Thomas Manderley

Die Sternenschnüffler


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beleuchtet: Joe lag immer noch auf dem Boden und versuchte zwischen verstreutem Werkzeug, Schrauben und Kabeln wieder auf die Beine zu kommen.

      „Gehen wir doch in eine Bar, oder ein Restaurant!“, sagte Lora zu ihrer Kundin, die immer noch stocksteif und mit aufgerissenen Augen in ihrem Sessel saß. Als sie aufstand und hinausging, sah sie Lora mit besorgter Miene an, aber Lora grinste nur: „Keine Sorge! Er hat geflucht, er scheint nicht zu bluten, also ist er OK.“

      Mit dem Lift ging es hinauf zum Commercial-Deck, auf dem sich die meisten Restaurants und Geschäfte befanden. Dort gingen die beiden Frauen in eine kleine Cafeteria und nachdem Lora zwei Espresso an der Bar bestellt hatte, setzten sie sich an einen Tisch in der hinteren Ecke, an dem sie ein wenig ungestört waren.

      „Nun ja, wie ich schon sagen wollte: Mein Name ist Bertha Jones. Ich habe hier ein Geschäft auf der Station, auf der anderen Seite des Decks.“

      „Jones? Arbeitet Ihr Mann bei Webber-Cole-Digitals in New Auckland?“, fragte Lora neugierig.

      „Ja, warum? Kennen Sie ihn?“

      „Ich hatte mal geschäftlich mit ihm zu tun.“, antwortete Lora, zog es aber vor, schnell das Thema zu wechseln: „Was verkaufen Sie denn?“

      „Ich habe einen Laden für kallinganische Spezialitäten. Sie wissen schon: Blaue Kreuzameisen, Sandegel, Grünwurzeln, all die tollen Köstlichkeiten. Schauen Sie doch bei Gelegenheit mal vorbei!“

      Loras Augen leuchteten: „Na da können Sie drauf wetten, ich bekomme jetzt schon Appetit! Aber bitte sagen Sie erst einmal: Wie können wir Ihnen helfen?“

      Frau Jones beugte sich vor und sprach mit gesenkter Stimme: „Ich habe das Gefühl, dass ich verfolgt werde. Das heißt ich habe nicht nur das Gefühl: Ich weiß es.“

      Loras Herz begann schneller schlagen. Bilder aus ihrer Kindheit leuchteten wieder vor ihr auf, als sie mit ihren Freunden ausgedachte Kriminalfälle löste, die Nachbarn observierte und tatsächlich einmal einen echten Dieb fing. Er hatte ihre Tasche gestohlen, rannte davon, fand aber in Lora seine Meisterin. Sie rannte viel schneller als er, warf sich von hinten auf ihn und riss ihn zu Boden. Nachdem sie ihm die Tasche wieder abgenommen hatte, prügelte sie voller Wut und in leuchtendem Blau auf den hilflos am Boden liegenden Mann ein. Erst eine vorbeikommende Polizeistreife beendete Loras Wutanfall und den Dieb nahmen sie bei dieser Gelegenheit auch gleich mit. Nun aber blickte Lora in das Gesicht der Frau gegenüber, die ihr hilfesuchend in die Augen sah.

      „Wissen sie auch von wem?“, fragte Lora, die sich konzentrieren musste, den Gesprächsfaden wiederzufinden.

      „Da ist so ein Mann, das heißt ich glaube, dass es einer ist. Es ist so eine komische Spezies: groß, olivgrüne, scheckige Haut, keine Haare und die Hände sehen irgendwie krallenförmig aus.“

      „Hat er große rote Augen, so wie Insektenaugen?“

      „Ja genau! Haben Sie den etwa auch schon mal gesehen? Der taucht ständig in meiner Nähe auf, mustert mich genau, zumindest vermute ich das, kommt ab und zu in meinen Laden, sieht sich alles an, kauft aber nie etwas.“

      „Das ist ein Hauqurit.“, sagte Lora und wirkte dabei ungewöhnlich selbstsicher: „Einer meiner Freunde von der Uni war Hauqurit. Die sehen echt ein Wenig unheimlich aus, sind aber eigentlich sehr freundliche Wesen. Die Heimatwelt von denen ist aber sehr weit weg. Der dürfte hier fast der Einzige sein und fällt extrem auf. Außerdem ist olivgrüne Haut eher selten bei Hauquriten. Die meisten sind hellblau.“ Lora lächelte zufrieden, während sie den Kellner beobachtete, der in diesem Moment die zwei Espresso auf den Tisch stellte. Lora führte die Tasse langsam an ihre Lippen und nahm dann vorsichtig den ersten Schluck des noch viel zu heißen Kaffees.

      „Sie wissen ja gut Bescheid. Sehr schön!“, sagte Frau Jones, während sie sich mit ihrer Tasse zurück in den Sessel lehnte. „Können Sie herausfinden, was der Kerl von mir will?“

      „Na ja, wir könnten ihn beschatten und mal sehen, was er so den ganzen Tag treibt und dann schauen wir weiter. Wir werden erst einmal Ihren Laden beobachten und wenn Mister Hauqurit auftaucht, hängen wir uns unauffällig an seine Fersen, oder besser an seine hinteren Krallen. Außerdem fällt mir gerade ein, dass ich ihn, glaube ich, schon hier auf der Station gesehen habe, als ich am Flugschalter war.“ Lora dachte nach und versuchte, sich zu erinnern, während sie den Rest ihres Espressos mit einem Schluck herunterstürzte. „Na ja, wir werden ihn schon finden.“

      Lora lehnte sich in ihrem Sessel zurück und versuchte, ein zufriedenes Lächeln aufzusetzen, was ihr mehr schlecht als recht gelang. Aber sie konnte es nicht vermeiden, dass ihr rechtes Bein, das sie über das linke geschlagen hatte, ständig auf und ab wippte.

      Frau Jones hingegen schien sichtlich relaxt zu sein. Sie genoss ihren Kaffee in kleinen Schlucken und sandte Lora hin und wieder ein freundliches Schmunzeln hinüber:

      „Wie viel verlangen Sie eigentlich und wie rechnen Sie ab?“

      Lora sah nach unten auf die vor ihr stehende Tasse, in der sich nur noch die Reste des Kaffeeschaums befanden. Leider hatte sie vergessen, die Preise mit Joe abzusprechen, also versuchte sie es mit einer Hinhaltetaktik: „Ich komme nachher in Ihren Laden und bringe Ihnen einen Vertrag mit. Da steht dann alles drauf. Ich kann Sie aber beruhigen: Teuer sind wir nicht.“ Lora lächelte wieder ihre Kundin an, die dies auch brav erwiderte.

      „Schön, schön, ich warte dann auf Sie.“ Frau Jones stand auf, stellte ihre Tasse auf den Tisch, verabschiedete sich von Lora mit einem freundlichen: „Danke für den Espresso.“, und verließ die Cafeteria.

      Lora lehnte sich noch einmal zurück, rief den Kellner herbei und bestellte einen weiteren Espresso, den sie dann langsam und in Ruhe austrank.

      Als Lora zurück ins Büro kam, sah sie zu ihrem Erstaunen, dass das Werkzeug- und Schraubenchaos beseitigt war und auch das Licht brannte wieder. Am Schreibtisch saß jedoch ein großer hagerer Mann mit spärlichem Haarwuchs, großen Augen, großen Ohren und einer Hakennase.

      „Hallo, wer sind Sie?“, fragte Lora zurückhaltend, aber freundlich.

      Der Mann blickte auf, aber bevor er etwas sagen konnte, schnitt ihm Joe, der aus seinem Schlafzimmer herbeigeeilt kam, das Wort ab: „Das ist Oulax, er schließt unsere Computerterminals ans Netz an.“

      „Gut!“, sagte Lora: „Ans interstellare Netz oder nur ans Hausnetz?“

      „An beides.“, sagte Oulax und wandte sich wieder seiner Arbeit zu: „Außerdem installiere ich Ihnen gleich noch einen Sicherheitsschirm gegen Eindringlinge von außen. Sonst könnte jeder halbwegs Intelligente, der mit einem Schiff draußen vorbeifliegt, Ihr Terminal anzapfen. Übrigens: Ich muss noch an Ihren Netzknotenpunkt für das Spreizkabel. Wo liegt der hier?“

      Loras Blick wurde starr und ihr Gesicht verfärbte sich in Rekordgeschwindigkeit blau: „Wie bitte? Ich glaube, ich habe mich wohl verhört?“ Loras schrie so sehr, dass sich ihre Stimme fast überschlug: „Ich weiß ja nicht von welchem seltsamen Sternensystem Sie kommen, aber bei mir kriegen Sie jedenfalls keinen Netzknotenpunkt zu sehen.“ Lora verschwand ins Badezimmer und schlug mit Schwung die Tür hinter sich zu. Das Scheppern ließ Joe und Oulax unweigerlich zusammenzucken.

      „Wissen Sie, was da gerade passiert ist?“, fragte Oulax: „Was habe ich denn gesagt?“

      Joe zuckte nur mit den Achseln: „Keine Ahnung. Iriduaner sind schon seltsame Kreaturen. Ich sehe besser mal nach ihr.“

      Joe ging in Richtung Badezimmer, aber er kam nicht weit: Lora trat wieder ins Büro. Das tiefe Blau war fast aus ihrem Gesicht verschwunden: „Tut mir leid, dass ich Sie so angeschrien habe. Sie meinten sicherlich nur den Zugangspunkt zum Datennetz der Station, richtig?“

      „Richtig!“, sagte Oulax noch immer mit unsicherer Stimme und stand auf: „Wissen Sie wo er ist?“

      „Keine Ahnung.“, sagte Lora und auch Joe zuckte nur mit den Schultern.

      Oulax sah im Zimmer umher. „Na ja, bei Stationen aus diesem Baujahr wurde der in Lagerräumen