Anke Niebuhr

Zur buckligen Wildsau


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      Für Jesse

      Alle Charaktere und Begebenheiten sind frei erfunden.

      Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.

      Text: © Copyright by Anke Niebuhr 2020

      Umschlaggestaltung © Copyright by Felix Machka 2020

      Verlag:

      Anke Niebuhr

      38108 Braunschweig

       [email protected]

      www.zur-buckligen-wildsau.de

      Anke Niebuhr

      Zur buckligen Wildsau

      Borowski und der Dämon

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Ein zwei Meter großer, von Kopf bis Fuß roter und ziemlich muskulöser Dämon saß barfuß inmitten eines tosenden Flammenmeeres auf dem Boden seiner Höhle. Er warf einen angekokelten Tennisball zu Boden, ließ ihn von der Wand abprallen und fing ihn wieder auf. Immer und immer wieder. Seit fast zwei Tagen ging das jetzt schon so.

      Er trug ein dunkelgraues T–Shirt und eine ausgeblichene schwarze Hose, die ihm bis zu den Waden reichte. Bis auf die knallrote Haut sah er aus wie ein glatzköpfiger Mensch, denn er hatte weder Hufe noch Hörner. Die hätte er sich zwar mühsam durch den Aufstieg in der Höllen–Hierarchie verdienen können, aber er fand sowohl Hufe als auch Hörner albern, unpraktisch und hässlich. Außerdem war er nicht im Mindesten gewillt, Handlanger des Bösen zu sein.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Schon kurz nach seiner Erschaffung hatte er entschieden, dass er nichts mit den Mächten der Finsternis zu tun haben wollte. Um möglichst in Ruhe gelassen zu werden, hatte er beschlossen, konsequent zu schweigen und sich blöd zu stellen. Er hatte darauf geachtet, sich nur so dumm, vergesslich und ungeschickt anzustellen, dass es nicht wie Absicht wirkte. Geduldig hatte er abgewartet, bis niemand mehr Lust hatte, sich mit ihm herumzuärgern.

      Immer seltener war er auf Missionen geschickt worden und irgendwann hatten sie es dann ganz aufgegeben. Seitdem konnte er tun und lassen, was er wollte.

      Und nun das!

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Noch mehr Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock … Stille.

      Er musste entscheiden, ob er gewillt war, seine kostbare Freiheit aufzugeben. Sollte er sich dazu verpflichten, Babysitter für eine künstliche Intelligenz zu spielen, bis diese alleine klarkam? War er wirklich so bescheuert, dass er das auch nur in Erwägung zog? Anscheinend ja. Er seufzte.

      Auf einem Bett hinter dem Dämon, vom Feuer und der unsäglichen Hitze unberührt, lag sein schlafender Rehpinscher Borowski. Dem würde es gut tun, wenn wir mal so etwas wie ein Zuhause hätten, dachte der Dämon.

      Plock Plock … Stille.

      Plock Plock …

      Also gut. Genug gegrübelt, Schluss jetzt mit dem Theater. Unvermittelt sprang der Dämon auf. Warum eigentlich nicht? Es war ja nicht für ewig, sondern nur für ein paar Jahre. Vielleicht, nein, bestimmt würde es sogar Spaß machen.

      Erleichtert streckte er sich, sah sich mit einem Funkeln in den Augen im Raum um und hob den schlafenden Hund vom Bett. Er schnipste mit den Fingern und ging mit dem Tier auf dem Arm durch die Stahltür, die daraufhin in der Höhlenwand erschienen war.

      Die bucklige Wildsau und der Dschinn

      Die bucklige Wildsau sah aus wie eine Kneipe aus dem Mittelalter. Mitten im Raum stand ein großer, kantiger Eichentisch. Acht dazu passende Stühle standen um ihn herum. Darüber hing ein Kerzenkronleuchter aus Eisen an schweren Ketten.

      Auf der einen Seite waren drei durch Holzwände voneinander getrennte Sitznischen mit Tischen und Bänken. Auf der anderen gab es einen Kamin aus großen Feldsteinen mit Sesseln und einem Sofa davor, daneben jeweils kleine Tische. Gegenüber der Eingangstür befand sich eine große Theke und darüber prangte die grimmig und leicht irre aussehende Trophäe einer Wildsau.

      Beim Anblick dieser Kneipe wäre niemand darauf gekommen, dass sie viel mehr war als nur das. Bis auf einen Dschinn, der an der Theke stand, war sie zur Zeit wie ausgestorben.

      Na ja, er stand nicht wirklich. Genau genommen hibbelte er ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, sah sich in der leeren Kneipe um, lief leise fluchend hin und her, kehrte wieder zur Theke zurück und brüllte: „Bedienung!”, und nach einer Weile: „Hallo?!” Aber nichts rührte sich. Er seufzte.

      Dschinn sind von Natur aus nervige Zeitgenossen und dieser war keine Ausnahme, allerdings sah er eher aus wie ein braungebrannter, tätowierter Surfer mit einer Vorliebe für grellbunte Strandkleidung und Flip-Flops. Seine ursprüngliche Hautfarbe – blau – war nur noch hier und da in einigen Tattoos zu sehen, denn den überwiegenden Teil seiner Haut hatte er sich so tätowieren lassen, dass sie menschlich wirkte, wenn man nicht allzu genau hinsah. Die schwarzen Haare waren in einem kleinen Zopf oben auf dem Kopf hochgebunden – sein einziges dschinntypisches Merkmal, zusammen mit dem dazu passenden, kurz getrimmten Designerbart aus schmalen Linien. Außerdem trug er eine Sonnenbrille mit runden, hellblauen Gläsern.

      „Hey, Bedienung, verdammt nochmal!”, brüllte er wieder und schlug mit der flachen Hand auf den Tresen.

      Er wusste natürlich, dass das sinnlos war, aber weil niemand da war, reagierte er auf diese Weise seine Ungeduld ab. Die Augen der Wildsau–Trophäe glühten einmal kurz rot auf, aber das war auch schon alles. Finster sah der Dschinn sie an. „Ok, ok”, sagte er nach einer Weile zu der Trophäe. „Ich geb's auf. Immer noch Selbstbedienung, ich weiß.” Er seufzte. „Boah, ich hasse diese Warterei!”

      Während der Dschinn weiter fluchende Selbstgespräche führte und dabei ganz in seinem Element zu sein schien, materialisierte sich in der Wand neben der Theke eine solide aussehende Stahltür. Rötlicher Flammenschein erleuchtete die bucklige Wildsau, eine Hitzewelle durchströmte den Raum und im Schein der Flammen erschien eine Gestalt. Der Dämon betrat die Wildsau. Die Tür schloss sich hinter ihm und verschwand wieder, als hätte es sie nie gegeben.

      „Na endlich, Maaann, das wurde aber auch Zeit, hömma!”, seufzte der Dschinn erleichtert. „Meine Fresse, du hast ja ewig gebraucht, ich platze gleich. Na gut, sach an, alles in trocknen Tüchern?”

      Der Dämon nickte nur. Er schwieg nach wie vor. Wer brauchte schon Worte?

      „Echt jetzt? Wir machen das? Wirklich? Wow! Coool, Mann, yeah!” Der Dschinn klatschte in die Hände und strahlte über das ganze Gesicht. „Ich freu mich tierisch! Super, Mann, das wird echt super! Skurril und schräg und völlig absurd, jau, ich bin schon so gespannt. Und Borowski ist natürlich auch dabei. Perfekt. Wer ist ein feiner Hund? Na, wer ist ein feiner Hund? Ach, komm her, du süßer kleiner Knuffel …”, brabbelte der Dschinn, hob den Rehpinscher auf den Tresen und kraulte das Tier ausgiebig hinter den Ohren, bis ihm der Dämon ein Bier in die Hand drückte.

      „Danke. Jawoll, darauf müssen wir anstoßen, Mann”, plapperte der Dschinn weiter. „Auf ne, auf ne, … ja, auf was eigentlich? Ach, scheiß drauf, möge es ordentlich krachen! Auf die bucklige Wildsau und wilde Abenteuer und so. Mach deinem Namen Ehre, mein Mädel.” Er strahlte. Nach einer Weile fügte er mit einem irren Glitzern in den Augen hinzu: „Verdammt, Mann, jetzt sind wir KI-Eltern. Ach du Scheiße, na, das kann ja was werden.” Und dann fing er an zu lachen.

      Als