wünschte mir übrigens zum Abschiede alles Gute, und außerdem auch noch: „daß mich die californischen Wilden nicht lange martern, sondern lieber gleich todtschlagen möchten, denn das sei sonst Thierquälerei".
Der Correo wohnte draußen am äußersten Ende der Stadt, und Buenos-Ayres ist entsetzlich weitläufig gebaut. Wir trabten aber lustig drauf los, und während ich glaubte, meinen alten Burschen schon in voller Ungeduld auf mich warten zu sehen und dann augenblicklich den Thieren die Sporen einzusetzen und weiter zu galoppiren, fand ich ihn im Gegentheil emsig beschäftigt - gar nichts zu thun. Statt die verschiedenen Päcke, die noch wild zerstreut am Bode herumlagen, auf das Lastthier zu laden, saß er ruhig dazwischen, schlürfte seinen Mateh und sah ans, als ob er noch gar nicht daran dächte, weder in dieser noch der nächste Woche aufzubrechen. Seine ganze Familie half ihm dabei redlich; die Frau kauerte in der einen Ecke neben einem Kohlenbecken, auf dem ein kleiner eiserner Theetopf oder Kocher stand, und der Sohn, ein junger Bursch von circa achtzehn Jahren, lehnte auf dem Bett und klimperte auf der Guitarre. So wie ich eintrat, möchte ich fast sagen, denn ich hatte den Fuß kaum auf die Schwelle gesetzt, kam aber auch die alte Dame schon mit der unausweichlichen Matehröhre auf mich zu, und ich will den Leser lieber gleich von vornherein mit diesem gewiß eigenthümlichen Genuß der Südamerikaner be-/63/kannt machen, damit es ihn später nicht so ganz unvorbereitet treffe, wie mich damals.
Der Mateh ist eine Art Thee, der aus den Zweigen und Blättern eines gewissen in Brasilien und am Paraguay wachsenden Baumes bereitet werden soll. Er sieht aus wie ein grünliches Pulver mit kleinen Zweigen und Holzstückchen darin, und wird im Aufguß getrunken. Die Art, wie sie ihn trinken, ist aber charakteristisch. Der Mateh selber kommt in eine zu diesem Zweck besonders gehaltene Calabasse, von der Größe eines starken Apfels etwa, und auf ihn wird dann das kochende Wasser gegossen. Da man aber beim ordentlichen Trinken desselben den feinen Staub mit in die Kehle bekommen würde, so gebrauchen sie hierzu eine kleine dünne Blechröhre, die sie Bombille nennen, und deren unteres Ende eine theesiebartig durchlöcherte abgeflachte Kugel bildet. Durch diese etwa sechs bis sieben Zoll lange Blechröhre ziehen sie, mit anscheinendem Hochgenuß, den kochend heißen Trank, dessen Temperatur sich dem Blech natürlich augenblicklich mittheilt und dem, der solche Kost nicht gewöhnt ist, unfehlbar die Lippen verbrennen muß, besonders wenn er es „unvorbereitet trinkt“. Es versteht sich von selbst, daß ich dasselbe that. Das Fatalste bei diesem Matehtrinken ist übrigens das rein demo- kratische Princip, nach dem er getrunken wird. In allen Familicn giebt es gewöhnlich nur eine Mateh-Calabasse, und diese geht im Kreis herum, so daß Jeder dieselbe Blechröhre in seinen Mund schiebt, daran saugt, und sie dann dem Nachbar reicht - ich habe schon Sachen gesehen, die appetittlicher waren. Ein Verweigern derselben wäre aber eine Mißachtung der Gastfreundschaft, die den freundlichen Geber nicht allein kränken, sondern auch beleidigen würde. Der Fremde überwindet deshalb lieber, wenn es ihm von gerade nicht lieben Lippen geboten wird, seinen Ekel und legt die er die Haut seiner Lippen auf den Altar der Convenienz, als daß er dieLeute kränke, die ihm damit wirklich das Beste bringen, was sie selber genießen.
gedacht- die indessen rascher geordnet, als ich selbst
Die Päcke waren indessen rascher geordnet, als ich selbst gedacht; die schon vor der Thür stehenden Thiere wurden gesatttelt; und in etwa einer halben Stunde saß wir endlich / 64/ zu Pferd. Durch die volkreichen und hauptsächlich von großen Landwagen gedrängten Straßen ritten wir in kurzem Trab, kaum aber etwas in's Freie hinaus, fielen die Pferde schon von selber in einen kurzen Galopp. Selbst das Lastthier, was wenigstens zweihundertundfünfzig Pfund trug, war davon nicht ausgenommen. Ich hielt das damals für etwas Außerordentliches.
Unser kleiner Trupp bestand aus vier Pferden und drei Personen: erstlich dem sogenannten Postillon, der hinter sich ein ziemlich großes und schweres Felleisen auf den Sattel geschnallt hatte und das Lastthier an der Leine führte, dann dieses, mit vier in ungegerbte Häute sorgfältig eingenähten und auf seinem Rücken festgeschnürten Paketen, die ein von Binsen gefertigter Packsattel trug. Dann kam der Correo, in dunkelblauem Poncho oder Ueberwurf, mit hellledernen hohen Reitstiefeln, in denen sein langes Messer stak und oben mit dem Griff heraussah, riesigen Sporen, rundem Filzhut und einer tüchtigen Peitsche in der Hand, die einzig und allein zum Besten des Lastthiers mitgenommen worden; und neben diesem ritt ich selbst, im grauwollenen Staubhemd, schwarzem breitrandigen Filz, hohen deutschen Wasserstiefeln, das Messer, nach argentinischer Art, darin, und die Büchsflinte an die Seite geschnallt, die Pistolen im Gürtel mit eben solchen gigantischen Sporen, und den Poncho mit der wollenen Decke hinten auf's Pferd an den Sattel fest gebunden.
Der Postillon trug die Landestracht, Poncho und Cheripa, ein rothes Tuch um den Kopf, und die Füße in der abgestreiften Pferdehaut, aus der die beiden ersten Zehen vorschauten und eben nur in den kleinen, kaum zwei Zoll breiten Steigbügel hineinpaßten. An dem rechten Handgelenk hing die Revenka, die aus einem etwa anderthalb Zoll breiten, nach unten etwas spitzer zulaufenden und oben durch einen großen eisernen Ring gezogenen Streifen ungegerbter Haut gemachten Peitsche dieser Stämme, und die langen Sporen hingen ihm mehr von den glatten Hacken herunter, als daß sie daran festsaßen. I
Es ist dies überhaupt eine Eigenthümlichkeit der hiesigen /65/ Reiter, daß ihnen die Sporen, wenn man sie zu Pferd sitzen sieht, fast vom Hacken abwärts hängen. Zu Fuß sind diese Leute dann auch gar nichts nutz. Auf den Zehen balanciren sie herum und die riesigen Eisen rollen klirrend hinterdrein. Einmal aber nur die Hand auf der Mähne ihres Thieres, und es sind von dem Moment an ganz andere Menschen. Der zuerst vorsichtige Blick - denn der abgesessene Reiter ging wie auf Eiern - nimmt den alten Trotz an, der Körper richtet sich in aller Elasticität eines naturkräftigen Volkes empor, und einmal erst im Sattel oder auch nur auf dem Rücken des schnaubenden Thieres, und Mann und Roß scheinen ein einziges zusammengegossenes, von Feuer durchströmtes Wesen zu sein.
Das Herunterhängen der Sporen geschieht übrigens absichtlich und hat einen höchst triftigen Grund. Der Gaucho reitet sehr häufig - in den Pampas draußen fast nur - wilde Pferde, und um sicherern Schluß zu haben, dann aber auch nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, beim Scheuen des Thieres, bei Seitensprüngen oder sonstigen Capriolen, seinen Bauch mit den scharfen Sporen unabsichtlich zu berühren, hängen sie so weit herunter, daß sie den unbewehrten Hacken frei lassen, aber doch stets zum Gebrauch bereit sind, wenn sie der Reiter, der dann den Fuß nur etwas zu krümmen braucht, benutzen will.
Die nächste, mir freilich nicht mehr fremde Umgebung der Stadt, in der ich schon in den letzten Tagen etwas umhergestreift, fesselte jetzt vor allem Andern meinen Blick, und allerdings hat sie auch, für den Europäer besonders, viel Eigenthümliches und Anziehendes. Die Gegend selbst ist flach, eine weite, ungeheure Ebene, die sich in ununterbrochener Spannung bis zum Fuß der Cordilleren hinauszieht, aber die Art der Bebauung, die Einwohner selbst, dieser jungen südlichen Republik bieten dem Auge steten wechselnden Stoff, Neues zu sehen und zu bewundern und auf fremdartigen, wunderlichen Gegenständen zu weilen. Die pittoreske, buntfarbige Tacht der Eingebornen ist nicht das Geringste dabei; das rasche Vorüberjagen auf ihren kleinen, lebhaften /66/ Thieren, die Milchreiter, die Maulthierzüge, die großen, un- behülflichen Wagen - das Alles bietet eine rasche, höchst interessante Abwechslung, und der Fremde würde schon daran genug Beschäftigung finden, wäre es nicht bald das Land selber, was mit seinem unendlichen, mit niederen Distelsträuchen oder fruchtbaren Wiesen bedeckten Flächen, seinen wunderlich durch Aloe und Cactus umfenzten Feldern und Gärten, seinen Heerden und Estancias seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.
Doch vorbei, vorbei, der Courier hält sich mit dergleichen Betrachtungen nicht auf, und das eigene muntere Thier verlangt ebenfalls, daß sich der Reiter etwas darum bekümmere.
- Puh, was ist das für ein schauerlicher Verwesungsgeruch?
- Nur ein Pferd, das hier in der Straße fiel und liegen blieb, bis die Aasgeier und Hunde das Gerippe reinigten - dort wieder ein schon halbverzehrter Stier - dort noch einer - und da drüben - ganze Umzäunungen von Schaf- und Stierköpfen aufgeworfen. Die Straße mit den Schädeln und Gerippen der Geschlachteten und Gefallenen aufgefüllt - vorbei, vorbei, der Correo hat das schon tausendmal gesehen, und jetzt, wo wir auf etwas besseren Weg kommen, werden die Pferde schärfer angetrieben.
Die erste Station ist sieben Leguas - eine Legua fast dreiviertel deutsche Meilen - und dort wurden