Sophie Lang

Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3


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Wo das Alte hin ist, habe ich gerade nicht gecheckt. Hat er es etwa eingesteckt?

      »Was ist dein Talent?«, fragt Zac mit seiner mädchenhaften Handschrift.

      Diese Frage ist seltsam. Zac muss doch sehen, dass ich unmöglich schon einundzwanzig sein kann und somit die Phase der Metamorphose noch nicht annähernd erreicht habe. Bei den meisten beginnt die Wandlung und somit die Erkenntnis, über welches mysteriöse und übermenschliche Talent sie verfügen, erst kurz vor dem einundzwanzigsten Geburtstag. Ausnahmen sind die Frühreifen oder Spätentwickler. Und dann gibt es da noch mich, die in keins der bisher bekannten Phänomene passt.

       »Hallo Du? Erde an Naomi!«

      Ich fasse mir an die Stirn, die schon ganz warm ist.

      »Naomi?«, frage ich laut und schaue schnell zum Professor. Er hat nichts bemerkt, fährt einfach mit dem Unterricht fort, von dem ich schon längst nichts mehr mitbekomme. »Woher kennst du meinen Namen?«, frage ich, während ich mir weiter die Stirn reibe, wodurch der Ärmel meines Longsleeves Richtung Ellenbogen rutscht und Zac den unscheinbaren Ausläufer des Exoskeletts sehen könnte, würde er über Infarotaugen verfügen. Schnell schiebe ich den Ärmel zurück an seinen Platz und lege meine Hand auf den Tisch.

      Zacs Hand rückt näher, berührt den Stoff meines Shirts und die darunterliegende Haut, schiebt es ein Stück hoch und streicht über das seltene Material, das in Leichtigkeit und Flexibilität seines gleichen sucht. Er kann es sehen? Warum? Warum kennt er meinen Namen, weiß von meinen Eltern? Was soll das? Zac hält inne, lässt den Stoff zurückfallen und streicht dann über meine Hand und meinen kleinen Finger. Mein Körper gerät wieder außer Kontrolle und bekommt eine Gänsehaut.

      »Ich habe mich über dich erkundigt«, sagt er. Sein Atem riecht angenehm süß, wie Zimt und Nelken oder Mandeln mit Muskat und plötzlich klingelt es zur Pause. Ich habe fast den gesamten Unterricht verpasst und Schuld daran ist der geheimnisvolle Junge neben mir.

      Naomi - Gesetze der Mathematik

      Liebend gerne wäre ich sitzen geblieben, nicht dem Strom der Studenten hinaus gefolgt. Es bleiben mir fünfzehn Minuten bis zur Mathevorlesung, von denen ich jede einzelne auf der Mädchentoilette verbringe. Ich bin vor ihm geflüchtet oder eher vor mir selbst?

      Als ich als letzte den kleineren Hörsaal betrete, muss ich feststellen, dass sich Zac neben Nike gesetzt hat. Ein hübsches Mädchen und ein guter Mensch ist sie, soweit sich das aus ihrem beobachtbaren Verhalten ableiten lässt. Ich bin erleichtert, dass er nicht neben mir sitzt und trotzdem fließt die Mathevorlesung an mir vorbei wie ein rauschender Fluss. Ich sehe die Spiegelungen auf seiner Oberfläche, höre seine Geräusche, bin aber nicht in der Lage in die Tiefen abzutauchen. Dreimal mache ich den Fehler und blicke mich zu Zac und Nike um. Ich bin durcheinander, komme mir schließlich nur furchtbar naiv vor, weil ich sehe, wie die beiden auf einem Blatt Papier geheime Botschaften austauschen. Und trotzdem oder gerade deswegen, fühlt es sich plötzlich wie ein Befreiungsschlag an.

      Die nächste Stunde habe ich Yoga und anschließend Jiu Jitsu. Ich habe gehofft, Phoenix wiederzusehen. Ich muss unbedingt mit meiner Psychotante reden, aber die Schlafmütze ist wohl noch immer nicht aus ihrem Bett geschlüpft. Da die Jungs - bis auf wenige Ausnahmen - die Muckibude besuchen, habe ich vor Zac und meinen verwirrenden Gefühlen ihm gegenüber Pause. Warum sich allerdings Nike genau neben mich mit ihrer Yogamatte legen muss, ist mir ein Rätsel. Vielleicht will sie damit prahlen, zweideutige Nachrichten mit Zac ausgetauscht zu haben. Ich versuche diese Tatsache, die ich während des Matheunterrichts beobachtet habe, zu ignorieren und konzentriere mich stattdessen darauf, meinen Bewegungsablauf zu verbessern, damit ich irgendwann beim Laufen nicht mehr aussehe wie eine wandelnde Maschine.

      »Ist das nicht furchtbar unbequem, den ganzen Tag so ein Exoskelett zu tragen?«, fragt mich Nike, während wir uns im Kopfstand befinden. Anscheinend ist das Exoskelett längst kein Geheimnis mehr.

      »Ich habe mich daran gewöhnt.« Tatsächlich ist es fast nicht zu spüren.

      »Wie lange hast du das denn jetzt schon?«

      »Dieses Jahr werden es zwei Jahre.«

      »Und warum musst du es immer tragen?«

      »Hör mal, was soll das?«

      »Wie? Was meinst du?«, heuchelt sie und gleichzeitig kommen wir aus dem Kopfstand heraus, sitzen nebeneinander auf unseren Yogamatten.

      »Na dieser krampfhafte Versuch, mit mir ein Gespräch zu führen. Wir hatten noch nie etwas miteinander zu tun, bis darauf, dass wir zufällig beide in Geschichte fast nebeneinandersitzen, und auch zusammen in Mathe, Yoga und auch sonst alle Fächer gemeinsam haben. Moment mal, bist du eine Stalkerin?«

      »Was? Spinnst du? Nur weil wir die gleichen Fächer haben?«, sagt Nike beleidigt.

      »Aber trotzdem. Also was ist los? Hast du ein schlechtes Gewissen?«

      »Was? Wieso sollte ich?«

      »Ich ...? Ach vergiss es!« Als Nächstes praktizieren wir den Schulterstand, diese Asana ist für mich eine der schlimmsten, weil ich meine Halswirbel und das sich anschmiegende Exoskelett dort noch am schlechtesten kontrollieren kann. Die mikroskopisch kleinen Atome kann ich mehr als bei jeder anderen Übung spüren, als ich diese Asana von ihnen abverlange.

      »Du bewegst dich so dermaßen sanft und perfekt, zu perfekt für einen Menschen«, sagt Nike, die mir zuschaut, anstatt selbst zu üben. Ich gleite aus dem Schulterstand heraus und durchbohre das blonde, hübsche Mädchen mit meinen Augen. So habe ich das noch nie gesehen, ich dachte stattdessen immer, ich bewege mich wie eine Maschine. Egal!

      »Nike, jetzt hör mal zu. Entweder sagst du mir jetzt, warum du plötzlich einen auf guten Kumpel machst, oder lässt mich in Ruhe Yoga machen.«

      »Es ist Zac«, platzt sie heraus. Das habe ich mir schon gedacht, sage aber nichts. »Er hat mich ausgefragt und wollte alles über dich und dein Exoskelett wissen. Warum du es trägst und wie lange und warum du noch so jung bist und trotzdem schon in den Vorlesungen bist und ...«

      »Stopp. Stopp. Stopp. Bitte halt mal die Luft an. Er hat was?«

      »Er will alles über dich wissen!«

      »Und da fragt er dich? Du weißt doch gar nichts über mich«, sage ich und dann fällt bei mir der Groschen. »Moment mal. Jetzt verstehe ich. Du fragst mich aus, damit du ihm mehr über mich erzählen kannst und so Zeit mit ihm verbringen kannst?«

      »Es ist nicht so, wie du denkst.«

      »Er gefällt dir, oder?«

      Dieses Mal ist es Nike, die nicht antwortet. Das Ende der Stunde erlöst uns und wir machen uns auf zum Kampftraining. Das persönlich meist geliebte und gleichzeitig gehasste Unterrichtsfach.

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