Angelika Nickel

Adda Fried


Скачать книгу

gar nicht sein, dass Mannheim keine neuen Morde haben soll«, schimpfte sie dabei vor sich hin.

      Just in diesem Augenblick klingelte das Telefon.

      Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, und eilte hinaus in den Flur, hin zu ihrem Telefon. »Fried«, meldete sie sich.

      »Hallo, Adda. Ich bin’s, Edgar.«

      »Dass du dich auch endlich wieder einmal meldest«, machte sie ihrem Frust Luft.

      »Reg‘ dich ab. Was glaubst du denn, weshalb ich dich anrufe?«

      Adda schwieg.

      »Herrjemine, jetzt spiel nicht schon wieder die Beleidigte.« Braun schüttelte den Kopf. Diese Frau, es gab Tage, da brachte sie ihn an die Grenzen seines Nervenkostüms. »Wir haben eine Mordserie. Frauenmorde; und brauchen deine Hilfe bei der Aufklärung. Wie sieht’s aus, hast du Zeit dafür?«

      »Komm und hol‘ mich ab. In einer Stunde bin ich soweit«, antwortete sie, hielt ihre Freude allerdings zurück. Er musste ja nicht unbedingt wissen, wie sehr sie einen Anruf wie diesen, herbeigesehnt hatte.

      »Okay, bis in einer Stunde also.«

      Adda eilte in die Küche. Hastig riss sie Teigstücke vom Hefeteig ab und rollte Kugeln daraus, die sie auf der bemehlten Tischplatte auslegte und mit sauberen Küchentüchern bedeckte. »Euch Dampfnudeln werde ich heute Abend backen. Bis dahin habt ihr Zeit genug gehabt, um auch richtig aufgegangen zu sein.«

      Sie eilte ins Bad und machte sich fertig.

      Eine halbe Stunde vor Brauns Eintreffen war sie fertig und wartete ungeduldig auf den Kommissar. Immer wieder lugte sie, zwischen einem Vorhangspalt hindurch, aus dem Wohnzimmerfenster hinaus, in der Hoffnung, ihn anfahren zu sehen.

      5 – Mordopfer, Hilde Hahnbügel

      Kolasa beschaute sich die Tote. Kurz vor fünfzig war sie, wie er ihrem Ausweis entnommen hatte. Und aus Deutschland kam sie.

      Er wandte sich an den Gerichtsmediziner. »Kann man schon sagen, ob Fundort auch gleich Tatort war?«

      »Nein, mit bestimmter Gewissheit können wir das ausschließen. Dort, wo sie gefunden worden ist, ist sie nur abgelegt worden. Ermordet wurde sie woanders.« Der Mann betrachtete den Major. »Was machst du jetzt, Kolasa? Musst dich ja nun mit den Deutschen in Verbindung setzen.«

      Kolasa nickte. »Ja, hatte mir schon fast so was gedacht.« Nochmals warf er einen Blick auf den Ausweis der Toten, der eingetütet neben ihr auf der Bahre lag. »Mannheim«, las er laut. »Wo ist das denn?«

      Der Pathologe grinste schief. »Keine Ahnung. Kannst aber den Weberszky fragen, der weiß es bestimmt.«

      Der Major stutzte. »Weberszky?«, wiederholte er den Namen. »Meinst du den langen Weberszky? Den Darius?«

      Sein Gegenüber nickte. »Ja, genau der. Er hat doch eine Frau in Deutschland. Und wenn mich nicht alles täuscht, lebt die in Mannheim, oder, einem Vorort davon. Irgend so etwas in der Art.«

      »Dank‘ dir.« Kolasa verließ die Gerichtsmedizin und rief übers Handy Weberszky an. Und tatsächlich, der konnte ihm weiterhelfen.

      Zwei Stunden später klingelte bei Braun das Telefon. »Mordkommission, Kommissar Braun am Apparat«, meldete er sich.

      »Major Kolasa. Mordkommission Polen«, drang eine resolute Mannerstimme an Brauns Ohr.

      »Hallo, Herr Major. Was kann ich für Sie tun?«, wunderte Braun sich, was ein polnischer Kommissar von ihm wollte.

      »Ich glaube, dass eher ich etwas für Sie tun kann.«

      »Sie, für mich, Herr Major? Wie das?« Braun setzte sich aufrecht hin. Den Zahnstocher spuckte er aus.

      »Bei uns in der Gerichtsmedizin liegt eine Frau. Hilde Hahnbügel, laut ihrem Ausweis.«

      Braun fuhr’s kalt den Rücken runter. Bis Polen hin, mordet das Schwein, dachte er. Der Kommissar räusperte sich. »Unfalltod?«, fragte er, und wusste schon jetzt, dass es sich bei der Toten um kein Unfallopfer handelte.

      »Nein, Mord«, antwortete Kolasa.

      »Herr Major, ich werde mich schnellstens zu Ihnen auf den Weg machen. Bis morgen werde ich da sein. Könnten Sie mir bitte zwei Zimmer in einer Pension besorgen. Für meine Kollegin und mich«, bat er den Major.

      »Sie können auch gerne bei mir wohnen. Ich habe einen großen Hof. Wenn Sie meine Katzen und Pferde nicht stören, sind Sie jederzeit willkommen.«

      »Vielen Dank, Herr Major, das Angebot nehme ich gerne an; auch im Namen meiner Kollegin.«

      »Gut so. Auf diese Art haben wir die Möglichkeit, auch nach Arbeitsende, uns noch weiter über den Fall zu unterhalten. Bei einem guten Glas Wodka, sogar«, lachte Kolasa und verabschiedete sich, allerdings nicht, ohne zuvor Braun seine Mobilnummer gegeben zu haben.

      Braun legte den Hörer auf. Eilig wählte er Addas Nummer.

      »Fried«, hörte er sie sagen.

      »Adda, es hat sich etwas geändert. Du musst dir eine Reisetasche packen. Nimm Kleidung für ein paar Tage mit.«

      Adda stutzte. »Wieso das denn?«

      »Unser Fall, er reicht dieses Mal bis hin nach Polen.«

      »Polen? Was soll ich denn dort. Ich spreche ja noch nicht einmal polnisch.«

      »Brauchst du auch nicht. Der Kommissar dort, der kann gut in Deutsch; hatte ihn soeben an der Strippe.«

      »Wie du meinst. Wie viel Tage, denkst du, dass wir bleiben?«

      »Keine Ahnung. Pack mal Klamotten für ‘ne Woche ein.«

      »Eine Woche!« Adda wurde heiß. Was sollte sie nur mit ihrem Imbiss machen. Unmöglich konnte sie ihn sieben Tage geschlossen halten.

      Elfriede!

      Musste Elfriede herhalten und den Imbiss aufmachen. Bert konnte sie dieses Mal nicht bitten, der war im Schwarzwald mit einer seiner Freundinnen unterwegs. Von Nordmann hatte sie eine Weile schon nichts mehr gehört; und Jörg hatte zwar Urlaub, musste sich aber um seine Kinder kümmern. Seit er geschieden war, hatte er sie mitunter an den Wochenenden und, wenn Ferien waren. Von daher blieb nur Elfriede.

      »Horch, Edgar, ich leg jetzt auf. Immerhin muss ich noch packen. Komm von daher erst bis fünfzehn Uhr. Danke.« Sie beendete das Gespräch und wählte gleich darauf Elfriedes Nummer.

      Es dauerte, bis ihre Tochter sich endlich am anderen Ende der Leitung meldete.

      »Du musst den Imbiss machen, Friedel. Und heute Abend auch noch in meine Wohnung gehen und die Dampfnudeln backen. Liegen hier auf dem Küchentisch. Bin in einer Woche wieder da. Der Edgar braucht mich. Dir mehr zu erzählen, hab ich jetzt keine Zeit mehr.«

      Noch bevor Elfriede auch nur ein Wort sagen konnte, hatte Adda abgehängt.

      Auf Elfriedes Anruf reagierte sie nicht. Sie hatte keine Zeit für Diskussionen mit ihrer Tochter.

      6 – Edgars Bleifuß

      Bleich saß Adda auf dem Beifahrersitz, den Blick angestrengt aus dem Fenster gerichtet; denn, sah sie auf Brauns Tacho, wurde ihr schlecht. Ab einem gewissen Tempo zog die ältere Dame es vor, nicht wissen zu wollen, wie schnell gefahren wurde. Diesbezüglich erging es ihr auch mit Braun. Dass der Kommissar dermaßen in die Eisen treten würde, damit hatte sie auf keinen Fall gerechnet.

      Draußen dunkelte es bereits, und auch ihr Magen meldete sich durch Knurren zu Wort. »Sag, Edgar, wollen wir nicht endlich einmal eine Pause machen und uns was zwischen die Kiemen schieben?«, fragte sie, ohne ihn dabei anzusehen.

      »Hunger? Du hast tatsächlich Hunger? Wie geht das denn an?« Er lachte. »Ich dachte, du