Daniela Mattes

Marvin und die Wibbels


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»Ich ziehe mir nur schnell etwas anderes an, ich möchte nicht im Schlafanzug in die Kälte hinaus gehen.«

      Marvin wandte sich vom Fenster ab und suchte seine Jeans, dicke Socken und einen warmen Pullover. Er war aber immer noch misstrauisch, ob das Experiment auch glücken würde. Er hätte ja die ersten Schritte auch durchaus im Pyjama versuchen können. Insgeheim war er davon überzeugt, dass er gleich vom Fensterbrett fallen und keinesfalls als Pionier auf dem Regenbogen in den Himmel entschwinden würde. Aber er glaubte noch an Wunder, und wenn nur die geringste Chance bestand, dass der Versuch gelingen könnte, dann wollte er ausgerüstet sein. Minuten später stand er fix und fertig und abenteuerbereit wieder neben Pit und öffnete das Fenster.

      Marvin war jetzt doch ein wenig nervös und atmete erst einmal tief durch. Ob er noch einmal aufs Klo gehen sollte? Er wusste ja nicht, wie lange er dort oben unterwegs sein würde. Und man konnte doch nicht einfach von den Wolken herunterpinkeln, oder? Marvin kicherte, als er sich das vorstellte, wurde aber gleich wieder ernst. Nein, er wollte es jetzt unbedingt wissen.

      Vorsichtig stellte er seinen Schreibtischstuhl unter den Fenstersims, etwa an der Stelle, an der die Badewanne von Pit platziert war, und stieg dann erst mit einem großen Schritt auf den Stuhl und dann von dort aus auf den Fenstersims. Ängstlich hielt er sich am Fensterrahmen des geöffneten Fensters fest und blickte prüfend nach unten. Er durfte auf keinen Fall nach unten fallen. Er war zwar nur im ersten Stock, aber er konnte sich durchaus etwas brechen und das musste ja nun wirklich nicht sein.

      Vorsichtig stieg er auf den Stuhl und legte eine Pause ein. Dann sprang er wieder auf den Boden zurück und dachte erneut nach. Dazu legte er den Finger an die Nase wie bei »Wicki und die starken Männer«. Wenn der erste Schritt misslang, dann fiele er aus dem Fenster. Wie aber könnte er es sonst ausprobieren?

      »Worauf wartest du denn?«, fragte Pit nun ungeduldig. »Komm endlich!«

      »Ja, einen Moment noch«, murmelte Marvin und hatte dann endlich eine Idee. Vorsichtig nahm er Pits Miniaturbadewanne und hob sie ganz langsam hoch. Pits Licht wackelte.

      »Was tust du denn da?«, fragte Pit verwundert.

      »Moment, ich hab’s gleich«, gab Marvin konzentriert zurück und fixierte das schwappende Wassergefäß. Dann nahm er es ganz behutsam vom Fenstersims weg und stellte es auf den Stuhl unter das Fenster. Anschließend zog er ganz langsam den Stuhl ein wenig zurück, wobei er etwas Wasser auf dem Sitz verspritzte, aber das trocknete ja bald. Pit wackelte ein wenig, blieb aber stabil.

      »So!«, rief Marvin und war ganz stolz auf sich selbst. Der Regenbogen spannte sich jetzt nicht direkt aus dem Fenster hinaus, sondern vom Stuhl aus und das bedeutete, dass er auf den Stuhl steigen und den ersten Schritt dort versuchen konnte. Wenn es nicht klappte, fiele er zwischen dem Stuhl und dem Fensterbrett auf den Boden. Das wäre zwar nicht so toll, aber wohl auch nicht tödlich. Jedenfalls viel besser, als hinaus in den Garten auf die Steinplatten zu stürzen, die sich direkt unter seinem Fenster befanden.

      Marvin holte noch einmal tief Luft und stieg dann langsam auf den Stuhl, ohne die Glasschale umzuwerfen. Dann setzte er vorsichtig den rechten Fuß auf Pits bunte Lichter und wollte sich schon beschweren, dass es nicht funktionierte, da sein Fuß einsank. Aber Pit bestand ja aus Licht und war nicht fest, sondern eher weich und wattig oder auch gummiartig und deshalb war es nur normal, dass Marvin ein wenig in den Lichtbahnen versank.

      Dann jedoch spürte er plötzlich den Widerstand und es fühlte sich an, als hätte er richtig festen Grund unter seinem Fuß. Jetzt konnte problemlos das andere Bein nachziehen und sich tatsächlich auf Pit stellen. Ungläubig und unbeweglich stand er auf seinem Freund und starrte nach unten auf den Boden seines Zimmers.

      »Das glaube ich ja gar nicht!«, rief er. Probeweise machte er noch einen weiteren Schritt. Und auch wenn er es jetzt immer noch nicht glauben konnte, stand er tatsächlich auf dem Regenbogen zwischen Stuhl und Fenster mit nichts unter sich als dem Teppich. Und er war nicht abgestürzt!

      »Siehst du, es funktioniert doch!«, rief Pit begeistert und feuerte Marvin an, schneller aus dem Haus zu klettern, damit keiner der Nachbarn ihn dabei sähe. Marvin war nun überzeugt davon, dass es klappte, und war daher auch mutiger geworden. Deshalb machte er schnell die ersten Schritte zum Fenster hinaus, wobei er sich ein wenig ducken musste, denn aufrecht konnte er natürlich nicht hindurchgehen.

      Einmal draußen spürte er die Kälte, die ihn sofort umhüllte, was ihm zusätzlich klarmachte, dass alles wirklich geschah. Was für ein Abenteuer! Er blickte noch einmal kurz in sein Zimmer zurück, dann lief er geradewegs auf Pit entlang in den morgendlichen Winterhimmel hinein.

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