Thomas Manderley

Die Sternenschnüffler


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war froh, aus der Sache heil und ohne weitere Ekelattacken herausgekommen zu sein.

      „Ach, Ihr Menschen habt doch keine Ahnung, was gut ist!“ sagte Lora, während sie zurück in die Küche ging, jedoch ohne dabei ärgerlich zu klingen: „Dann bleibt halt mehr für mich übrig.“

      Doch Loras Freude währte nicht lange, denn Oulax kam herein: „Rieche ich da Schaben?“ Die Frage klang mehr rhetorisch als ernst. Zudem ging Oulax wortlos an Joe vorbei, direkt in die Küche.

      „Hallo Oulax!“, begrüßte ihn Lora mit freudiger Stimme.

      „Hallo! Ich war mit dem Auftrag früher fertig als gedacht. Sind die frisch?“

      „Na klar, willst Du welche?“

      „Na und ob!“

      „Oh Mann, zwei von der Sorte! Und wenn es ums Essen geht, muss eben auch mal die Begrüßung ausfallen.“, dachte Joe und blendete sich aus dem Gespräch in der Küche aus. Stattdessen wandte er seine Gedanken seiner Umgebung zu und ließ seinen Blick durch den Raum wandern: Die Wände und das Traggebälk waren immer noch grau und ungemütlich. Auf einigen der metallenen Wandvertäfelungen klebten noch Reste von Papier und Plastik, vermutliche Überbleibsel der aus der Zeit, als der Raum als Lager genutzt wurde. Die Schreibtische mit den Computerterminals in der Raummitte waren zwar sauber und gaben diesem Ort tatsächlich den Charakter einer seriösen Firma, aber die immer noch vorhandene Unordnung auf dem Fußboden machte viel dieses positiven Eindrucks wieder zu Nichte. Verpackungsreste, Mülltüten und auch noch Joes Sachen, die ihm sein Manager zurückgeschickt hatte, lagen verstreut herum, wie in einem unaufgeräumten Kellerabteil.

      Da Joe nicht weiter untätig herumsitzen mochte, stand er auf, nahm zwei seiner Koffer und wollte sie in sein Zimmer bringen, doch ein seltsames Piepsen des Computers ließ ihn sein Gepäck wieder abstellen und zu seinem Schreibtisch gehen.

      „Was war das?“, fragte Lora, die immer noch mit vollem Mund aus der Küche herbeigeeilt kam.

      „Eine Message.“, sagte Joe, ohne seine Augen vom Text auf dem Monitor abzuwenden.

      „Von wem?“, fragte Oulax, der auch bereits neben Joe stand.

      „Von ’Future World’, so einem Laden für Elektronikteile. Die denken, dass ein Angestellter Ware aus dem Lager klaut und sie dann unter der Hand verkauft. Wir sollen mal vorbeikommen und sehen, ob wir das Lager irgendwie überwachen können.“ Joe blickte auf und drehte sich mit strahlendem Gesicht zu Lora und Oulax um: „Ein neuer Auftrag!“

      „Mensch Joe, die Idee mit der Detektei war wohl eine echte Marktlücke. Spitze!“ Lora umarmte Joe, konnte sich dabei aber nicht verkneifen, noch einmal und direkt neben Joes Ohr von ihrem Sandwich abzubeißen, das sie die ganze Zeit versteckt in der Hand gehalten hatte.

      Das Knacken der harten Insektenpanzer jagte Joe einen Schauer durch den Körper bis hinein in die Zahnwurzeln, so dass er entsetzt zurücksprang: „Oh Mann, muss das sein? Wie ekelig!“ Lora lachte so sehr, dass sie ihm gar nicht antworten konnte und selbst über Oulax‘ Gesicht huschte ein kurzes Lächeln.

      „Ich gehe mal zu dem Laden und schaue, was ich da tun kann. Ich weiß, wo der ist.“, sagte Oulax und machte sich auf den Weg.

      „Sorry, aber das war einfach zu verlockend!“, sagte Lora, die endlich wieder sprechen konnte: „Nimm es mir bitte nicht übel.“

      „Schon OK! Aber bitte mach das nicht wieder!“

      „Werde es versuchen. Aber jetzt lass uns hier mal richtig aufräumen! Das soll doch ein schönes Büro werden, oder?“

      Während der nächsten zwei Wochen hielt der Detektivalltag Einzug in das Leben von Lora, Joe, Oliver und Oulax. Die Vier beschatteten den Hauquriten, der eigentlich den lieben langen Tag nichts Besonderes tat. Er saß in Cafés und Bars herum, trank Unmengen Espresso, las ab und zu in einer Sport-Zeitschrift, wobei er immer die echte Druckausgabe bevorzugte, anstatt ein Readboard zu benutzen. Die Nächte verbrachte er in einer Schlafröhre im Stationshotel, die er sich fest angemietet hatte. Oulax hatte es inzwischen geschafft, die Röhre mit einem Temperatursensor, einem Mikrofon und einem Bewegungsmelder versteckt zu überwachen. So war es möglich, die Observierung nachts vom Computer aus durchzuführen, oder besser gesagt: Der Computer überwachte Alles und gab Alarm, sobald sich etwas rührte. Der Hauqurit hatte im Hotel unter dem Namen „Rettam Tnseod“, also „Doesn‘t Matter“ rückwärts, eingecheckt und eine nicht existierende Adresse auf Hauquri, seiner Heimatwelt angegeben. Laut Hotelcomputer arbeitete der Mann als Raumschiffhändler, war aber mit einem normalen Transporter von der Oberfläche eingetroffen. Viel mehr war nicht über ihn herauszufinden, nur dass Frau Jones die Wahrheit gesagt hatte: Er kam jeden Tag genau zwei Mal in ihren Laden, sah sich um und ging dann, ohne etwas zu kaufen, wieder hinaus, um sich erneut seiner offensichtlichen Koffeinsucht hinzugeben.

      Im Büro hatte sich hingegen einiges geändert: Es gab inzwischen Farbe an den Wänden, Teppiche, helleres Licht und es lag nichts mehr auf dem Boden herum. Auch ein paar neue Kunden hatten den Weg hinunter in den alten Lagertrakt gefunden: Da war ein Barbesitzer, der vermutete, dass ein Angestellter illegal Schnaps brannte, womit er Recht hatte. Dann war da noch eine fast achtzigjährige Ladenbesitzerin, die vermutete, dass ihr fünfundzwanzigjähriger Mann sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hatte und sich hinter ihrem Rücken mit jüngeren Damen vergnügte, womit auch sie Recht hatte. Und da war noch ein junger Mann, dessen seltene Eidechse aus ihrem Terrarium ausgebrochen war und die Station unsicher machte. Da das Tier aufgrund seiner extremen Giftigkeit nicht zum Verzehr geeignet war, wurde Lora mit der Aufgabe betraut, die Eidechse wiederzufinden und bereits nach ein paar Stunden hatte Sie Erfolg: Lora fand sie in der Stationsküche für das Raumschiff-Catering. Das seltene Reptil hatte dort den Hygiene-Inspektor bei dessen Routinekontrolle in den Fuß gebissen. Aber bereits drei Tage später konnte er die Krankenstation wieder verlassen, auch wenn ihm das Laufen noch etwas schwerfiel.

      Joe saß allein vor seinem Computer und kontrollierte die Abfluglisten der letzten zwei Tage, denn die fünfzehnjährige Tochter des Stationschefingenieurs war verschwunden. Da dies aber mit erstaunlicher Regelmäßigkeit alle drei Tage passierte, ging Joe nach der Standard-Prozedur vor: Erst einmal sehen, ob sie die Station auf regulärem Weg verlassen hatte. Oulax überprüfte derweil beim Stationslotsen die Abflüge aller sogenannten Systemschiffe, also Wachschiffe, Reparaturschiffe, Ersatzgleiter, und so weiter. Dabei war er schnell fündig geworden und kam zurück ins Büro.

      Joe sah nur kurz vom Computer auf: „Und? Wie lief es?“

      „Die Kleine hat letzte Nacht wieder ein Reparaturschiff geklaut. Wie sie es jedes Mal schafft, den Sicherheitscode zu knacken, weiß ich noch nicht. So leicht ist das nämlich gar nicht. Und flieg mal so ein Schiff mit nur fünfzehn Jahren. Vielleicht sollten wir sie einstellen?!“

      „Und wo ist sie hingeflogen?“

      „Wahrscheinlich in irgendeinen Tanzschuppen. Und da wird sie wieder einmal abgestürzt sein. Passiert ja nicht zum ersten Mal.“

      „Na und jetzt?“, fragte Joe weiter.

      „Jetzt klinke ich mich mal in die Raumverkehrs-Kontrolle ein und versuche den Bordcomputer des Schiffs zu kontaktieren und dann sehen wir weiter.“

      Oulax setzte sich an sein Computerterminal und begann zu tippen. Es herrschte Stille. Nur das leise Aufschlagen von Oulax‘ Fingern auf die projizierte Konsole war zu hören. Doch es war laut genug, um Joes Neugier zu wecken: Er stand auf, stellte sich neben Oulax und beobachtete dessen Kunst des Eindringens in gesicherte Computersysteme.

      Auf dem Display öffneten sich blitzartig Fenster, um sich kurz darauf wieder zu schließen. Passworteingaben wurden gejagt von Meldungen unzähliger Entschlüsselungsprogramme, die im Hintergrund abliefen. Joe konnte nur verzückt, aber gleichzeitig auch beängstigt staunend, die Augenbrauen hochziehen.

      Plötzlich erschien eine Karte von Gesius auf dem Display und ganz im Süden blinkte ein roter Punkt.

      „Ich hab’s“ meldete Oulax: „Ich fliege dann mal los und hol sie ab.“ Oulax stand auf und ging zur Tür.

      „Warte