Margaret Mitchell

Vom Winde verweht


Скачать книгу

noch mal, sind Sie nicht eher zu mir gekommen?«

      Sein Polterton war zu gut bekannt, als daß ihn jemand übelgenommen hätte. Die jungen Leute lächelten nur betreten und antworteten: »Ach, Mr. 0'Hara, es war mir peinlich, Ihnen damit zu kommen, und mein Vater ...«

      »Ihr Vater ist unleugbar ein guter Mann, aber strenge. Darum nehmen Sie dies hier, und damit ist die Sache erledigt.«

      Die Damen der Plantagenbesitzer kapitulierten zuletzt. Als aber Mrs. Wilkes, eine vornehme Dame mit einer ungewöhnlichen Gabe zu schweigen, wie Gerald sie schilderte, eines Abends, nachdem Geralds Pferd die Einfahrt hinausgetrappelt war, zu ihrem Manne sagte: »Er hat eine etwas rauhe Zunge, aber er ist ein Gentleman« - da war Gerald endgültig anerkannt. Daß er fast zehn Jahre dazu gebraucht hatte, ahnte er nicht. Von dem Augenblick an, da er Tara betreten, hatte er nie gezweifelt, daß er zur vornehmen Gesellschaft gehörte. Aber als er dreiundvierzig Jahre alt war, sehnig und strotzend von Gesundheit, daß er aussah wie ein Edelmann auf der Hetzjagd auf einem jener Farbstiche, wurde ihm klar, daß Tara, so lieb er es harte, und alle die Nachbarn mit ihren offenen Herzen und Häusern ihm nicht genügten. Er brauchte eine Frau.

      Tara verlangte gebieterisch nach einer Hausfrau. Die dicke Köchin, eine Schwarze vom Feld, die nur, weil irgend jemand die Küche versorgen mußte, zur Köchin befördert war, brachte das Essen nie zur rechten Zeit auf den Tisch, und das Hausmädchen, eine frühere Pflückerin, ließ den Staub sich auf den Möbeln häufen und hatte nie reine Wäsche zur Hand, so daß jedesmal, wenn Gäste kamen, alles drunter und drüber ging. Pork, der einzige ausgebildete farbige Bedienstete auf Tara, hatte die allgemeine Aufsicht über die anderen Dienstboten, aber selbst er war im Zusammenleben mit Gerald allmählich nachlässig geworden. Er hielt Geralds Schlafzimmer in 0rdnung und servierte mit Würde bei Tisch, aber sonst ließ er so ziemlich alles gehen, wie es wollte.

      Mit ihrem unfehlbaren afrikanischen Instinkt hatten die Farbige alle längst heraus, daß Gerald zu der Sorte von Hunden gehörte, die bellen und nicht beißen. Das nutzten sie schamlos aus. Fortwährend wurden zwar von Gerald schreckliche Drohungen, die Sklaven nach dem Süden zu verkaufen oder durchzupeitschen, ausgestoßen, aber noch nie war ein Sklave aus T ara verkauft worden, und gepeitscht wurde nur ein einziges Mal, weil Geralds Lieblingspferd nach einem langen Jagdtag nicht gepflegt worden war.

      Gerald sah mit seinen scharfen blauen Augen, wie gut bei seinen Nachbarn der Haushalt aufgezogen war und wie die Frauen mit dem glatten Haar und den rauschenden Seidenkleidern ihre Dienstboten zu regieren verstanden. Er wußte nicht, wie gehetzt diese Frauen von Sonnenaufgang bis Mitternacht waren, wie angekettet an ihre Pflicht, Küche, Kinderzimmer, Nähstube und Waschraum unter steter Aufsicht zu halten. Er sah nur das äußere Ergebnis, und das machte ihm Eindruck.

      Wie nötig er eine Frau hatte, wurde ihm eines Morgens klar, als er sich anzog, um zum Gerichtstag in die Stadt zu reiten. Pork hatte das gefältelte Hemd herausgesucht, aber es war von dem Mädchen so schlecht ausgebessert worden, das höchstens der Diener es noch tragen konnte.

      »Master Gerald«, sagte Pork und rollte das geschenkte Hemd mit Danksagungen zusammen, während Gerald vor Zorn kochte, »was Sie brauken, sein eine Frau und eine dicke Menge farbige Bedienstete.«

      Gerald schnauzte Pork wegen seiner Frechheit an, aber er wußte, daß er recht hatte. Eine Frau und Kinder wollte er haben, und wenn er sie sich nicht bald verschaffte, wurde es zu spät. Aber jede beliebige wollte er auch nicht heiraten, wie Mr. Calvert, der die Erzieherin seiner mutterlosen Kinder zur Frau genommen hatte. Seine Frau mußte eine Dame von Geblüt sein, mit so vornehmen Formen wie Mrs. Wilkes und der Fähigkeit, in Tara so gut zu wirtschaften wie Mrs. Wilkes auf Twelve 0aks.

      Aber aus zwei Gründen war es schwierig, in die großen Familien der Provinz hineinzuheiraten. Erstens herrschte Mangel an heiratsfähigen Töchtern, und der zweite, noch schwerer wiegende Grund war, daß Gerald trotz seines fast zehnjährigen Aufenthaltes in der Gegend immer noch als Eindringling galt. Von seiner Familie wußte niemand etwas. Wenn auch die Gesellschaft in 0ber-Georgia sich nicht so unbedingt absonderte wie die Aristokraten der Küste, so wollte doch keine Familie ihre Tochter einem Manne geben, über dessen Großvater nichts bekannt war. Gerald wußte sehr wohl, daß trotz aller echten Zuneigung kaum einer der Herren, mit denen er jagte, trank und politisierte, ihn zum Schwiegersohn haben wollte. Deshalb kam er sich aber durchaus nicht etwa geringer als seine Nachbarn vor. Es gab überhaupt nichts, das je in ihm das Gefühl irgendeiner Unterlegenheit hätte erwecken können. Für ihn war es nichts weiter als ein wunderlicher alter Brauch im Lande, daß die Töchter nur in Familien hineinheiraten durften, die länger als zwei Jahrzehnte in den Südstaaten gelebt hatten, Land und Sklaven besaßen und in all der Zeit keinen anderen als den gesellschaftlich anerkannten Lastern ergeben gewesen waren.

      »Pack ein, wir gehen nach Savannah«, sagte er zu Pork, »und wenn ich noch einmal >Halt's Maul< oder >Donnerkeil< von dir höre, dann verkaufe ich dich, denn solche Worte nehme selbst ich nur selten in den Mund.«

      Vielleicht wußten James und Andrew Rat. Sie hörten sich die Geschichte geduldig an, machten ihm aber wenig Hoffnung. Sie hatten keine Verwandten in Savannah, die ihnen behilflich sein könnten, denn sie waren beide schon als verheiratete Leute nach Amerika gekommen. Die Töchter ihrer alten Freunde aber waren längst Ehefrauen und hatten Hausstand und Kinder.

      »Du bist kein reicher Mann, und du stammst nicht aus einer großen Familie«, sagte James.

      »Ich habe mein Geld gemacht, da wird es mir auch mit der großen Familie gelingen. Ich heirate nicht die erste beste.«

      »Viel Glück«, bemerkte Andrew trocken.

      Doch sie taten für Gerald, was sie konnten. James und Andrew waren alt und angesehen in Savannah. Sie hatten viele Freunde, und einen Monat lang schleppten sie Gerald von Haus zu Haus, zum Abendessen, zum Ball, zum Picknick.

      »Nur eine einzige kommt in Frage«, sagte Gerald schließlich. »Und sie war noch nicht einmal geboren, als ich hier an Land ging.«

      »Und auf wen hast du dein Auge geworfen?«

      »Auf Miß Ellen Robillard.« Gerald versuchte, dies recht obenhin auszusprechen, denn Ellen Robillards ein klein wenig schräggeschnittene Augen hatten weit mehr als nur seine Blicke gefesselt. Trotz ihrer rätselhaft teilnahmslosen Art, die an einem fünfzehnjährigen Mädchen so seltsam anmutete, zog sie ihn in ihren Bann. Außerdem hatte sie etwas Verzweifeltes an sich, das ihm tief zu Herzen ging und ihn nicht losließ, so daß er sich weit sanfter und gesitteter gegen sie benahm als gegen irgendeinen andern Menschen auf der Welt.

      »Du bist ja alt genug, ihr Vater zu sein!«

      »Ich bin in meinen besten Jahren!« Gerald war gekränkt.

      »Jerry, auf kein Mädchen in Savannah kannst du weniger rechnen als auf sie. Ihr Vater ist ein Robillard, und diese Franzosen sind stolz wie die Spanier. Ihre Mutter - Gott hab sie selig - war eine sehr vornehme Dame.«

      »Was schert das mich?« Gerald wurde hitzig. »Übrigens ist die Dame tot, und der alte Robillard hat mich gern.«

      »Als Mann wohl, aber als Schwiegersohn nicht.«

      »Das Mädchen nimmt dich doch nicht«, warf Andrew ein. »Sie ist seit einem Jahr verliebt in ihren Vetter Philippe Robillard, einen tollen Draufgänger, obwohl ihre Familie ihr Tag und Nacht in den 0hren liegt, sie solle ihn laufen lassen.«

      »Diesen Monat ist er nach Louisiana abgereist«, sagte Gerald. »Woher weißt du das?«

      Gerald hatte keine Lust, ihnen anzuvertrauen, daß er diese unschätzbare Auskunft Pork verdankte, und auch nicht, daß Philippe auf den ausdrücklichen Wunsch der Familie in den Westen gefahren war.

      »Sie wird schon nicht so verliebt sein, daß sie ihn nicht vergessen könnte. Mit fünfzehn weiß man noch nicht viel von Liebe.«

      »Die Eltern werden den tollköpfigen Vetter immer noch lieber nehmen als dich.«

      Aber James und Andrew waren sprachlos,