Катя Брандис

Vulkanjäger


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Dank.“

      „Fein“, sagte André und grinste. „Dann los. Noch ist das Licht gut.“ Er rückte den Kamerarucksack auf seinem Rücken zurecht und lud sich das Stativ wieder auf die Schulter.

      Das Lavafeld, über das wir zur Ausbruchsstelle marschierten, reichte bis zum Horizont. André, Fred und ich balancierten über einen tiefschwarzen Fluss, der mitten in der Bewegung zu festen Strömen, Wirbeln und Kissen versteinert war. „Diese glatte Variante nennen Fachleute Pahoehoe-Lava“, erklärte André, pahoihoi sprach er es aus. „Ein hawaiianisches Wort, es heißt übersetzt Kuchenteig. Die andere, bröckelige Variante wird Aa-Lava genannt.“

      Ich musste lachen. „Wirklich?“

      „O ja. Kommt angeblich daher, dass die Hawaiianer früher barfuß drüber gehen mussten und das so wehtat. A-a!“

      „Glaub ich sofort.“ Ich bückte mich, hob ein Stück auf und drehte es in der Hand. Die Lava fühlte sich scharfkantig, aber erstaunlich leicht an und war von winzigen Löchern durchzogen.

      Eine halbe Stunde später durchquerten wir ein Gebiet, das der Kilauea noch nicht verwüstet hatte – hier wuchsen Büsche und Palmen. Gras und trockene Blätter raschelten unter meinen Schuhen. Die tropische Sonne knallte auf mich herab, und obwohl ein kühler Wind ging, schwitzte ich schon. Mit seinem Schweizer Messer schnitt André von einem abgestorbenen Baum einen Ast herunter. „Wozu brauchst du den?“, fragte ich, aber er lächelte nur und sagte: „Wirst du schon sehen. Fred, machst du ein paar Schwenks?“

      Fred nickte, nahm ein bisschen Landschaft auf und filmte uns, wie wir über die Lava wanderten. Ich tat mein Bestes, um ihn zu ignorieren, und besonders gut klappte das, als ich mitten in der Lavamasse ein metergroßes rundes Loch entdeckte. „Das sieht ja komisch aus – wo kommt das denn her?“

      „Wirst du bestimmt noch selbst sehen“, sagte mein Vater. Der Spruch nervte allmählich.

      Nach einer Stunde Fußmarsch meinte er plötzlich: „Na also, wir sind da.“ Mein Puls beschleunigte sich. Dort vorne flimmerte die Luft, es bewegte sich etwas in der schwarzen Wüste. Vier oder fünf andere Leute in bunten Sommerklamotten, mit Kameras in den Händen, standen in der Nähe herum und starrten auf etwas herab. Unwillkürlich ging ich schneller.

      Und dann stand ich davor. Ein breiter dickflüssiger Strom mit flammender Spitze kroch in Zeitlupe durch die Landschaft. Ich vergaß alles andere, wollte nur näher ran, alles ganz genau sehen. Mein Vater lachte. „Mach nur. Wir bauen inzwischen die Kamera auf.“

      Als ich mit klopfendem Herzen näher heranging, sah ich, wie eine orangegelbe Masse aus einer Öffnung quoll und heruntertropfte wie warmer Honig. Auf der Oberfläche der Lava schwammen dunkle Inseln wie Eisschollen, bevor das flüssige Gestein nach und nach zu einem dicken schwarzen Schlamm abkühlte. An einer anderen Stelle bewegte sich das geschmolzene Gestein über den Boden vorwärts, schob seine schwarzen Zungen in die Landschaft. Lautlos war der Strom nicht, er knarzte, pfiff und seufzte.

      Ich war noch mehr als zwei Meter von der frischen Lava entfernt, aber sie strahlte eine so große Hitze aus, dass ich nicht näher heranging. Schnell schoss ich mit der kleinen Kamera, die ich mitgenommen hatte, Fotos und schickte sie an ein paar Freunde. Kein Wunder, dass André von Vulkanen fasziniert war, das hier war absolut genial!

      Plötzlich stand mein Vater neben mir. Er schälte seelenruhig eine Banane und biss hinein – für ihn war das hier wohl nur ein besserer Picknickausflug! „Nicht übel, was?“, sagte er und deutete mit dem Kinn auf das langsam fließende Gestein. „Willst du mal die Temperatur testen? Ich gehe nie ohne Banane zu einem Flow.“ Er riss die Bananenschale in mehrere Stücke und reichte sie mir.

      Mit zwei Fingern nahm ich ein Stück Schale und warf. Es landete auf einer glühenden Stelle, zischte auf und verwandelte sich in Asche. Lustig. Beim zweiten Wurf traf ich eine Stelle, die schon abgekühlt aussah, doch die Schale wurde fast genauso schnell schwarz. „Wie viel Grad sind das?“

      „Ungefähr achthundert, schätze ich. Das sieht man an der Farbe. Ganz helles Gelb ist am heißesten, Orange ist so mittel.“ André lächelte, er schien sich darüber zu freuen, dass mir der Vulkan gefiel. Er wirkte entspannt und doch auf der Hut. Immer wieder blickte er sich um, behielt die Umgebung im Auge. Was befürchtete er? Doch bevor ich ihn fragen konnte, reichte er mir den Ast, den er unterwegs abgeschnitten hatte. „Hier. Magst du mal reinpiken?“

      Vorsichtig stieß ich den Ast in die glühende Masse und das Holz fing sofort Feuer. Ich hebelte es hoch und etwas flüssige Lava blieb an der Spitze kleben. „Wow – cool!“ Die nächsten Minuten verbrachte ich damit, übermütig Lava aufzuspießen und hochzuwerfen.

      „Versuch doch mal, einen Stein darauf zu werfen“, schlug mein Vater schließlich vor. „Was meinst du – sinkt er ein oder nicht?“

      „Ich glaube ... er sinkt.“

      „Na, dann probier´s mal aus.“

      Beim ersten Versuch traf ich eine dunkelrote Stelle. Es gab ein klirrendes Geräusch und mein Stein prallte einfach ab. „Das klingt ja, als wäre das Glas!“

      „Ist auch genauso spröde. Und bei manchen Ausbrüchen entsteht Obsidian, das ist tatsächlich vulkanisches Glas.“

      Verblüfft versuchte ich es mit einem anderen Stein noch mal und erwischte einen gelb glühenden Teil des Stroms. Mein Wurfgeschoss blieb auf der Oberfläche liegen und wurde von der Lava mitgetragen. Unaufhaltsam bewegte der Strom sich weiter, von nichts und niemandem zu stoppen. Wir mussten Schritt für Schritt zurückweichen, um nicht von ihm erfasst zu werden.

      „Bist du bereit für ein paar noch bessere Sachen?“, fragte André und ich blickte ihn an. Sein Gesicht war leicht gerötet, und seine Augen glänzten – er sah aus wie ein Freibeuter, der kurz davor steht, ein feindliches Schiff zu entern.

      „Logisch!“, sagte ich.

      Wir bewegten uns noch ein Stück weiter von den Touristen weg, zu einem kleineren, schmaleren Teil des Lavastroms. Dann ließ sich mein Vater meinen Rucksack geben, in dem ich für das Team Ausrüstung transportiert hatte. Er brachte daraus ein Paar silbern schimmernde Handschuhe zum Vorschein, dick gepolsterte Fäustlinge. „Erstklassige Qualität.“

      „Äh, ja, schön.“ Als ich die Handschuhe überstreifte, reichten sie mir bis zu den Ellenbogen. „Und was jetzt?“

      „Jetzt greif mal rein.“

      „In die Lava?!“

      „In die Lava. Bleib einfach ganz ruhig und lass dich nicht ablenken.“

      Langsam ging ich auf glühenden Strom zu und spürte, wie die Hitze auf meinem Gesicht immer intensiver wurde. In der Nähe der Lava war es kaum auszuhalten, deshalb beeilte ich mich und näherte meine Hände der Glut. Näher ... näher ... und näher. Meine Finger in den silbernen Handschuhen berührten das flüssige Gestein, tauchten ein. Ich spürte einen Widerstand, aber kaum Hitze.

      „Wow“, flüsterte ich und formte die Hände zu einer Schale. Einer Schale mit orangegelb glühender Lava darin. Langsam, fast feierlich, hob ich sie hoch, wie ein Priester des Feuers, der ein Opfer darbringt. Schweißtropfen kitzelten auf meinem Gesicht, aber ich beachtete sie nicht, trat nur ein paar Schritte zurück, dorthin, wo es etwas kühler war. Noch nie hatte ich mich so gefühlt ... so lebendig, aber völlig ruhig. Ganz da.

      Ganz schön schwer war das Zeug. Konnte man das auch kneten? Vorsichtig versuchte ich es und formte einen Ball daraus. Staunendes Gemurmel um mich herum, wahrscheinlich waren die Touristen näher gekommen, um zuzuschauen.

      Plötzlich rief eine Frauenstimme: „Sind Sie wahnsinnig? Wie können Sie den Jungen so was machen lassen!“

      „Und stopp“, ertönte die Stimme meines Vaters, sie klang etwas gereizt. „Sie stören hier Dreharbeiten, falls Sie es noch nicht gemerkt haben.“

      Ich versuchte, das Gefühl von eben wiederzufinden, dieses Staunen. Aber es war weg und stattdessen wurde ich nervös. In meinen Händen glühte noch immer die Lava, allmählich