Erik Schreiber

Wiesbaden


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mit und ohne Gemina durch mehrere Legionsstempel auf Ziegeln vertreten. Unter Claudius — etwa 43 n. Chr. — wurde sie nach Britannien beordert und nahm Theil an den Kämpfen vom Jahre 61; bald darauf erscheint sie mit den Beinamen Martia Victrix, nachweislich zuerst 66 n. Chr., so dass man mit Recht annimmt, sie habe in jenen Kämpfen durch ihre Tapferkeit sich dieselben veidient, zumal Tacitus ihre Soldaten als domitores Britanniae und praecipui fama rebellione Britanniae compressa nennt. (Hist. V, 16; II, 11.) Wir sind daher berechtigt, wenn sie uns ohne jene Beinamen, auf die sie stolz war und die sie ihren Stempeln zuzufügen nicht gern unterlassen mochte, am Rheine entgegentritt, auf eine Zeit vor diesem Jahre, also überhaupt vor ihrem Abmarsch nach Britannien zu schliessen. Nun fanden sich, wie oben bemerkt, mehrere Ziegel ohne jene ehrenvolle Bezeichnung auch in dem Castell zu Wiesbaden, und da die anderen oben genannten Legionen sämmtlich erst nach dem Abgang der vierzehnten an den Mittelrhein beordert wurden, so folgt daraus, dass die erste Anlage des Castells vor das Jahr 43 n. Chr., ja noch mehr, wenn das Fehlen des Beinamens Gemina ein Zeichen früherer Zeit ist, in die erste Zeit der römischen Invasion, also unter die Regierung des Augustus und wohl vor das Jahr 9 n. Chr., d. h. die Teutoburger Schlacht angesetzt werden und durch diese vierzehnte Legion erfolgt sein muss. Damit stimmt zusammen, dass die Zahl ihrer Ziegel dahier im Verhältnisse zu denen der anderen Legionen mit Ausnahme der Leg. XXII besonders gross ist. Es rinden sich aber auch solche mit dem Zusatz Martia Victrix. Der Kaiser Nero hatte nämlich die Legion zum parthischen Kriege beordert, aber in den Wirren, die auf seinen Tod folgten, erhielt sie Gegenbefehl, nahm an den Kämpfen in Italien Theil und wurde dann nach Britannien zurückgeschickt.

      Da brach der batavische Krieg aus (69 n. Chr.), zu dessen Bewältigung zahlreiche Truppen an dem Rheine nothwendig waren; auch unsere vierzehnte Legion erhielt Befehl, dahin abzugehen. Nach Beendigung des Krieges blieb sie noch einige Zeit am Mittelrhein mit dem Standquartier Mainz und muss in diesen Jahren auch die Besatzung unseres Castells gebildet haben; daher jene Stempel mit dem vollen Namen Gemina Martia Victrix. Doch blieb sie nicht lange; schon vor Trajan, der sie auch im dacischen Kriege verwendete, vielleicht schon vor Nerva (96), verliess sie den Mittelrhein, um nie wieder dahin zurückzukehren; sie erhielt nach dem dacischen Kriege ihr Standquartier in Pannonien zwischen Drau und Donau, wo sie noch im Jahre 211 lag und zahlreiche Inschriften hinterlassen hat.

      2. Die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis, die ursprüngliche, fromme, treue, kann als die eigentliche Nachfolgerin der vierzehnten Legion im Besitze unseres Castells angesehen werden. Von Claudius wahrscheinlich durch Theilung der älteren Leg. XXII errichtet, erhielt sie sofort ihr Standlager am Rheine und verblieb daselbst, mit Ausnahme einer Abtheilung, welche den Kaiser Vitellius nach Italien begleitete und dort aufgerieben wurde, fast ununterbrochen in Mainz nur von dem Jahre 104 — 120 lag sie in Untergermanien. Zeugnisse ihrer Anwesenheit auch in Wiesbaden sind die zahlreichen Stempel mit ihrem Namen, zum Theil mit, zum Theil ohne die Beinamen Pia Fidelis; sie scheint dieselben also erst später erhalten zu haben, doch ist diese Zeit zu bestimmen nicht möglich.

      Die nun folgenden drei Legionen haben nur kürzere Zeit am Mittelrhein gestanden und geringere Spuren ihrer Anwesenheit im Castell oder der Stadt hinterlassen.

      3. Die Legio I Adjutrix hatte in Spanien gestanden, dann an den Kämpfen in Italien im Jahre 68 Theil genommen und endlich den batavischen Aufstand bewältigen helfen; etwa unter Nerva erscheint sie am Oberrhein, erhielt aber nachher ihr bleibendes Standlager in Pannonien. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden fällt also um die Wende des Jahrhunderts.

      4. Die Legio VIII Augusta war von Augustus errichtet, lag bis zum Jahre 68 in Pannonien, dann wurde sie ebenfalls in den Kämpfen in Italien und gegen die Bataver verwendet und verblieb darauf in Obergermanien; ihre Anwesenheit am Mittelrhein fällt in die Jahre unmittelbar nach dem batavischen Freiheitskriege, war aber nicht lange dauernd. Sie hatte nachher lange in Strassburg ihr Standquartier.

      5. Auch die Legio XXI Rapax, die nach der Niederlage des Varus wieder hergestellt worden war und dann in Niedergermanien lag, scheint nur kurze Zeit, und zwar um das Ende der Regierung des Nero in Obergermanien zugebracht zu haben. Sie ging wahrscheinlich unter Domitian ganz zu Grunde.

      Noch dürftiger und darum unsicherer sind die Spuren der zwei noch übrigen Legionen.

      6. Die Legio IUI Macedonica erhielt durch Claudius die Aufgabe, statt der nach Britannien beorderten Legionen den Rhein zu schützen; sie lag in Mainz, nahm aber dann an den Kämpfen nach Nero's Tode sowie an dem batavischen Kriege Theil und wurde in diesen Kriegen aufgerieben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist zweifelhaft.

      7. Die Legio XI Claudia Pia Fidelis endlich war von Vespasian ebenfalls in dem batavischen Kriege verwendet worden und verblieb von da an in Obergermanien mit dem Lagerplatz Vindonissa. Sie kann nur kurze Zeit nach dem batavischen Aufstande am Mittelrhein gestanden haben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist eine Vermuthung von Becker, (Ann. VII, 1. p. 295. S. § 10, a No. 13.) welcher die fehlenden Buchstaben einer im Jahre 1862 in der oberen Rheinstrasse gefundenen Inschrift durch (Leg.) XI C. P. F. am leichtesten ergänzen zu dürfen glaubt.

      Das Resultat dieser Betrachtung ist also, dass das Castell zu Mattiacum von der Legio XIIII Gemina zwischen den Jahren 12 v. Chr. bis 43 n. Chr., wahrscheinlich aber unter Augustus erbaut, vom Jahre 43 an bis 120 von verschiedenen Legionen vorübergehend besetzt, sodann aber von der Legio XXII Primi genia Pia Fidelis bis zu Ende der Römerherrschaft behauptet worden ist. (Vgl. Grotefend in Paulys Realencyklop. s. v. Legionen; Klein, die Legionen in Obergermanien ; Rossel , Ann. V, I Brambach, Inscr. Rhen. p. IX; Mommsen, C. J. L. III. p. 416. 482. Ueber die Spuren der Leg. IUI s. Ann. IV, 3. p. 53.)

      § 5.

      DAS CASTELL.

      a. Anlage und Zweck.

      Wenn auch ausser Zweifel ist, dass die erste Anlage des Castells durch die vierzehnte Legion erfolgte, und zwar vielleicht schon unter Augustus, so ist damit nicht behauptet, dass es nicht in etwas späterer Zeit einen Umbau oder Neubau erfahren habe. Es ist sogar wahrscheinlich, „dass die erste Anlage sich gegenüber den stürmischen Angriffen der Deutschen im batavischen Freiheitskriege nicht ausreichend erwies und eine neue, wohl auch solidere Befestigung unter den nachfolgenden Kaisern, besonders zur Zeit der Revision und Renovirung des Pfahlgrabens unter Domitian vorgenommen wurde. Dieselbe könnte dann auch wieder von der Stifterin, der Legio XIIII Gem., jetzt Martia Victrix, ausgeführt worden sein, denn von ihr haben sich aus der genannten Zeit in dem Bereiche des Castells mehrere Ziegel erhalten; doch müssen auch andere Legionen dabei thätig gewesen sein; abgesehen von der Legio XXII, deren Ziegel sich auf ihren mehr als zweihundertjährigen Aufenthalt am Rheine vertheilen — es sind von ihr sechzehn im Castell gefunden worden — waren vor zwanzig Jahren nach Rossel (Ann. V, I. p. 55.) ebenfalls im Bereich des Castells gefunden: fünf Ziegel mit dem Stempel Legio XIIII, neun mit Leg. XIIII Gem., drei mit Leg. Gem. Mart. Vict., unbestimmte vier; von der Leg. VIII ein Stempel und von der Leg. I Adj. zwei Stempel; dazu traten in den folgenden Jahren noch ein Stempel mit der Bezeichnung Leg. XIIII Gem. und ein zweiter mit Leg. XIIII Gem. Mart., (Per. Bl. 1860, No. 13. p. 363. Der Stein ist sehr ausgetreten.) bei welchem die Buchstaben Vict. fehlten; ein dritter zeigte den Stempel der Leg. I Adj. („Auf dem Heidenberg gefunden“. Mitth. 1865, No. 4. p. 15.) Danach ist die vierzehnte Legion für ihren zweiten Aufenthalt dahier mit mindestens vier, vielleicht sechs Ziegeln vertreten, was zwar hinter den vierzehn bis sechzehn Ziegeln der ersten Anwesenheit zurückbleibt, aber doch eine der Kürze der Zeit etwa entsprechende Thätigkeit bekundet.

      Von den Auxiliartruppen haben sich besonders viele Ziegel der dritten Cohorte der Delmater im Castell gefunden, (Zwanzig nach Rossel in den Ann. V, I. p. 56.) einer der Vindelicier.

      Auch der Zweck des Lagers erweiterte sich, wenn es in dieser Gestalt nicht schon von Anfang an ins Auge gefasst war; aus einer Station zum Schutze der Bäder, wie wir oben annahmen, wurde es seit der Errichtung des Pfahlgrabens auf dem Taunus, die wahrscheinlich unter Domitian (Marquardt, Röm. Staatsverwaltung I, p. 124. Tac. Germ. 29.) erfolgte, eine wichtige Zwischenstation zwischen dem Hauptorte am Mittelrhein, wo das Hauptstandquartier der Legionen war und von wo aus die Grenzstationen besetzt wurden, und eben diesen Grenzstationen an dem Grenzwall, mit beiden durch Strassenzüge verbunden, und gewährte so auch den zahlreichen, an dem Abhänge des Gebirges liegenden römischen Niederlassungen, die wir weiter unten vorführen