Erik Schreiber

Wiesbaden


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als die Muthigen, eine Etymologie, die sich würdig den anderen von ihm p. 233 vorgetragenen anschliesst, wonach z. B. Chatten = die Guten, Ubier = die Obigen, d. h. hoch wohnenden, die Usipeter = Wiesenspether, von Wiese und Spad, mit welchem sie sich auf ihren Auen nährten, die Schwaben = Sauländer, von Suevia, Sauland, weil es in Schwaben viele Mästung oder Eicheln und daher viele Säue gebe.) zusammen; die erste Behauptung stützt sich auf die zweite sowie darauf, dass im batavischen Freiheitskriege die Mattiaker sofort an der Seite der Chatten einen Ueberfall der Stadt Mainz versuchen, beides durchaus, nicht zwingende Beweise; denn eine gemeinsame Erhebung gegen die Römerherrschaft setzt nicht auch Stammesverwandtschaft voraus, ebensowenig als die scheinbare Namensähnlichkeit, obgleich es etwas Bestechendes hat, die Gleichheit in Namen auf Verwandtschaft zurückzuführen. Die Zusammengehörigkeit von Chatten und Mattiakern bleibt daher nur eine annehmbare Vermuthung. Die Chatten hatten sich Anfangs der römischen Nachbarschaft nicht feindlich erwiesen, zogen es aber, als der Römer Absichten deutlicher hervortraten und Drusus die Burg auf dem Taunus anlegte, im Jahre 9 v. Chr. vor, ihre heimischen Sitze am Taunus zu verlassen und sich zu ihren Stammesgenossen im heutigen Hessen zurückzuziehen. (Dio Cass. 54. 36) Es können nun recht wohl manche Gemeinden oder Familien ganz oder zum Theil zurückgeblieben und andere zu ihnen übergesiedelt sein. Dies rechtfertigt aber noch nicht die Herleitung des Namens der Mattiaci von Mattium. Ziehen wir die sonstigen zahlreichen celtischen Ortsnamen am Mittelrhein in Betracht, so hat es nichts Auffallendes, wenn Mattiacum wie das benachbarte Mogontiacum celtischen Ursprungs ist, zumal die Bildung des Wortes aus dem sonst nicht viel verwendeten Worte Matte (adh. der mato, gen. matawes) auf grosse Schwierigkeiten stösst. Wir werden daher Mattiacum nicht als dasselbe wie „Wiesbad“ aussagend ansehen dürfen. (Wie Rossel, Stadtwappen p. 56 Anm. thut.) Die Römer fanden den celtischen Namen des Ortes Mattiacum vor und benannten die Bewohner der ganzen civitas, die sie errichteten, wie die civitas Taunensium, Mogontiacensium, Sumelocennensium und Ulpia Trajana (S. Brambach, Inscr. Rhen, im Index.) u. a. nach einer Oertlichkeit. Den Deutschen blieb das Wort fremdartig und so erklärt sich, dass es erst mit der Befestigung der Fremdherrschaft aufkommt und mit deren Authören spurlos verschwindet. Der Name Mattiacum ist daher weder durch Zusammensetzung von zwei deutschen Wörtern, Matte und aha, Wasser, noch durch die sonderbare Ableitung von einem deutschen Stamme vermittelst einer celtischen oder gar griechischen Endung entstanden, sondern ein celtisches Wort mit der Endung iac oder ac, die an den celtischen Personennamen Matto angefügt wurde, wie aus dem Namen Mongontius (abgeleitet vom Namen des Gottes Mogon) oder Mogon selbst auf eben dieselbe Weise Mogontiacum, aus Nemet Nemetacum entstand. (S. Zeuss, Gramm, celt. p. 173 u. 772. Matto kommt auf Inschriften mehrfach vor. Obermüller in dem celtischen Wörterbuch II, p. 307, erklärt das Wort Mattiaci weniger ansprechend aus mattach Ackerland als „Ackerleute“.)

      § 3.

      RÖMER.

      Wann die Römer zuerst unseren Boden betraten, ist genauer nachzuweisen nicht möglich, doch ist nicht unwahrscheinlich, dass es jedenfalls bald nach den ersten Versuchen diesseits des Rheines festen Fuss zu fassen geschah, ja es kann die Kunde von den warmen Quellen, die sie sicherlich in Mainz vernahmen, sie sofort veranlasst haben, da sie Freunde warmer Bäder waren, die ungefährdete Benutzung derselben durch eine militärische Niederlassung zu sichern, indem sie auf dem Ende einer in das Thal vorspringenden Bergzunge, gerade über den Quellen, auf dem sog. Heidenberge, ein Castell anlegten, das die aus dem Gebirge führenden Thalgründe beherrschte und einen Ueberfall der Badeanstalt verhindern sollte. (Becker, Ann. VII, 1. p. 74 u. 75.) Und da Mainz unstreitig zu den fünfzig Castellen gehörte, welche Drusus am Rheine errichtet haben soll, so könnte schon während dessen vierjähriger Wirksamkeit am Rheine, wie auf dem Taunus bei Homburg die Saalburg, so auch in Wiesbaden, das Castell Mattiacum angelegt worden sein. Die folgende Betrachtung der Besatzungsgeschichte wird diese Vermuthung als möglich erweisen, wenn auch die andere Möglichkeit offen bleibt, dass die Anlage des Castells einige Jahre später erfolgt sei.

      Erst in Folge dieser Benutzung der warmen Quellen Wiesbadens und der Errichtung der Militärstation durch die Römer erhellt sich einigermassen das Dunkel, welches bis dahin über unserer Ortsgeschichte ruhete, und zwar sind es vornehmlich die zahlreichen Reste römischer Anlagen, Denkmäler und Inschriften, deren Auffindung nun einiges Licht verbreitet hat. Es blieb unserem Jahrhundert vorbehalten, nachdem früher zufällige und vereinzelte Spuren römischen Lebens waren bemerkt worden, durch planmässige Ausgrabungen und unausgesetzte Aufmerksamkeit bei Neubauten unsere Kenntniss der alten Oertlichkeit bis zu einem gewissen Abschlüsse zu bringen, namentlich seitdem der Verein für Alterthumskunde und Geschichtsforschung den Mittelpunkt für diese antiquarischen Studien abgab und im Museum die gefundenen Schätze auf eine würdige Weise zusammengestellt wurden. Ueber die Gründer und die Gründung des Vereins im Jahre 182 1 sowie über seine nun mehr als fünfzigjährige Thätigkeit handelt der elfte Band der Annalen.

      § 4.

      BESATZUNGSGESCHICHTE.

      Um Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung zu gewinnen, betrachten wir zuerst die Besatzungsgeschichte des Castells, wie sie durch inschriftliche Zeugnisse auf Grabsteinen und durch Legionsstempel auf Ziegeln festgestellt ist. Danach haben für längere oder kürzere Zeit die Besatzung des Castells gebildet:

      1. die Legio I Adjutrix;

      2. die Legio VIII Augusta;

      3. die Legio XIIII Gemina Martia Victrix;

      4. die Legio XXI Rapax;

      5. die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis.

      Zweifelhaft bleibt, ob wir auch hierher rechnen dürfen

      6. die Legio IUI Macedonica;

      7. die Legio XI Claudia Pia Fidelis.

      Ferner folgende Auxiliarmiliz

      a) Reiter:

      1. Ala Flavia I Gemina;

      2. Ala Scubulorum.

      b) Cohorten:

      1. Coh. II Raetorum Civium Romanorum;

      2. Coh. I Pannoniorum;

      3. Coh. IUI Thracum;

      4. Coh. III Delmatarum Pia Fidelis; (Auf einem Grabsteine und dem Militärdiplom des Kaisers Trajan steht Delm., auf den Ziegeln Dahn. Rossel in den Ann. V, 1. p. 11. Vgl. die Abbildung Taf. III. Ann. IV. 3. p. 37 u. 64. Rossel bezeichnet sie als peditata; nach genauerer Untersuchung zeigt das Diplom nicht die Buchstaben P E, sondern PF, wonach unsere Cohorte wie sonst die Beinamen Pia Fidelis führte. Mommsen im Corp. Inscr. Lat. III. p. 870 u. 868.)

      5. Coh. V Delmatarum;

      6. Coh. IUI Vindelicorum.

      Wahrscheinlich haben ausser diesen auch noch andere Cohorten in Mainz gelegen und können also auch zeitweilig einen Theil unserer Besatzung ausgemacht haben, (Vgl. die Berechnung von Rossel in den Annal. V, 1 . p. 64 und Mommsen -1. c.) doch lässt sich mit Sicherheit darüber nichts bestimmen. Auch die Geschichte der einzelnen Alen und Auxiliarcohorten ist nicht so aufgeklärt als die der einzelnen Legionen; so wissen wir z. B. nur, dass die Ala I Flavia gem. schon im Jahre 74 in Germanien stand , ebenso die Ala Scubulorum; von den Cohorten haben gleichfalls im Jahre 74 die fünfte der Delmater und vierte der Vindelicier ihr Standlager am Rheine gehabt, von der dritten der Delmater ist es wahrscheinlich, weil sich so viele Ziegel von ihr in unserem Castelle fanden, so dass sie an seiner Herstellung nach dem Bataverkrieg mitgearbeitet haben wird ; doch kann ihre Bauthätigkeit auch später fallen sie erscheint aber auf einer datirten Inschrift erst im Jahre 116, wie auch die zweite der Raetier, welche noch acht Jahre vorher und später, im Jahre 166, in Raetien angetroffen wird. (S. Mommsen C. I. R. III, im Index und dazu in der Ephem. epigr. II, p. 460. 462.) Genauer sind wir über die Legionen unterrichtet; wir betrachten zuerst die Gründerin des Castells und die, welche es am längsten inne hatte, die Legio XIIII und XXII.

      1. Die Legio XIIII hatte unter Drusus (12 —9 v. Chr.) das Castell zu Mainz erbaut und bildete einen Theil der Streitmacht des Germanicus (14—16 n. Chr.); sie führt auf ihren Ziegeln oftmals keinen Beinamen, nennt sich aber meist Gemina, die gedoppelte, von ihrer Zusammensetzung; ob dieser Zusatz auch auf eine spätere Zeit hinweist, ist nicht ausgemacht; unter