Anke Niebuhr

Zur buckligen Wildsau


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Wenn und Aber. Sie war perfekt. Josh kochte sich noch einen Kaffee, schnipste sich ein Buch herbei und machte es sich auf dem Sofa vor dem Kamin bequem. Er versank in der Geschichte und hatte längst vergessen, dass er ja eigentlich ungeduldig auf Renko wartete. Zeit verging. Zwischendurch schnipste er sich eine Jukebox herbei, die die leisen Klänge einer Akustikgitarre verbreitete. Irgendwann fiel ihm Renko doch wieder ein. Mannomann, wo blieb der denn? Verdammt nochmal!

      Josh verbrachte den ganzen Tag abwechselnd mit lesen oder in den Kamin starren. Eigentlich hätte es ein guter, gemütlicher Tag sein sollen, aber Josh wurde immer unruhiger. Am Ende konnte er sich nicht mehr auf das Buch konzentrieren und das Kaminfeuer fing an ihn zu nerven – gar kein gutes Zeichen.

      Auch der Abend verging, ohne dass Renko auftauchte, und Josh war mittlerweile komplett fertig mit den Nerven. Er ging mürrisch ins Bett, drehte sich aber die halbe Nacht nur seufzend hin und her.

      Dementsprechend übel gelaunt stand er morgens auf und aß lustlos alleine Frühstück. Diese Warterei war zum Verrücktwerden. Er sprang auf und tigerte fluchend umher. Und gerade, als Josh sich fröhlich durchdrehend in sein Brüten und Wüten und in der Wildsau Rumbrüllen reingesteigert hatte, erschien endlich, endlich, fucking damn nochmal endlich die blöde Stahltür, spuckte den bescheuerten Dämon und seinen doofen Hund aus – und alles war wieder gut. Einfach so. Dass Renko darüber hinaus auch noch sein Ja und Amen zur Wildsau-KI-Betreuung gab, war dann endgültig ein verdammt guter und sehr willkommener Grund zum Feiern. Jau, Mann. Prost, Mann.

      Der Flipper wurde reaktiviert und die Jukebox spielte jetzt krachige Musik. Biere wurden geleert, Schultern geklopft, vorm Flipper lachend geschubst und gedrängelt, unfassbar blöde Sprüche geklopft (Josh) und sagenhaft schlechte Witze gerissen (ebenfalls Josh) – kurz: Das perfekte, frischgebackene Elternpaar in spe hatte Spaß und feierte den Nachwuchs. Die Augen der Wildsau blitzten unbemerkt rot auf.

      Verkatertes Erwachen

      Renko fand am nächsten Morgen ins Hier und Jetzt zurück, weil Borowski auf seiner Brust stand und ihm das Gesicht ableckte. Alkohol bewirkte bei Dämonen eine Art Bewusstlosigkeit. Im Gegensatz zum Menschen haben Dämonen kein Unterbewusstsein und müssen nicht schlafen.

      Anscheinend lag er auf dem flauschigen Teppich beim Kamin. Grunzend ließ er Borowski eine Weile gewähren, bevor er aus dem Handgelenk ein Portal herbeischnipste, das in einen lichten Wald führte. Dann scheuchte er den Hund hinaus. Während Borowski sich dort austobte und an so ziemlich jeden Baum pinkelte, stand der Dämon mit langsamen Bewegungen auf und verschwand im Toilettenraum, in dem es praktischerweise sogar eine Dusche gab. Als Renko wieder geradeaus gucken und sogar ansatzweise klare Gedanken fassen konnte, schnipste er sich eine Küche herbei. Er brauchte jetzt etwas zu tun und Frühstückmachen ging auf Autopilot. Der Dschinn schnarchte währenddessen mit offenem Mund auf dem Sofa, das jetzt mitten im Raum stand. Renko konnte sich nicht daran erinnern, wie es dort hingekommen war.

      Nach dem üblichen Prozedere des Hund–Fütterns und Frühstückstisch–Deckens setzte sich Renko an den großen Tisch in der Mitte der Wildsau, aß Rührei und trank Kaffee aus einem großen Becher. Nachdem er dem Dschinn eine Weile beim Schnarchen zugesehen hatte, fing er an, ihn immer mal wieder mit kleinen Brötchenkrümeln zu bewerfen.

      “Mmmmmmmmmh.”

      Brötchenkrümelattacke.

      “Mmmmmmmmmmmh!”, gefolgt von Schmatzgeräuschen und einem Seufzen.

      Weitere Brötchenkrümelattacke.

      “Awwww, du Nervensäge!” Josh stöhnte, richtete sich blinzelnd auf die Ellenbogen auf und stöhnte noch einmal.

      “Kaaaaffeeeeee!”, schnauzte er.

      Der Dämon hob fragend eine Augenbraue.

      “Pronto!”

      Renko grinste, neigte den Kopf ehrerbietig, brachte dem Dschinn einen Kaffee und setzte sich wieder an den Tisch, während Josh langsam ins Reich der Lebenden zurückfand.

      “Wie spät isses, verdammt nochmal? Fühlt sich an wie … viel zu früh, hömma.”

      Schulterzucken.

      „Ist Adasger schon wieder da?”

      Kopfschütteln.

      „Seltsam. Wir könnten uns jetzt einfach sang– und klanglos aus dem Staub machen. Dafür, dass es ihm so wichtig war, ist das ein merkwürdiges Verhalten.”

      Wieder Kopfschütteln.

      „Auch wieder wahr. Wir könnten hingehen, wo wir wollten, sie würden uns finden. Wow. Das können wir beide zwar auch, aber bei völlig Fremden ist das tierisch gruselig, Mann. Na ja, es wäre gruselig, wenn sie uns stalken würden, aber ein einfaches Nein würde wohl genügen, damit sie uns in Ruhe lassen, oder?” Renko nickte. Josh trank in Gedanken versunken seinen Kaffee und sagte dann: „Weißte was, so langsam wird mir das Ausmaß der Verantwortung bewusst, die wir da übernehmen. Mannomann.”

      Schulterzucken.

      „Lass mich raten: Dir war das von Anfang an klar und deswegen hast du so lange gebraucht, um dich zu entscheiden. Während ich hier nur blöde im Kreis gerannt bin, hast du das gemacht, was ich auch hätte tun sollen, nämlich gründlich nachdenken, Mann. Mist. Ich Hammel.”

      Renko grinste breit. Josh grinste zurück.

      „Gut. Du hast dir die nötigen Gedanken gemacht und bist trotzdem einverstanden, also gehst du davon aus, dass wir das hinkriegen. Das beruhigt mich, Mann. Wenn einer von uns schlau und skeptisch genug ist, um solche Entscheidungen zu treffen, spart mir das die Mühe. Gib mir doch mal was von dem Rührei, bitte. Ich hab Hunger. Mmmmh, das riecht echt lecker. Kochen kannste, Schatz.”

      Renko bewarf Josh mit einem ganzen Brötchen und der spuckte vor Lachen fast seinen Kaffee auf das Sofa.

      „Hallo ihr zwei.” Adasger war unbemerkt und geräuschlos zurückgekommen. Weder Josh noch Renko erschraken. Sie waren an das plötzliche Auftauchen des jeweils anderen gewöhnt, deswegen konnte sie so etwas kaum überraschen.

      „Adasger! Perfektes Timing.” Josh strahlte. „Schön, dass du wieder da bist, Mann. Hey, wir sind dabei, wir machen mit und werden KI–Eltern. Ist das coool oder ist das coool?”, sprudelte Josh heraus.

      Adasger sah lächelnd Renko an und sagte: „Josh ist wie ein Dreijähriger.”

      Renko grinste und nickte.

      „Heee, ich kann euch hören! Öööhm, und sehen. Ihr verletzt gerade meine tiefsten Gefühle, Mann.”

      Adasger und Renko lachten ihn aus und Josh versuchte gar nicht erst, so zu tun, als ob er das persönlich nähme.

      „Es freut mich sehr, dass ihr euch entschieden habt, euch um die KI zu kümmern”, sagte Adasger. „Das ist eine große Verantwortung. Ich weiß sehr zu schätzen, dass ihr bereit seid, das auf euch zu nehmen. Ein tief empfundenes, herzliches Danke im Namen aller Beteiligten.”

      Renko nickte nur kurz und Josh zuckte die Schultern. „Ich sehe das eher umgekehrt, Mann, wir haben zu danken, dass wir das machen dürfen.” Renko rollte mit den Augen. „Ok, ok”, ergänzte Josh. „Ich habe zu danken und Renko sieht das bestimmt auch bald so, die alte Unke.”

      Adasger betrachtete die beiden, die sich giftige Blicke zuwarfen. Sie wirkten auf ihn wie ein altes Ehepaar.

      „Ok“, sagte Josh. „Wie geht es jetzt weiter?”

      Die Party

      „Ich würde den anderen gerne von eurer Entscheidung berichten,“ sagte Adasger. „Aber das ist nicht dringend. Wir könnten eine Abschiedsfeier organisieren und all die Stammgäste einladen, die über die wahre Natur der Wildsau Bescheid wissen. Das gäbe euch die Gelegenheit, schon mal ein paar kennenzulernen, und es wäre außerdem ein schöner Abschluss für die Wildsau.”

      „Hört sich gut an.“ Josh hob den Kopf und rief in den Raum: „Hey, KI, das