Erik Schreiber

Aschaffenburger Schloss


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damit in ihnen, wenn auch nur notdürftig, die Erzbischöfe Hof halten konnten.

      Leider lagen sie nicht geschlossen zusammen, da hier seit früherer Zeit längs der Stadtmauer schon verschiedene stiftische und andere Häuser aufgeführt waren, die Albrecht zwangen, seine Bauten in die noch freien Parzellen einzufügen. (63) Jetzt empfand man das hinderlich, und im Interesse des ungestörten Verkehrs zwischen den einzelnen im Umbau begriffenen Gebäuden ging man daran, die am meisten im Wege stehenden den ursprünglichen Besitzern abzukaufen. So belehrt uns eine Urkunde vom Jahre 1556, daß der damalige Erzbischof Daniel ein Haus samt Hof kaufte, welches bereits 1368 der Stiftsvikar des St Michaelisaltars Johannes Borich zur Anschaffung und Unterhaltung einer ewigen Lampe am Kapitelhause im Kreuzgang dem Stift zu Aschaffenburg vermacht hatte, von dem es der Kurfürst erwerben wollte. (64) Ausdrücklich wird hier gesagt, daß er es nur deshalb kaufte, um eine Verbindung zwischen den neuen von Albrecht errichteten Baulichkeiten zu haben, nachdem, wie hinzugefügt wird, das Schloß niedergebrannt war. (65)

      Aber mit dem Ankauf dieses einen Hause war der Zweck noch nicht völlig erreicht. Schon im Jahre 1557 hören wir von einem ähnlichen Geschäft. Diesmal handelt es sich um das Besitztum des Hans Leonhardt Kottwitz von Aulenbach, der letzteres erst kurz vorher mit allen seinen Gerechtigkeiten von den Gebrüdern von Vechenbach erstanden hatte. (66) Bereits am 28. Juni desselben Jahres tauschte Kottwitz dies gegen ein anderes um, das dem Erzbischof in Klingenberg gehörte, wo er selbst Amtmann war und Daniel kam so in den Besitz des Hauses, das nach den mehrmaligen Angaben in den Pergamenten „neben dem Newen Baw gegenn dem Schloß zu gelegen war (67).

      Stets wird von dem „Neubau“ gesprochen, der unweit des zerstörten Schlosses lag, so daß die Ansicht, daß letzteres nach dem Brande wieder aufgerichtet wurde, zu verwerfen ist (68).

      Bald nach 1557 scheint das Werk fertig gewesen zu sein. Daniel und seine Nachfolger wohnten wieder zur Sommerzeit hier in diesem Notbau, der also nur aus einem Komplex ursprunglich anderen Zwecken dienender Gebäude bestand, und den ich deshalb Notbau genannt habe.

      Die Jahre gingen dahin, die Erzbischöfe auf dem Mainzer Stuhl wechselten, jeder aber weilte wenigstens ein paar Monate in Aschaffenburg. 1601 starb Kurfürst Wolfgang in dem neuen Schlosse und in lebendigen Farben schildert das alte Stiftsprotokoll die Feierlichkeiten seines Leichenbegängnisses. (69)

      Unter der Regierung des Erzbischofs Srhweickardt von Kronenberg begann für Aschaffenburg eine neue glänzende Periode. Dieser Kurfürst entstammte dem schon im 12. Jahrhundert bekannten Geschlechte der Eschborn, das sich später nach seiner Burg am Rande des Taunus von „Cronenberg“ nannte, in der er am 5. Juli 1553 geboren wurde. Da er sich dem geistlichen Berufe widmen sollte, ging er nach Rom, Studierle dort am Collegio Germanico und kehrte dann in die Heimat zurück, nachdem er Herz und Auge an den Schätzen der ewigen Stadt gebildet und verfeinert hatte. Von Stufe zu Stufe, von Würde zu Würde, trug ihn seine Laufbahn empor; schon am 17. Februar 1604 wurde er zum Kurfürsien gewählt und bald darauf vom Fürstbischof Julius von Würzburg und dem päpstlichen Nuntius Cariolano in die Martinsburg zu Mainz eingeführt. (70) Als er zum erstenmale Aschaffenburg besuchte und die kleinen und winkligen Gemächer seiner Residenz betrat, als er nach jener Stelle sinnend hinüberblickte, wo noch der alte Turm unnahbar stolz über den Trümmern thronte, damals vielleicht schon stieg in seinen Gedanken, die sich im Süden an das Große und Erhabene gewöhnt hatten, denen deutsche Traulichkeit fremd geworden war, ein erster Plan auf, über diesen Schutthaufen ein neues Schloß zu errichten, das an Glanz und Pracht das alte noch überstrahlen sollte.

      Kaum ein Jahr verging und der Plan war zur Tat geworden. Den Main hinab ziehenn schwerbeladene Steinkähne, unten am Ufer vor der alten Brandstätte knarrt ächzend der langarmige Krahn, der die schweren Quadern aus den Schiffsbäuchen herauswindet, unter lautem Zuruf und Peitschenknall schleppen kräftige Pferde das Material an seinen Bestimmungsort, und Mauern steigen aus der Erde auf, die für die Ewigkeit gebaut zu sein scheinen. (71)

      Am 17. Februar 1614, am zehnten Jahrestag seiner Erwählung zum Kurfürsten bezog Schweickardt bereits den Neubau, jetzt war endlich „der jämmerliche Anblick“, den, wie Ridinger (72) schreibt, das Vaterland lange Jahre betrauert und beklagt hatte, verwischt, und die Erzbischöfe von Mainz, die sich lauge „mit ihrer Hofhaltung außerhalb in einem geringen Werk hatten aufhalten müssen“, (73) besaßen wieder eine würdige Residenz. Der Neubau in der Webergasse stand nun verlassen da, die einzelnen Gebäude wurden wie vor dem Jahre 1556 zu verschiedenen Zwecken benützt, nur noch einmal hören wir, in einer kurzen Notiz vom 17. September 1673 etwas von ihm. An diesem Tage entstand hier nachmittags gegen 2 Uhr eine Feuersbrunst, die fast die Häftie desselben in Asche legte (74), endlich fiel er unter der Regierung Friedrich Karl Joseph‘s von Erthal 1783 der Zeit und ihren neuen Ideen zum Opfer, und da, wo er einstmals gestanden, blühen heute Kaslanienbäunie. (75).

      Dies ist in kurzen Zügen die Geschichte des Gebäudes, von dem man bisher altgemein glaubte, daß es das ursprünglich alte Schloß gewesen sei. (76)

      Wie schon zu Anfang angedeutet, hatte man für diese Ansicht zwei Stützpunkte. Einmal den alten Stadtplan von Merian (77) und dann den Prospekt in dem Kupferstichwerke Ridingers. (78) Auf beiden Blättern steht an der bezeichneten Stelle in der Webergasse „das alte Schloß“. Es war daher für jeden, der ohne genauere Prüfung die Frage behandelte, von vornherein abgemacht, daß sich hier das ursprüngliche und erste Schloß befunden habe. Die einen waren der Ansicht, an dieser Stelle habe einst die sagenhafte Ravensburg gestanden, andere meinten, erst Adalbert habe 1122 ebenda seine Burg errichtet, die 1552 im Markgräfler Krieg zerstört wurde, einigen stieg aber doch hierbei ein leiser Zweifel auf: sie vermochten den alten Turm nicht unterzubringen. Man half sich, indem man ihn zu einem Stadtturm der alten Mauer machte, der dann freilich die übrigen hinsichtlich seiner Größe bedeutend übertraf.

      Auch dies suchte man zu erklären: an der einem feindlichen Angriff besonders ausgesetzten Stelle war größere Höhe und Stärke von vornherein erforderlich. Eine weitere Ansicht ging dahin, Albrecht von Brandenburg hätte sich da, wo der alte Turm steht, ein eigenes neues Schloß errichten lassen, welches dann 1552 wieder gefallen sei. Die diese Idee vertraten, hielten aber auch den Notbau für die älteste Anlage.

      Wie ich nun vorhin dargelegt habe, sind alle diese Erklärungen irrig, das alte, ursprüngliche Schloß, das also von dem von mir als Notbau bezeichneten zu trennen ist, lag von Anfang an genau da, wo das heutige steht; vielleicht gingen seine ersten Anfänge schon in karolingische Zeit zurück und Otto von Schwaben errichtete sein „castrum“ auf den alten Fundamenten. Soviel ist gewiß, daß es sich seit 1122 auf der bezeichneten Stelle unter den verschiedenen Erzbischöfen allmählich vergrößerte, bis es unter dem Brandenburger den Glanz und Umfang erreichte, den die Zeitgenossen im Liede gepriesen haben. Nach seiner Zerstörung im Jahre 1552 wurde der Bau in der Webergasse eine notdürftige Residenz, die später mit Recht „das alte Schloß“ genannt werden konnte, weil in der Zwischenzeit das neue Schloß des Erzbischofs Schweickardt errichtet und das eigentliche alte Sehloß 1552 niedergebrannt worden war.

      Fassen wir zum Schluß noch einmal die Beweise zusammen, die mich zu der von der bisherigen Meinung abweichenden Auffassung zwangen, so sind es kurz folgende:

      1. Der alte Turm, der schon 1339 zu bauen begonnen wurde.

      2. Die Hirsvogelzeichnung, die die früheren Geschichtsschreiber nicht kannten.

      3. Die Urkunden über verschiedene Häuserankäufe in der Webergasse, die das sogenannte alte Schloß als Neubau bezeichnen.

      4. Bedeutende Mauerreste von 2 - 3 m Stärke, die sich ca. ½ m unter dem Boden, auf dem das jetzige Schloß steht, kreuz und quer hinziehen und Reste des alten Schlosses sind. (79)

      5. Endlich die natürliche Lage; man baute eine Burg nicht mitten, sondern am Rande einer Anhöhe, um so dem Feinde den Aufstieg möglichst zu erschweren.

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