Paul Natorp

Paul Natorp: Johann Heinrich Pestalozzi, Sein Leben und seine Ideen


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geboren und starb am 17. August 1924 in Marburg. Er studierte ab 1871 Musik, Geschichte, klassische Philologie und Philosophie in Berlin, Bonn und Straßburg. Nach vier Jahren Tätigkeit als Hauslehrer wurde er Hilfsbibliothekar in Marburg, wo er sich 1881 bei Hermann Cohen habilitierte. Er war ein deutscher Philosoph und Pädagoge, der als Mitbegründer der Marburger Schule des Neukantianismus bekannt ist. Neben philosophischen Arbeiten trat er mit einer auf Kants Ethik gegründeten Sozialpädagogik hervor.

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      Johann Heinrich Pestalozzi

       Johann Heinrich Pestalozzi

Grafik 44

       https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/pestaloz.html

      Geboren am 12. Januar 1746 in Zürich; gestorben am 17. Februar 1827 in Brugg / Kanton Aargau. Pestalozzi entstammte einer italienischen Kaufmannsfamilie, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts in Zürich lebte. Er besuchte die Lateinschule am Fraumünster und am Großmünster in Zürich sowie das Collegium Carolinum, die philosophisch-theologische Hochschule.

      Unter Rousseauschem Einfluss verließ er das Carolinum vorzeitig und bereitete sich auf politisch-administrative Aufgaben vor; als diese Pläne scheiterten, entschloss er sich nach einjähriger Lehrzeit Bauer zu werden und auf das Birrfeld bei Brugg zu ziehen. Wegen einiger Fehlernten musste er den Betrieb durch die Weiterverarbeitung von Baumwolle stützen; dazu zog er auch verarmte Kinder aus der Umgebung heran. 1774 wandelte er den Hof in eine Armenanstalt um, die er wegen finanzieller Probleme 1780 wieder aufgeben musste.

      Als 1798 die Französische Revolution auch auf die Schweiz übergriff, wurde er durch die neue Zentralregierung beauftragt, in Stans zur Betreuung der Waisenkinder eine Armenanstalt einzurichten, die allerdings unter dem Druck des französisch-österreichischen Krieges nach sieben Monaten wieder geschlossen wurde. 1799 ermöglichte es ein Auftrag der Zentralregierung, in Burgdorf / Emme die in Stans entwickelten Unterrichtsmethoden weiter zu erproben. 1804/05 wurde das Institut nach Iferten verlegt und entwickelte sich dort für etwa zwei Jahrzehnte zu einem pädagogischen Zentrum Europas. 1825 löste er die Anstalt auf und zog sich auf seinen Hof im Birrfeld zurück.

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      Vorwort zur ersten Auflage

       Vorwort zur ersten Auflage

       https://www.projekt-gutenberg.org/natorp/pestaloz/pestaloz.html

      Über Absicht und Anlage der Schrift, besonders darüber, was sie Neues geleistet haben möchte, gibt die Einleitung Rechenschaft. Neu ist, auch meinen eigenen früheren Darstellungen gegenüber, der systematische Aufbau der Ideen Pestalozzis. Doch wäre es künstlich gewesen, hätte ich im Einzelnen neue Formulierungen auch da suchen wollen, wo ich glaubte das Beste mir zurzeit Mögliche früher gegeben zu haben. Daher finden sich besonders im dritten Kapitel manche auch wörtliche Übereinstimmungen namentlich mit dem Artikel „Pestalozzis Pädagogik“ in Reins Enzyklopädischem Handbuch. Aber schon die abweichende Gruppierung bedingte vielfach starke Änderung.

      Angeführt sind Pestalozzis Schriften (mit S.) nach Seyffarths Liegnitzer Ausgabe (1899 ff.); doch ist die Sprache Pestalozzis nach Möglichkeit auf Grund der Originaldrucke wiederhergestellt. Wo es nützlich schien sind auch die Paragraphen der viel verbreiteten Mannschen Ausgabe (Langensalza, Beyer u. Söhne) beigesetzt.

       Marburg, im November 1908

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      Vorwort zur zweiten Auflage

       Vorwort zur zweiten Auflage

      Für diese so bald schon nötig gewordene Neuauflage brauchte der Text fast nirgends geändert, bloß im Hinblick auf die inzwischen erschienene neue Literatur über Pestalozzi hin und wieder ergänzt zu werden (s. bes. S. 2 u. f.).

      Marburg, im November 1911

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      Einleitung

       Einleitung

Grafik 31

      Photographie nach einem im Pestalozzianum in Zürich befindlichen Original

      Dass die Wirkung Pestalozzis auf unser Zeitalter nicht etwa erschöpft, sondern erst im Aufsteigen begriffen ist, wird gegenwärtig von vielen empfunden. In der pädagogischen Welt konnte er überhaupt nie in Vergessenheit geraten; und wohl jedem tiefer gebildeten Deutschen ist seine rührende Gestalt irgendeinmal entgegengetreten; besonders hat die Geschichte der Erhebung Preußens und Deutschlands vor hundert Jahren nie umhin gekonnt, sich dessen zu erinnern, was sein Name damals unseren Altvordern bedeutet hat. Aber für die weiteren Kreise der Gebildeten blieb er bis vor kurzem fast eine mythische Figur; man nannte ihn stets mit Ehrfurcht, man gedachte seiner mit dem Gefühl, mit dem man jedes echten Menschen gedenkt; aber man las ihn kaum noch. Den Glauben an seine geniale Größe durch eindringendes Studium in sicheres Wissen zu wandeln, scheinen nur wenige den Trieb verspürt zu haben; sonst wäre es nicht zu verstehen, dass seiner bis heute weder in der Literaturgeschichte noch in der Geschichte der Philosophie, weder in der politischen Geschichte noch in der historischen Soziologie so gedacht wird, wie es seiner Bedeutung entspräche.

      Jetzt aber scheint sich hierin allmählich eine Wandlung anzubahnen. Es ist zu seiner Erforschung in den letzten Dezennien so viel geschehen, dass es nachgerade nicht mehr angeht, darüber gänzlich hinwegzusehen. Die Schriften Pestalozzis sind dank dem unermüdlichen Eifer des trefflichen Seyffarth in nahezu erschöpfender Vollständigkeit (wenn auch nicht philologisch musterhaft) herausgegeben; die Bibliographie, besonders die Nachweisung der bis dahin bekannten Briefe, ist durch den nicht minder rühmlichen Sammelfleiß Israels sehr gefördert. Und eine kaum zu bewältigende Fülle auf Pestalozzi bezüglichen zeitgeschichtlichen Materials ist in Hunzikers (Rudolf Hunziker – 1870 – 1946 Von 1897 bis 1935 unterrichtete er als Professor für Latein, Deutsch und Geschichte am Städtischen Gymnasium Winterthur (ab 1919 Kantonsschule Winterthur). Er war 1917 Mitbegründer und dann Direktor und Herausgeber der Jahrbücher der Literarischen Vereinigung Winterthur.) Pestalozziblättern und Seyffarths Pestalozzistudien zusammengetragen. Dadurch ist zur Ergänzung und vielfach auch Berichtigung der vierbändigen „Pestalozzischen Biographie (die selbst fast nur Materialsammlung war) außerordentlich viel beigetragen worden. Durch so vielfältige Vorarbeit war es dem Verfasser dieses Büchleins erleichtert, nun auch zum allgemeineren Verständnis und zur tieferen Würdigung des Mannes, seiner Persönlichkeit, seiner Leistungen und seiner Ideen das seinige beizusteuern. [Man findet die Ausbeute meiner mannigfachen Entdeckungsfahrten in diese Terra incognita jetzt bequem zusammen in der Biographie Pestalozzis und Auswahl aus dessen Schriften (in Greßlers Klassikern der Pädagogik), und in den „Gesammelten Abhandlungen zur Sozialpädagogik“; in knappster Zusammenfassung in einem größeren Artikel von Reins Enzyklopädischem Handbuch der Pädagogik („Pestalozzis Pädagogik“)]. Von wertvollen Einzelarbeiten seien ferner genannt: Wigets ausgezeichnete Studie im Jahrbuch des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik (Band 23 und 24); Walsemanns Buch über Pestalozzis Rechenmethode (1901); Israels Arbeit über Pestalozzis Institut in Iferten nach Papieren Blochmanns (1900); Seyffarths neu bearbeitete Pestalozzidarstellung von 1904; K. Muthesius' feine Studie über Goethe und Pestalozzi (1908); Lesers Schrift: J. H. Pestalozzi, seine Ideen in systematischer Würdigung (1908), eine Arbeit, die mir besonders willkommen sein musste als unabhängige Bestätigung meiner Grundauffassung des Mannes und seiner Ideen; besonders aber Heubaums Biographie (in der Sammlung „Die großen Erzieher“, 1910), welche nicht ganz mit innerem Grunde eine ablehnende Haltung gegen meine Pestalozzidarstellung einzunehmen scheint; wenigstens urteilt Rudolf Lehmann (in den Jahresberichten für neuere deutsche Literaturgeschichte, XIX/XX, Seite 608 f.), dass Heubaum trotzdem mit seiner allgemeinen Würdigung