Ralf Falbe

Unterwegs auf drei Kontinenten


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Zuschlag für die Musiker und Service) und ernten dafür ein schüchternes „Obrigado“. Die Romantik bröckelt dann doch irgendwann. Zu späterer Stunde wechseln nämlich Ware und Gäste, es erscheinen die Mariposa de la Noite, die Garotas de Programa, die auf Gringofang gehen und sich hier vor der Nachtschicht für fünf bis zehn Real die Nase pudern – Kokain kostet in Brasilien nur einen Bruchteil des europäischen Marktpreises. Man kennt sich, Kellner und Mädchen zwinkern einander zu, es gibt wenig neue Gesichter in der vertrauten Szene und die Toilette ist oft besetzt.

      In der schmuddeligen Gasse hinter den Touristenrestaurants wanken betäubte Gestalten durch die junge Nacht. Die unverwüstlichen Klassiker von Bob Marley, neben Nelson Mandela und Malcom X einer der Helden des schwarzen Salvadors, wehen über das raue Kopfsteinpflaster. Musicá de Malandros – Gangstarap für die einen, Befreiungsmusik für die anderen. Am Morgen erscheint hier regelmäßig ein Trupp städtischer Angestellter mit einem Hochdruckreiniger und kärchert die Reste der vergangenen Nacht in das Universum.

      Nebenan beklagt ein Münchner Kneipenwirt, seit 13 Jahren im Pelourinho beheimatet, dass seine Gäste selbst Glühbirnen und Klopapier vom Lokus klauen würden. Ab sofort, so sein Plan, wird die Toilette so eng zugemauert, dass sich nur noch eine Person hereinzwängen kann. Warum? Nun ja, auf diese Weise gäbe es keine ausschweifenden Sex- und Drogenpartys mehr auf der Klobrille, also weniger Diebstähle und keine lästigen Polizeikontrollen, die mit aufgehaltener Hand nach „Bakschisch“ verlangen. Denn als Gringo, das ist klar, zahlt man hier immer für andere mit - Brasilien eben.

      An den strategischen Punkten wacht durchaus das Auge des Gesetzes über den europäischen Touristenstrom, oftmals mit blinkenden Digitalkameras und kostbaren Uhren behangen. Aber auf diese unmotivierte Truppe ist nicht wirklich Verlass, zu gering ist das Einkommen (etwa 800 bis 1.000 Real monatlich), zu verbreitet die Korruption, zu groß das Desinteresse, einem beklauten Touristen beizustehen: Wer sich ein Flugticket nach Brasilien leisten kann, der kann sich auch eine neue Kamera kaufen.

      Ein weiteres Problem ist die schwerfällige Justiz Brasiliens – nur rund 10% aller Gewalttäter werden rechtskräftig verurteilt. Also stehen die Uniformierten – wenn sie nicht gerade wieder streiken oder dunkelhäutige Verdächtige verhaften - sonntags grinsend in ihrer Wache und amüsieren sich über die Schlangen von herausgeputzten Touristen, die für ein Konzert der Sambagruppe Olodum neben der Casa de Journalista anstehen. Der Eintrittspreis beträgt dreißig Real und wird ohne mit der Wimper zu zucken gezahlt. Eine Summe, für die sich die Mädchen in der schmuddeligen Cidade Baixa (Unterstadt) bereits verkaufen oder gut gelaunte Drogenhändler bis zu fünf Gramm Kokain verhökern. Daneben die zerlumpten Dosensammler, die das zerdrückte Leergut der Touristen einsammeln und in riesigen Plastiksäcken hinter sich herziehen (manchmal auch mit Diebesgut gefüllt), und die für dreißig Real wohl bald eine Woche lang arbeiten müssten. Und auch der strubbelige Straßenjunge ist wieder da, der immer mit den drei Kokosnüssen vor den Touristen jongliert und auf diese Weise hin und wieder ein durchaus attraktives Einkommen erzielt. Sein Freund ist ein einäugiger Straßenhändler, ein Cachaçeiro (Säufer) mit schmierigem Handkarren, der einzelne Zigaretten, Streichhölzer und Bonbons für wenige Centavos anbietet. Eine Welt, in der die großen Fische die kleinen auffressen.

      Und so ist es hier im Pelourinho der auffällige Kontrast zwischen Arm und Reich, der sich immer wieder unerfreulich bemerkbar macht. Normale Baianos lassen sich hier denn auch so selten wie möglich blicken, gilt der Stadtteil doch als touristisches „Disneyland“, in dem alles völlig überteuert ist und sich nächtens nur verdorbene Mitmenschen herumdrücken.

      3 Die Schlei – Deutschlands schönster Fjord (2009)

      Bereits die Wikinger kannten den Seeweg der Förde, wie zahlreiche Funde in der Schlei belegen. Die Siedlung Haithabu bei Schleswig wurde in den Jahren 2005 – 2008 nach archäologischen Funden an historischer Stelle rekonstruiert, nicht zuletzt unter Mitwirkung örtlicher Handwerksbetriebe. Der Nachbau von insgesamt sieben Gebäuden und einer Landungsbrücke dokumentiert den Besuchern auf eindrucksvolle Weise die Lebenswelt dieser frühstädtischen Handelsstation aus dem Jahr 833 n. Chr. bis in das 10. Jahrhundert. Charakteristisch ist die Ausrichtung der Häuser auf den zentralen Bohlenweg, der einst parallel zum Noorufer verlief, und von dem kleinere Wege auch zur rekonstruierten Hafenanlage führen. Dort fanden sich mehrere Landebrücken, die alle weit in das Haddebyer Noor hinausragten. Die Anlage ermöglichte so auch den tiefgängigen Handelsschiffen ein schwimmendes Anliegen, wurden zuvor doch die leichteren Kriegsschiffe einfach ans Ufer gezogen oder an kleinen Steganlagen festgemacht. Die originalgetreu aufgebaute Handelssiedlung besteht aus Versammlungshaus, Landebrücke, Herberge für Handelsreisende, Haus des Fischers, Haus der Händler, Haus des Holzhandwerkers, Haus des Kammmachers und Haus des Tuchhändlers. Die lehmverputzten Flechtwandhäuser dominieren, aber man findet auch Blockhauskonstruktionen aus übereinander geschichteten Kanthölzern und Wandgerüstbauten mit schrägen Außenstützen. In den einzelnen Gebäuden werden unterschiedliche Bauweise und typische Arbeitsgeräte aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. dokumentiert sowie Inhalte des wikingerzeitlichen Lebens exemplarisch dargestellt. Im benachbarten Museum wird in der Schiffshalle das königliche Langschiff aus dem Hafen von Haithabu präsentiert. Ebenfalls laufen dort Filme über die archäologischen Forschungen und die Welt der Wikinger. Die Schausammlung informiert auch über Bekleidung, Schmuck, Bestattungssitten, Runensteine und Alltagsleben der Wikinger an einem der bedeutendsten Siedlungsplätze Nordeuropas.

      An der Mündung des Fjords liegt die Lotseninsel Schleimünde, die unter Naturschutz steht und nur mit dem Schiff zu erreichen ist. Der Leuchtturm von 1871 wirkt als markantes Wegzeichen für Seefahrer, während das Lokal „Giftbude“ Anlaufstelle für müde Touristen ist. Den größten Yachthafen der Schlei findet sich in dem ehemaligen Fischerdorf Maasholm, wo 450 Liegeplätze zu verzeichnen sind. Gleichzeitig ist dies der Heimathafen für den Seenotkreuzer „Nis Randers“, der auch besichtigt werden kann. Der Landarzt wohnt in Kappeln, auch bekannt aus der gleichnamigen Fernsehserie als „Dekelsen“. Ein Besuch der Drehorte per Schiff und Rad steht hoch im Kurs, können Touristen doch bei einigen Szenen als Komparsen mitwirken. Klassische Herrenhäuser und historische Reetdächer, aber auch die Angelner Dampfeisenbahn, Museumshafen oder der 500 Jahre alte Heringszaun sind sehenswert. Unweit von Kappeln liegt der Weidefelder Strand, der Ostsee-Strandvergnügen für alle bietet: Tretbootverleih, Surfschule, Strandkorbvermietung, Beachvolleyball.

      Weiter flussabwärts am Nordufer der Schlei liegt Bad Arnis, die kleinste Stadt Deutschlands mit nur rund 350 Einwohnern. Die alte Schifferkirche aus dem Jahre 1669 ist einen Besuch wert, aber auch drei Werften, die einst für Handel und Fischerei fertigten. Urig und malerisch sind die kleinen Fachwerkhäuser, die Rosenstauden und die von Linden gesäumte Straße, die „Lange Straße“. Die Schleidörferstraße führt weiter gen Westen.

      Sieseby steht unter Denkmalschutz und beeindruckt seine Besucher durch reetgedeckte Häuschen und die dreistufige Kirche aus dem 12. Jahrhundert, die fast am Ende der Dorfstraße liegt. Mit Blick aufs Wasser lässt es sich trefflich im Restaurant „Schlie Krog“ verweilen, das im ehemaligen Bürgermeisterhaus untergebracht ist. Von Sieseby aus führt auch ein Fahrradweg direkt am Schleiufer in Richtung Winnemark, wohl einer der schönsten Streckenabschnitte für Radwanderer entlang der Förde. Fahrradverleihe gibt es in der Region wohl in fast jedem größeren Dorf.

      Das im Jahre 1415 erbaute Gut Dänisch-Lindau, ein reetgedeckter Backsteinbau, verfügt auch über einen Rittersaal und muss in der Landarzt-Fernsehserie als Praxis herhalten. Unweit liegt die Klappbrücke von Lindaunis, eine alte Stahlkonstruktion aus den 30er Jahren, die alle dreißig Minuten von der Regionalbahn der Strecke Flensburg-Kiel frequentiert wird. Weltumsegler Wilfried Erdmann hat sich im Schleidorf Goltoft niedergelassen und plant von hier aus seine Reisen. Berühmt ist sein Buch „Alleine gegen den Wind“, aber auch seine Dia- und Filmvorträge. Es folgt die Missunder-Enge, auch „der Schlund“ genannt, die schmalste Stelle der Schlei. Eine urige Seilfähre verbindet hier auf der Angelner Seite den Ort Brodersby mit Missunde, das auf der Schwansener Seite liegt. Das „Missunder Fährhaus“ (www.missunder-faehrhaus.de) bietet Touristen Einkehr, während alte Befestigungsanlagen