenderen Umwandlung im Charakter des Vaters, auf die gewiss die überlegene Geisteskraft des Sohnes nicht ohne Einfluss gewesen war, Nachricht geben. „Die Neuigkeiten des Tages“, so schreibt er, „sind, dass der König drei Stunden lang täglich Wolffs Philosophie liest, worüber Gott gelobt sei! So sind wir endlich zum Triumphe der Vernunft gelangt.“ Es war Wolffs Werk von der natürlichen Theologie, welches der König damals in einem Auszuge las. Auch war Friedrich Wilhelm in dieser letzten Zeit seines Lebens eifrig bemüht, seinen früheren Fehler wieder gut zu machen und den verbannten Philosophen wieder für sein Reich zurückzugewinnen. Dies gelang aber erst seinem Nachfolger.

      Im höchsten Ehrfurcht gegen die landesväterlichen Tugenden seines Vaters aber wurde Friedrich hingerissen, als er diesen im Sommer 1739 auf einer Reise nach Preußen begleitete und hier den Segen wahrnahm, den der König über eine gänzlich verödete Provinz, dieselbe, in die er jene vertriebenen Salzburger aufgenommen, verbreitet hatte. Seine Gefühle werden auch hier aufs Schönste durch seine eigenen Worte bezeugt. „Hier sind wir“, so schreibt er aus Litauen an Voltaire, „in dem Lande angekommen, das ich als das Non plus ultra der zivilisierten Welt ansehe. Es ist eine nur wenig gekannte Provinz von Europa, die als eine neue Schöpfung des Königs, meines Vaters, angesehen werden kann. Litauen war durch die Pest verheert, zwölf bis fünfzehn bevölkerte Städte und vier- bis fünfhundert unbewohnte Dörfer waren das traurige Schauspiel, das sich hier darbot. Der König hat keine Kosten gespart, um seine heilsamen Absichten auszuführen. Er baute auf, traf treffliche Einrichtungen, ließ einige tausend Familien von allen Seiten Europas kommen. Die Äcker wurden urbar gemacht, das Land bevölkert, der Handel blühend, und jetzt herrscht mehr als je Überfluss in einer Provinz, die eine der fruchtbarsten in Deutschland ist. Und alles, was ich Ihnen sage, ist allein das Werk des Königs, der es nicht blos anordnete, sondern selbst die Hauptperson bei der Ausführung war, der die Pläne entwarf und sie selbst vollzog, der weder Mühe und Sorge, noch ungeheure Schätze, nicht Versprechungen und Belohnungen sparte, um einer halben Million denkender Wesen Glück und Leben zuzusichern, die ihr Wohl und ihre gute Verfassung