Nürnberg nach Frankfurt zur Messe, er zeichnete das imposante Bild des mächtigen Schlosses, und Jakob Heller erwarb die Skizze, die später in den Besitz seines Verwandten überging. Sieht man von dieser Möglichkeit ab, so kann letzterer auch das Blatt in Nürnberg gesehen und erworben haben, als er seine Sammlung anlegte. Das Eine ist gewiß, daß die Entstehung dieser bisher einzigen Abbildung des alten Aschaffenburger Schlosses in die Zeit nach 1500 fällt; stilistisch ist sie wohl sicher nach 1520, vermutlich erst zwischen oder 1540 anzusetzen, da die reine Landschaftszeichnung in Deutschland erst durch Albrecht Dürer aufkam, dem dann Altdorfer mit dem ersten Landschaftsölbilde (in München) nachfolgte. Oben über der Zeichnung steht:
„Das ist Aschennburg, do der Bischoff von Menz hoff helltt. Leigtt am Mein.“
Genau an derselben Stelle, wo die heutige Johannisburg Schweickardts steht, erblicken wir den gewaltigen Bau, der die Stadt weit überragt.(49) Vorn links am Mainufer zieht sich die vorhin erwähnte Mauer des Erzbischofs Theodorich entlang, die noch heute erhalten ist, auch das runde Ecktürmchen mit dem spitzen Helm ist noch jetzt, wenn auch nur in seinem unteren Teile sichtbar. Die sich hier anschließende zinnenbekrönte Wehr ist abgetragen, nur noch ein Stück dicht über dem Erdboden hat man stehen gelassen und später da, wo einst diese untere Mauer hinlief, eine Straße (heute Suicardusstraße angelegt. Im Vordergrunde auf einer kleinen Insel stehen verschiedene Fachwerkgebäude, die zu einer Mühle gehörten, deren Räderwerk und sinnreiche Konstruktion schon dem Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer auffiel, als er 1495 bei einer Reise nach Würzburg hier durchkam (50). In seinem weiteren Bericht über Aschaffenburg sagt er, daß die auch sonst mit stattlichen Gebäuden gezierte Stadt vor allem wegen des herrlichen Schlosses einen Namen habe.
Und betrachten wir die Hirsvogelzeichnung, so begreifen wir dies vollsläridig. Ueber der Verlängerung der alten Stadtmauer, die an ihrem linken Ende mit einem Turme abschließt und von da im schrägen Winkel auf die Mauer, die ich im folgenden als Theodorichmauer bezeichnen werde, stößt (51), erhebt sich das Schloß in malerischem Gewirr von hohen und niederen Gebäuden, großen und kleinen, runden und eckigen Türmen, die wieder mit lustigen Anbauten verziert sind. Alles überragt ein schwerer, massiger Bergfrit, oben ebenfalls mit kleinen Türmchen geschmückt, über denen sich das steile gotische Dach erhebt. Das ist der alte Geselle, der trotzig die Jahrhunderte überdauerte und noch heute im Hofe des neuen Schlosses steht. Nicht war er, wie man früher annahm, ein Turm der alten Stadtmauer (52); er sollte vom kurfürstlichen Vizedom bei Belagerung besetzt werden, um Stadt und Burg auf der schwächeren, nordwestlichen Seite vor Ueberfällen zu schützen. (53) Im Jahre 1337 (54) hatte ihn der abgesetzte Kurfürst Heinrich III. zu bauen angefangen, durch Johann II. war er Ende des XIV. Jahrhunderts erhöht und von Theodorich 1450 oben im gotischen Stile ausgebaut worden. Damals erhielt er auch die Ecktürmchen, denen erst eine spätere Zeit die spitzen Dachhelme nahm und sie durch geschweifte ersetzte. Wie ein echter Bergfrit besaß er kein Tor zu ebener Erde, nur im oberen Teile befand sich ein Zugang, der mittelst einer beweglichen Leiter erreicht werden konnte. Der Raum zur ebenen Erde enthielt Schlafgemächer und Vorratskammern. (55) Der Keller diente als Verließ und Aufbewahrungsort von Trinkwasser, das durch eine Oeffnung im Fußboden emporgewunden wurde. Zur Linken des Baues sieht man auf der Zeichnung die Mauer, die Theodorich den Viebberg hinauf errichten ließ, und weiter hinten, an den Nordostturm des Schlosses anschließend, die, welche sich um das Stadtviertel der Agathakirche herumzog. Rechts erblickt man die Stadt (56) mit ihren Fachwerkgiebeln und Wänden, mit ihren Dächern und Kirchtürmen und weit im Hintergrunde die waldigen Höhen des Spessarts. Hier weilte der Mainzer Erzbischof, Albrecht von Brandenburg, lange Jahre, nachdem er sich aus dem protestantisch gewordenen Halle zurückgezogen hatte, hier sann er seinem Leben nach, in dem Luther eine so bedeutende Rolle gespielt hatte, und suchte den Frieden seiner unruhigen Seele im stillen Schauen des weiten Landes, des ruhig dahinziehenden Flusses: sein künstlerischer Sinn umgab sich mit den Werken eines Grünewald und anderer Meister, wie Beham und Glockendon, die seine Gebetbücher mit unendlichar Liebe und Phantasie schmückten (57), die mit einer bewundernswerter Ausdauer seine Schöpfungen für die Kirche schufen; hier gab er am 24. September 1545 seinen nimmermüden Geist auf, und die leise rauschenden Wasser des Main, denen er so oft in tiefem Grübeln und Denken nachgeschaut, die in ihrem ewigen Kommen und Gehen ihn an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnten, trugen den jetzt so stillen Mann, dessen Leiche auf dem schwarzverhängten Schiffe aufgebahrt stand, hinab in die alte Stadt, durch die er einst in jungen Tagen in strahlendem Glänze gezogen war. (58)
Unter Albrechts Nachlolger, dem Kurfürsten Sebastian wütete der schmalkaldische Krieg im Mainzer Gebiet, das verbündete Heer brannte 1546 einen Teil von Aschaffenburg nieder und plünderte Kirchen und Klöster der ganzen Umgebung: auch die kurfürstlichen Schlösser wird man dabei nicht verschont haben, da der Besitzer sich weigerte, die 40000 fl. Brandschatzung zu erlegen. (59) Die unruhigen Jahre wollten kein Ende mehr nehmen, Truppendurchmärsche und Einquartierungen von Freund und Feind wechselten miteinander ab, alles lebte in steter Sorge und Aufregung, endlich rückte das Jahr 1552 heran, das das größte Unglück über unsere Stadt bringen sollte. Sie wurde vom Grafen von Oldenburg besetzt, auf des Markgrafen Albrecht von Brandenburg Geheiß plünderte das Soldatenvolk das kurfürstliche Schloß und als alles fortgeschleppt war, was irgendwie Wert besaß, warf man im rohen Uebermute die Brandfackel hinein, und die gierig züngelnden Flammen vernichteten in lodernder Glut in wenigen Stunden alles, was Menschenhände durch Jahrhunderte mit Mühe und Fleiß errichtet hatten. (60)
Als der Laurentiustag zur Neige ging, war das Zerstörungswerk beendet; aus der rauchenden Trümmerstätte, die sich in den dumpfmurmelnden Wassern wiederspiegelte, ragte starr und unverrückbar, wie ein warnendes Mal, ein einziger Zeuge alter Pracht und Herrlichkeit aus dem schwelenden Schutt - der alte Turm! –
ZWEITER TEIL.
DER NOTBAU. 1556-1606.
(Das sogenannte „Alte Schloß“)
Im Jahre 1554 wurde endlich der streitsüchtige Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, nachdem er schon vorher (9. Juli 1553) von Moritz von Sachsen bei Sievershausen besiegt und bald darauf in die Reichsacht erklärt war, von den verbündeten Fürsten auf der Heide zwischen Volkach und Kissingen derart geschlagen, daß er nach Frankreich fliehen mußte, wo man ihm ein Jahrgeld ausgesetzt hatte. Nach allen den Streitigkeiten der letzten Jahre und besonders durch den Markgräfler Krieg war die Sehnsucht nach Frieden, zumal bei den schwer betroffenen geistlichen Herren immer lebhafter geworden und alles wünschte einen „allgemeinen, von jeder Zeitbegrenzung unabhängigen Religionsfrieden herbei. Erleichtert atmete Deutschland auf, als endlich zu diesem Zwecke am 5. Februar 1555 der Reichstag in Augsburg zusammentrat der die Grundlage der weiteren politischen und religiösen Entwickelung des Reiches werden sollte.
Auch in das Mainzer Gebiet, das in der letzten Zeit so viel erlitten, zog wieder Ruhe und Ordnung ein, langsam erholte sich das Land und nach und nach entfaltete sich aufs neue der einstige Wohlstand, den harte Kriegsjahre erbarmungslos vernichtet hatten.
In Aschaffenburg ward wieder aufgebaut, was das Feuer und die rohe Soldateska zerstört hatten, nur das Schloß blieb als trauriger Schutthaufen liegen; vor ihm stand 1566 der Graf von Zimmern, als er auf seinen Reisen die Stadt berührte und verwünschte in derben Worten den Urheber all dieses Frevels. Er nennt es die „herrlich alt reichscanzlei, die nimmer mag widerum restaurirt werden, und schad, fährt er fort, daß der Ursach halb ime (d. h. hier dem Markgrafen
Albrecht) sein schandlichs Haupt nit ist mit einem Britt abgestoßen worden“. (61)
Keine Hand fand sich, die es wagte, die ausgebrannten Mauern und Wände in altem Glanze wieder erstehen zu lassen. Wer hätte auch nach allen den Brandschatzungsgeldern, den Unsummen, die die ständigen Einquartierungen erforderten, an einen solchen Plan überhaupt denken mögen! Und den schon genug geplagten und ausgesaugten Bürgern noch neue Lasten aufzuerlegen, wäre jetzt ein Frevel gewesen, der sich gewiß bitter gerächt hätte!
Man mußte also einen Ausweg suchen, damit der Erzbischof wie in alten Zeiten die Sommermonate seine Residenz in Aschaffenburg aufschlagen konnte.
Aus der Zeit Albrechts von Brandenburg waren zwischen der alten Stadtmauer, die sich oben auf der Anhöhe parallel mit dem Maine hinzog und der Webergasse,