Thomas Manderley

Die Sternenschnüffler


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wahrscheinlich ein Überdruckgitter, weil der Raum hier evakuiert wird. Das kann man nicht einfach herausheben.“

      „Scheiße!“

      „Ja, genau: Scheiße!“ Oliver und Lora sahen sich an.

      „Und jetzt?“, fragte Lora.

      „Wir müssen von der Station runter, sonst finden die uns irgendwann, ist nur eine Frage der Zeit.“

      „Du hast Dich doch auch in der Lüftung versteckt, als Du hier ankamst. Wie bist Du denn da hineingekommen? Auch über die Toilette?“

      „Nein, über eine Frachtschleuse in einen Lagerraum vom Stationszoll und dann durch ein kaputtes Gitter in die Lüftung. Aber Moment, da fällt mir was ein: So ein Gitter muss doch auch mal repariert werden. Man muss es doch von unten ausbauen können!“

      „Ja, sicher!“, sagte Lora: „Also machen wir das Ding kaputt und dann kommt einer zum Reparieren, baut es aus, Du schlägst ihn nieder und wir schnappen uns das Schiff.“

      „So weit so gut, aber wie kriegen wir das Ding hier kaputt? Wir brauchen etwas massives!“

      „Oder wir verbiegen einfach die Stäbe. Vielleicht merkt das Ding das irgendwie und meldet eine Störung.“ Lora hob beide Arme, soweit es im engen Luftschacht möglich war, ballte beide Fäuste zusammen und wollte gerade mit voller Kraft von oben auf die Stäbe schlagen, doch Oliver hielt im letzten Moment ihre Hände fest.

      „Bist Du irre? Das macht doch Krach. Und außerdem hast Du hinterher zwei gebrochene Handgelenke.“

      „OK, Schlaumeier. Dann versuch Du es mal geräuschlos!“

      Oliver erwiderte nichts, sondern drehte sich trotz der beengten Verhältnisse um, klemmte seine Schuhspitze zwischen die Gitterstäbe und versuchte diese zu verbiegen.

      Widererwarten schaffte er es recht schnell und einer der Stäbe brach an einer Seite aus seiner Verankerung.

      „Siehst Du: So einfach geht das!“, sagte Oliver mit triumphierender Stimme.

      Dann ging der Alarm los, laut und heulend, begleitet von einer roten, rotierenden Warnlampe genau unter dem Luftschacht. Gleichzeitig schoben sich zwei Sicherheitswände links und rechts, nur ein paar Meter von Lora und Oliver entfernt mit lautem Krachen in den Luftschacht hinein.

      „Scheiße!“, sagte Lora leise, während sich ihre Hautfarbe wieder mehr einer Zitrone annäherte: „Und was machen wir jetzt?“

      „Warten.“, antwortete Oliver: „Warten bis die Stationssicherheit kommt und uns festnimmt. Du hattest Recht: Das Ding hat eine Störung gemeldet, allerdings zusammen mit einem Einbruch.“

      „Aber wir müssen doch etwas tun können?“, rief Lora und in ihrer Stimme war die nackte Angst zu hören.

      „Nur warten auf den Knast. Bei Dir Frauenknast, bei mir Militärknast, nehme ich an.“

      „Zumindest besser, als erschossen zu werden.“, fügte Lora mit gesenktem Blick hinzu. Dann kehrte Stille ein. Lora und Oliver schwiegen einander an. Keiner von ihnen konnte ein Wort sprechen. Nur der fortwährend heulende Alarm dröhnte in ihren Ohren. Jeden Moment musste die Stationssicherheit oder das Militär hereinstürmen, aber niemand kam. Lora hielt sich die Augen zu und atmete tief ein und aus. Aber die grell tönende Sirene und die rotierende Alarmlampe, die unaufhörlich durch die Gitterstäbe hindurch Loras und Olivers Gesichter in gleißendes Rot tauchte, ließen sich auf diese Weise auch nicht vertreiben.

      Plötzlich stoppte die Sirene und auch das Alarmlicht erlosch. Lora nahm erstaunt die Hände von den Augen und sah mit angehaltenem Atem durch das Gitter hindurch nach unten. Ein lautes Zischen verriet, dass die Tür zur Schleuse geöffnet wurde und auch Schritte waren zu hören, schwere Schritte. Eine große, kräftige Person musste den Raum betreten haben, allerdings nur eine einzige.

      Zu Loras und Olivers Überraschung trat Oulax unter das Lüftungsgitter. Er stellte seinen riesigen Werkzeugkasten neben sich ab, holte eine kleine Lampe heraus und leuchtete von unten in die Verschlussmechanik.

      „Oulax! Oulax, wir sind es!“, rief Lora mit zurückhaltender Stimme, wobei ihre gelbe Gesichtsfarbe langsam wieder dem gewohnten Lindgrün wich.

      Oulax ließ vor Schreck seine Lampe fallen.

      „Psst, leise! Es ist alles OK, lass uns nur hier raus.“, sagte Oliver hörbar erleichtert.

      Oulax drehte sich zur Tür und rief: „Ja, ja, wieder einmal der übliche Fehler im Gittersensor. Ich bring das in Ordnung.“ Von draußen kam nur ein dumpfes: „OK“ zurück. Oulax ging schnell zum Eingang, schloss die Tür und nahm dann ein Werkzeug aus seinem Kasten, das wie eine Art verstellbarer Schraubendreher aussah. Er öffnete das Gitter und half Lora und Oliver aus dem Lüftungsrohr.

      „Jetzt hol ich Dich schon zum zweiten Mal aus einem Luftschacht. Du liebst die Dinger, oder?“, sagte Oulax in Richtung Oliver, doch dann bemerkte er die Brandlöcher an Loras und Olivers Hosen.

      „Was ist Euch denn passiert? Wart Ihr etwa in diese Schießerei auf dem Commercial-Deck geraten?“

      „Keine Ahnung wie, aber das Militär hat mich gefunden!“

      „Unmöglich!“, entgegnete Oulax in seiner ruhigen, entspannten Art, die aber nur wenig über seinen wirklichen Gemütszustand aussagte: „Absolut unmöglich! Im Zentralregister des Militärs habe ich Dich eigenhändig für tot erklärt. Du bist da nur noch als Ex-Soldat verzeichnet. Und hier im Stationscomputer habe ich Dich als Makler eingetragen. Die können Dich gar nicht gefunden haben!“

      „Und wie erklärst Du Dir, dass ein paar Verrückte unseren Hauquriten erschossen haben und gleich danach uns umbringen wollten und das mit einer Kanone, damit knallst Du ein Frachtschiff ab. Und weil es so schön ist, mitten auf dem Aussichtsdeck und dann noch einmal auf dem Commercial-Deck, wo es eine Massenpanik gab. Das hast Du wohl mitbekommen. Ich hoffe nur, es ist niemand getroffen worden.“ Oliver wollte lauter werden, blieb aber beim Flüsterton.

      „Hab‘ ich mitgekriegt, aber nur vom Stationslotsen über Funk. Ich bin gerade erst von der Oberfläche zurückgekommen und dann hat man mich direkt hierher gerufen. Und woher habt Ihr die Verbrennungen an den Knien?“

      „Wir waren in dem Lüftungsrohr und die Typen haben von unten drauf geschossen. Die Energie ist absorbiert worden, aber heiß wird es dennoch.“, sagte Lora.

      „Ihr habt echt Glück gehabt! Gott sei Dank geht es Euch gut. Ich nehme an, Ihr wolltet das Schiff hier nehmen und von der Station verschwinden.“

      „Ja genau!“, sagten Lora und Oliver fast gleichzeitig.

      „Gute Idee. Also los rein, mit Euch in die Kiste. Aber Oliver, Du musst vorher noch was erledigen.“

      „Was denn? Und wieso eigentlich ‚Ihr’? Lora kann doch hierbleiben, oder?“

      „Nein. Jemand muss sich um Dich kümmern. Außerdem ist Lora eine Zeugin. Die Typen werden sie jetzt genauso jagen wie Dich.“

      Oliver seufzte: „Stimmt! Lora es tut mir so leid!“

      „Schon OK, ich würde Dich jetzt so wie so nicht allein fliegen lassen!“

      „Du musst die Lampe hier nehmen.“, fuhr Oulax unbeirrt fort und holte eine große, schwere Stablampe aus seinem Werkzeug: „Ich gehe zur Tür, Du schlägst mir von hinten eine über den Schädel und schubst mich raus auf den Gang. Dann steigst Du ein und startest, OK?“

      „Ist das Dein Ernst?“

      „Ja klar, es muss doch echt aussehen. Ich kann ja nicht rausgehen und erzählen, dass zwei Leute einfach so das Schiff geklaut haben. Es muss nach Überfall aussehen. So kann ich mich da raushalten und versuchen herauszufinden, wie wir das Problem mit dem Militär oder mit wem auch immer lösen können.“

      „OK“ sagte Lora: „Und wohin fliegen wir am besten?“

      „Zur Station ‚Interspace fünf‘. Das ist ein Mafia-Laden, eine Schmuggler-Station,