ließ.
»Wie wär’s, mag einer von euch ‘nen Wodka zum Verdauen?« Kolasa hielt Braun die eiskalte Wodka-Flasche hin, während er mit der anderen Hand die Gläser in Richtung Adda schwenkte.
Sie jedoch lehnte ab. »Nein, danke. Mit einem kalten Bier, Herr Major, könnten Sie mir allerdings eine Freude machen.«
Der polnische Kommissar lachte breit. »Wenn Sie Bier wollen, Frau deutsche Kommissarin, müssten wir in mein Büro fahren, da habe ich nämlich stets einen Kasten neben dem Schreibtisch stehen.«
Die Möchtegern-Detektivin schlenkerte verwundert ihren Blick an ihm entlang, und überlegte, ob der Mann sie womöglich verulken wollte. Doch kein Muskel regte seine Miene.
»Hast du das gehört, Edgar? Beim Major gibt’s Bier bei der Arbeit. Bei dir auch? Hast mir noch nie eins angeboten!«, beschwerte sie sich auch prompt. Ein Bierchen nach einem anstrengenden Arbeitstag wäre so manches Mal, nicht zu verachten gewesen!
»Adda, sei so gut! In meiner Dienststelle wäre der Teufel los, wenn ich etwas Derartiges in meinem Büro aufbewahren und womöglich auch noch anbieten würde.« Nun fühlte auch Braun sich der Situation ausgesetzt, mit zweifelndem Blick zu Kolasa hinzuschauen und zu versuchen, herauszufinden, ob der Mann es tatsächlich ernst meinte. Doch auch er sah sich nicht in der Lage, Kolasas steinerne Miene zu deuten. Er spuckte den Zahnstocher in den Aschenbecher, zog einen neuen aus der Packung und schob ihn sich zwischen die Zähne. »Doch wie heißt es so schön«, sagte er, als er bemerkte, dass Adda wieder dabei war, eine beleidigte Miene aufsetzen zu wollen, »andere Länder, andere Sitten.«
»Also kein Bier.« Die ältere Dame klang enttäuscht. Immerhin, ein gut gekühltes Bier, nach Kolasas scharfem Essen, wäre im Augenblick genau das Richtige gewesen.
»Nein, bedauere.« Der Major stellte den Wodka vor Braun auf dem Tisch ab. »Bedienen Sie sich, Herr Kommissar.« Als er Edgar Brauns überraschten Gesichtsausdruck bemerkte, stellte er sachlich fest: »Bei uns nehmen wir das nicht so streng. Wenn wir Gäste haben, sind diese auch herzlich dazu eingeladen, sich selbst zu bedienen. Völlig zwanglos.«
Dankend nahm Braun das Angebot an; schenkte sich ein und kippte das Glas in einem Zug hinunter.
»Ein Schluckspecht bist du auch noch!«, ereiferte Adda sich. »Noch nicht lange in diesem Land, und du präsentierst dich gleich von einer Seite, die ich dir niemals zugetraut hätte.« Sie schielte von unten herauf, zu ihm hin. »Hauptsache du hast deinen Schnaps und ich kein Bier. Wahre Gerechtigkeit, nenne ich das«, konnte sie ihren Sarkasmus, sich nicht verkneifen, von sich zu geben.
»Aber, aber. Das ist doch alles kein Grund zum Ärgern. Wenn Sie möchten, Frau deutsche Kommissarin, ich habe auch Krimsekt. Ich schenke Ihnen gerne ein Gläschen oder zwei, davon ein.«
Verwundert schaute Adda ihn an. Den Kopf leicht zur Seite hin geneigt. »Krimsekt, in Polen? Ich dachte, den böte man in Russland an.«
Kolasa lachte breit, und laut. »Ich bitte Sie, wir leben doch nicht mehr hinterm Mond.« Auch er zog sich ein Glas heran, setzte sich wieder zu den beiden an den Tisch, und schenkte sich ebenfalls vom Wodka ein. »Wir leben doch nicht mehr, was weiß ich, in welchem Jahrhundert. Immerhin schreiben wir das Jahr 2013, werte deutsche Kollegin«, lachte er, und kippte auch das zweite Glas hastig hinunter. »Recht bald sogar, schon 2014«, amüsierte er sich weiter, und wischte sich dabei Wodkaperlen vom Kinn.
Kolasa versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen, als er sagte: »Ich mag ein unterbezahlter polnischer Kommissar sein, der sich auch kein besseres Auto, als einen alten verbeulten, fast nur noch aus Rost zusammengehaltenen Polski Fiat …«
»Farbe?«, fragte Braun dazwischen, um die Stimmung ebenfalls zu entspannen, versuchte.
»Rot, wie Rostlaube«, antwortete der Major knapp und wandte sich auch sofort wieder Adda zu. »Wie gesagt, ich bin ein polnischer Kommissar, mit einem bescheidenen Gehalt und einem noch bescheideneren Wagen. Aber Krimsekt, Frau deutsche Kommissarin, den kann ich mir schon leisten, und wenn ich dafür eine Woche nicht tanken fahre. Im Zweifelsfall gibt’s auch noch mein Fahrrad, das draußen im Stall steht und jederzeit fahrbereit auf mich wartet.«
»Dann nehme ich ein Glas Sekt«, antwortete sie schnippisch, da sie das Gefühl hatte, dass der Pole sie auslachte und sich über sie lustig machte. Auch wusste sie nicht, ob sie das mit seinem Auto, tatsächlich glauben sollte. Diesen Mann musste sie erst einmal richtig kennen lernen, bevor sie sich ein Urteil über ihn erlauben konnte, das wusste sie jetzt schon; und irgendwie passte ihr das gar nicht. Sie mochte die Menschen lieber gleich einzuschätzen wissen, als sie erst einmal beschnuppern zu müssen.
Der Major stand auf und kam auch kurz darauf mit drei Gläsern und einer Flasche Krimsekt zurück. Hinter ihm trotteten Max und Moritz in die Küche, sprangen hoch auf die Anrichte und machten es sich dort bequem.
»Is‘ ja super! Katzen, die auf der Anrichte liegen, und das dort, wo man Essen macht.« Sie schüttelte sich. »Bäh, all die Haare, igitt!«
Kolasa winkte ab. »Nur keine Bange, ich mache immer erst mit einem feuchten Tuch sauber, bevor ich zu kochen anfange.«
»Will ich aber auch hoffen.« Adda nahm das gefüllte Sektglas entgegen und prostete den Männern zu.
»Auf gute Zusammenarbeit«, ließ Braun seinen Trinkspruch verlauten.
»Dass wir gemeinsam den Fall lösen«, ergänzte Kolasa.
»Und dass ich bald wieder heim in mein eigenes Bett komme«, murmelte Adda vor sich hin. Obwohl, ohne den Mörder zur Strecke gebracht zu haben, wollte sie das Land nicht verlassen; wobei sie auch nichts dagegen gehabt haben würde, stellte sich heraus, dass der Kerl in Deutschland wohnte, und sie von zuhause aus, würde weiter ermitteln können.
Kolasa warf einen Blick in Addas Kaffeetasse. »Soll ich nochmals nachschenken? Wenn schon kein Wodka zum Kaffee, dann wenigstens doch Kaffee zum Krimsekt«, scherzte er.
»Mindestens, Herr Major; wenn’s schon kein Bier für mich gibt.« Sie schob ihm die Tasse hin und er nahm sie auf, während sie ihn aufforderte: »Schenken Sie mir nochmals die Tasse voll.« Allerdings zeigte Addas Verhalten als auch ihr Ton, dass sie bereits wieder versöhnlicher gestimmt war.
»Kolasa, das reicht völlig. Selbst eine, ich meine natürlich meine«, Verlegenheit schlich sich durch den Versprecher in seinen Tonfall. »Wie gesagt, sogar meine Susanne nennt mich meist Kolasa«, beendete er seinen Satz. Nach einer kurzen Pause nahm er den Gesprächsfaden aufs Neue auf, da ihm etwas eingefallen war, was er den Deutschen noch sagen wollte: »Und das mit dem Sie braucht’s aus meiner Sicht auch nicht«, bot der Major ihnen das Du an.
»Gerne, Kolasa. Ich bin der Edgar«, erwiderte Braun das Du.
»Und ich, Major, bin die Frau deutsche Kommissarin, nur mit einem Du mit dabei«, lachte sie. Adda gefiel die Anrede Frau deutsche Kommissarin bestens. Das müsste Friedel jetzt hören, die würde mit Sicherheit wieder die Backen aufblasen, vor Entsetzen, stellte sie sich ihre Tochter vor, und wie sie auf diese Situation reagieren würde.
9 – Zum hintersten Nirgendwo
Adda wachte mit Kopfschmerzen auf. Sie hatten gestern Abend noch lange getagt, zusammen mit dem polnischen Kommissar.
Zudem hatte sie zu viel von dem leckeren Krimsekt getrunken, und ab einer gewissen Menge an Sekt, war sie sogar Kolasas Angebot mit dem Wodka nachgekommen, so dass sie sich über ihren Brummschädel nicht weiter zu wundern brauchte.
Der Tag fing, aus Addas Sicht, echt bescheiden an. Nicht genug, dass ihr der Schädel dröhnte, hatte sie auch noch Zahnschmerzen, die sich über die komplette rechte Seite ihres Zahnfleischs zogen.
Als sie aufstand, spürte sie kaum noch ihren Rücken. Überall schmerzte er. Klar, bei den alten Matratzen! Matratzen, dreigeteilt, wie sie meine Eltern noch in ihrem ersten gemeinsamen Ehebett gehabt hatten.
Sie