Ralf Falbe

Unterwegs auf drei Kontinenten


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für Sichtung des Großen Weißen gilt. Ein paar Fakten: Pro Jahr gibt es etwa sechs Tote durch Haiangriffe, aber pro Jahr werden auch mehr als 100 Millionen Haie durch Menschen getötet! Berüchtigt wurde das „Mexiko-Massaker“ in dem Schutzgebiet Islas las Revillagedos, wo profitgierige Fischer vor den Augen korrupter Beamter den kompletten Bestand wegfischten – nicht zuletzt, um die begehrten Haifischflossen nach Fernost zu exportieren. In Folge hat sich auch der Tauchsportverband PADI stark gemacht im Kampf für die Haie – Suppe, Flosse oder Gebiss sollen bald der Vergangenheit angehören. Der Australier Rodney Fox wurde 1963 Opfer eines Haiangriffs und gilt seitdem als Experte und vehementer Schützer des Großen Weißen: In dem Unterwasserstreifen „Deep Blue, White Death“ von 1968 filmte er bereits Weiße Haie aus einem Käfig heraus und war später auch bei der Verfilmung des Schockers „Der Weiße Haie“ als Berater tätig. Noch in den 80er Jahren war dieser spektakuläre Nervenkitzel, zusammen mit einem Großen Weißen im „Big Blue“ zu treiben, nur wenigen Auserwählten mit gefülltem Bankkonto zugänglich. Die Zeiten ändern sich: Heute spaziert man in ein Reisebüro in Kapstadt, zahlt umgerechnet zwischen 80,00 und 90,00 Euro, und findet sich am nächsten Morgen in der Bucht von Gaansbai wieder.

      Zunächst wird gemeinsam gefrühstückt, die Gruppe beschnuppert sich, es sind etwa ein Dutzend ausländische Haifreunde in der Runde. Das Geschäft mit den knorpeligen Räubern scheint zu brummen. Mit Traktoren werden draußen die hochseetauglichen Boote in den rauen Südatlantik gehievt, der Tidehub ist zuweilen gewaltig. Insgesamt sechs Boote laufen an diesem Morgen aus. Ziel: Der sechs Seemeilen entfernte, 100 Meter lange Kanal von Dyers Island, als „Shark Alley“ weltberühmt geworden. Heimat und Futterstelle von Pelzrobben und unzähligen Weißhaien, diesen monströsen Fressmaschinen mit perfekter Präzision. Die Stimmung an Bord ist gespannt, fast alle spähen angestrengt nach der berühmten Dreiecksflosse, wollen „ihn“ als erstes sichten. Es sind Haifreaks und Fotografen unter der Gruppe, aber auch normale Backpacker auf dem Wege nach Botswana oder Mosambik.

      Der Anker fällt, das Boot schaukelt in der Dünung. Die Crew beginnt mit ihrem Spiel: Es wird reichlich Fischblut und Thunfisch im Wasser verteilt, eine Robbenattrappe aus Holz treibt im Schlepp und der Käfig wird zu Wasser gelassen. Die ersten tauschen nervöse Blicke, andere können es kaum erwarten und springen über die Bordwand in den schaukelnden Käfig, der am Boot festgemacht ist. Es werden heute andere Zellen verwendet als in den alten Filmen, in denen einsame Taucher auf den Meeresgrund absacken und dabei von tollwütigen Bestien attackiert werden. Nein, in der Neuzeit verwenden die geschäftstüchtigen Südafrikaner Gehäuse, die bis zu sechs Personen auf einmal fassen und die nur noch an der Oberfläche neben dem Boot treiben. Der Vorteil ist offensichtlich: Der Adrenalinkick wird massentauglich, ist für Schnorchler auch ohne Tauchausbildung möglich, kostet den Veranstalter weniger bei mehr zahlenden Gästen. Ob die Haie das auch zu schätzen wissen?

      Endlich zieht ein grauer Schatten seine Bahnen um das Boot, das Adrenalin steigt. Mittendrin statt nur dabei. Die erste Gruppe im Käfig fuchtelt nervös mit beschlagener Taucherbrille und Unterwasserkameras herum, manch einer hat in der Aufregung glatt vergessen, die richtigen Batterien einzulegen. Nach dem Schichtwechsel schlägt das grünblaue Wasser über unseren Köpfen zusammen, dann das unbeschreibliche Gefühl, diesem gigantischen Räuber der Meere mit seinem beeindruckenden Riesenmaul einmal im unendlichen, diffusen Blau gegenüberzustehen – er ist plötzlich da, anscheinend aus dem grauen Nichts der unendlichen See aufgetaucht. Das Mekka der Haitaucher hat Wort gehalten. Der wuchtige Riese verharrt lässig vor den Aluminiumstäben und es scheint, als mustere er uns eine Unendlichkeit lang abschätzig mit seinen regungslosen, starren Augen. Dann dreht er gelangweilt ab, nicht ohne noch durch seinen kraftvollen Schwanzschlag dem schlingernden Käfig einen Abschiedshieb zu verpassen, und zeigt uns kurz seinen weißen Bauch.

      Oben bemüht sich die Crew, den Hai mit einem hölzernen Robbenköder aus der Reserve zu locken und der zahlenden Belegschaft eindrucksvolle Fotomotive zu bieten. Der Weißhai zeigt seine berühmten Zähne und die Kameras in der Runde klicken. Wir sind unter Profis. Man doziert über die Sippe der Weißhaie und wir erfahren, dass einige dieser bis zu sieben Meter langen Tiere regelmäßig zwischen Südafrika und Australien pendeln – einigen Exemplaren wurden Sender eingepflanzt. Die Ehrfurcht vor diesen beeindruckenden Kreaturen steigt ins Unermessliche.

      Wir werden gut bedient, bekommen zwei Tauchdurchgänge für unser Geld, sind alle komplett „gestoked“ und fahren am Nachmittag wieder zurück nach Gaansbai. Wir haben ihn gesehen – den König der Meere.

       Gut zu wissen:

      Anreise: Lufthansa oder South African Airways direkt nach Kapstadt. Entweder auf eigene Faust mit dem Leihwagen nach Gaansbai (ca. drei Stunden Fahrt) oder über einen Tauchanbieter den Transfer mitbuchen. Individualreisende können auch mit dem Baz Bus, www.bazbus.com, weiterreisen.

      Weiße Haie: Käfigtauchen vom Boot aus, beste Zeit Februar bis September. Zu buchen z. B. bei „White Shark Ecoventures“, www.thelongstreettravelcentre.co.za oder über „Detour Traveller´s Shop“, www.detourafrica.co.za, in der Long Street, Kapstadt.

      Reiseführer: „Südafrika, Namibia & Mosambik“, cybertours-x Verlag, hilfreicher Band für preisbewusste Individualtouristen mit vielen Adressen, Busfahrplänen und günstigen Unterkünften.

      Information: Getaway: Going places – doing things in Africa, www.getawaytoafrica.com

      2 Salvador da Bahia ungeschminkt (2008)

      „Ó paí,ó“ – so heißt ein brasilianischer Spielfilm über den touristischen Stadtteil Pelourinho („Schandpfahl“) und seine Bewohner in Salvador da Bahia; zu erstehen u. a. als Raubkopie für fünf Real bei den Straßenhändlern vor dem Lapa Shopping Center, unweit des Praça Piedade im Zentrum Salvadors. Ein Streifen, der anders als die mit Preisen ausgezeichneten Filme „Tropa de Elite“ oder „Cidade de Deus“ eher weniger auf spektakuläre Szenen von Bandenkriminalität setzt, sondern humorvoll den Alltag in diesem Viertel und dieser Stadt skizziert:

      Trotz Minimo Salárío (Mindestverdienst, etwa 400 Real monatlich inklusive freier Kost und Logis) mogelt man sich erfolgreich durch den Alltag, sucht seinen persönlichen Jeitinho (Trick des Überlebens), lebt für den Augenblick und den nächsten Karneval - es wird auf den Straßen zugleich gestorben und geliebt und getanzt. Es ist die Energie der Menschen, die niemanden kalt bleiben lässt. Jorge Amado, Salvadors berühmtester Schriftsteller, bemerkte dazu einmal: „Das Volk ist stärker als die Armut. Auch wenn das Überleben vor lauter Schwierigkeiten und Grausamkeiten fast unmöglich erscheint, das Volk lebt, kämpft, lacht, gibt nicht auf.“

      Man tut gut daran, hinter die Kulissen zu schauen, denn aufgrund der günstigen Flugverbindungen nach Salvador da Bahia boomt die Stadt als neues Tor zu Brasilien. Und die europäischen Touristen gelangen alle früher oder später in den Stadtteil Pelourinho, sind hier doch die bedeutendsten Kolonialbauten, Museen, Kirchen und eine komplette historische Barockstadt aus der Portugiesenzeit zu besichtigen.

      Man kann tapsige Reisegruppen aus Spanien, Portugal, Argentinien, Holland oder Deutschland beobachten, die mit eigenem Sheriff und Reiseleiter über das Kopfsteinpflaster der Gassen geschleust werden, unangenehm berührt von zahnlosen Bettlern mit aufgeblähten Bäuchen (fast immer ein Zeichen von Wurmbefall und auf verunreinigtes Trinkwasser zurückzuführen) und aufdringlichen Schmuckverkäufern, die bunte Candomblé-Bändchen als gratis Presente anbieten und doch nur ihre überteuerten Holzketten verkaufen wollen. Auch in Brasilien wird ein Geschenk gewöhnlich mit einem Gegengeschenk beantwortet.

      Capoeira-Tänzer und Frauen in traditionellen Kostümen posieren für zehn Real vor den ausländischen Digitalkameras und Camcordern, oftmals routiniert wie Heidi Klum. Später verweilt man in einem dieser romantischen Cafés in der Altstadt, sitzt auf Plastikhockern, die schief auf dem Kopfsteinpflaster aufliegen