sie nicht mehr in der Lage, die sich zurück ziehenden Horden zu verfolgen und so vielleicht doch noch die Niederlage zu mildern.
Sirgith stieß den von Darkahr geforderten Pfiff mit all ihrer verbliebenen Kraft aus und tatsächlich erhoben sich einige Gestalten und kamen schwankenden Schrittes auf Darkahr und Sirgith zu.
In der aufkommenden, bedrückenden Stille konnte Darkahr Sirgith nach ihrem Sohn fragen, der schon lange im Basislager in Sicherheit war. Darkahr seufzte erleichtert auf. Während sich einige Krieger langsam um Darkahr sammelten und Sirgith die Wunden der Krieger versorgte, wanderten Darkahrs Gedanken zurück zu dem Zeitpunkt, als sein Volk die ersten Kontakte mit den Kriegern der wilden Horde hatte. Vor vielen Sommern drangen die ersten Krieger in die weite Ebene ein, aber sie stellten keine echte Bedrohung dar, schnellwurden sie von den Kriegern der Provinzen besiegt.
Damals wurde dann von dem Dorfältesten angeordnet, das eine ständige Präsenz von Kriegern aus allen Provinzen an dem Ufer des südlichen Flusses, der die weite Ebene von Osten bis Westen abschloss und sie ideal vor Eindringlingen schützte, patrouillieren sollte, um so etwaige Eindringlinge sofort abfangen zu können. Auf der anderen Seite des südlichen Flusses war ein riesiges Waldgebiet, das ihre Vorfahren durchquert hatten, auf der Suche nach einer neuen Heimat, fast undurchdringlich, auch deswegen war es schier unmöglich, die weite Ebene zu erreichen.
Darkahr hob seinen Kopf und schaute hinüber zu den fernen Gebirgen, die die weite Ebene im Osten, Norden und im Westen mit gewaltigen Bergen in einem weiten Bogen einrahmte und ihre Heimat besser schützte als die beste Verteidigungsanlage.
Aber die einzelnen Angriffe der wilden Horde häuften sich und wurden zu einer ständigen Bedrohung für die Bewohner der weiten Ebene. Die Krieger suchten immer neue Wege, um in die weite Ebene einzudringen. Kamen sie anfangs nur vereinzelt über den Fluss, fanden sie jetzt einen Weg am Fuß des westlichen Gebirges am Ufer des Flusses entlang in die weite Ebene und verwüsteten fast die ganze westliche Provinz. Nur mit Mühe konnten die Krieger der mittleren Provinz ein weiteres eindringen der wilden Horde verhindern und die Menschen, die voller Panik aus ihrer Provinz flüchteten, vor weiteren Angriffen schützen.
Erleichtert konnte Darkahr feststellen, dass sich doch noch eine, wenn auch bescheidene Gruppe von Kriegern zusammen gefunden hatte. Alle mehr oder weniger schwer verwundet. Die Heilerinnen kümmerten sich intensiv um die Verwundeten und organisierten den Abtransport. Schon kamen die Männer, die auf Anweisung von Darkahr in dem Basislager ausharrten, zu Hilfe. Weitere Frauen aus dem Lager halfen jetzt den Heilerinnen und versorgten die Verwundeten.
Darkahr konnte im schwindenden Licht die Silberfläche der zwei Flüsse schimmern sehen, die die weite Ebene in die drei Provinzen teilt. Seine Ahnen, die vor vielen Generationen ihre Heimat weit unten im Süden verlassen mussten, weil die Dürre über Jahre hinweg alles Leben unmöglich machte, hatten die weite Ebene nach jahrelanger Suche nur durch die Beharrlichkeit des Stammesältesten, der sein Volk immer wieder antrieb und ihnen immer wieder versicherte: „Wir werden eine neue, eine gute Heimat finden, habt nur Geduld“, zu verdanken.
Sie zogen aus dem Süden, der unter der brutalen Gewalt der Sonne vertrocknete und zur Wüste wurde, Richtung Norden, weil der Stammesälteste von Händlern und Reisenden wusste, dass der Norden immer grün war, es genügend Regen gab, die Wälder voll von jagdbarem Wild, saftigem Boden war, und das entscheidende für den Stammesältesten war, dass der Norden fast menschenleer sein sollte. Jahrelang zogen sie durch Einöden, Wüsten und unfruchtbares Land, mussten sich oft gegen Räuber und wilde Krieger verteidigen, kämpften gegen Tiere, die sie nie zuvor gesehen hatten, verirrten sich in den endlosen Wüsten, verloren viele Menschen durch Durst und Hunger, durch die vielen Kämpfe, und viele verloren ihr Leben durch die Angriffe der wilden Tiere. Ihre Ahnen hatten damals im Süden ein gutes Land, so berichteten die alten Schriften, Schwerpunkt ihres Wohlstandes waren die Früchte ihrer vielen Felder, von denen sie selbst gut leben konnten und mit dem Überschuss trieben sie einen lebhaften Handel auf den umliegenden Märkten und so mehrten sie ihren Wohlstand, ihre Häuser in den Dörfern waren solide und gediegen gebaut, viele hatten einen kühlen Innenhof, der den Aufenthalt sehr angenehm machte.
Die Tierställe waren wohlgefüllt und die größeren Knaben trieben die vielköpfigen Schaf- und Ziegenherden auf die umliegenden Weiden vor den Dörfern. Die Handwerker in einem ihrer Dörfer hatten sich auf die Bearbeitung von Edelmetall spezialisiert, anfangs wurden nur Rüstungen, Harnische und Schwerter von ihnen hergestellt.
Aber dann kamen die ersten Wünsche nach Schmuck Gegenständen und auch diese Wünsche wurden von den Handwerkern erfüllt. Die Schmuckstücke wurden immer besser, filigraner. Die Handwerker fügten Schmucksteine hinzu und so kam es, dass selbst aus fernen Ländern Herrscher, reiche Kaufleute und Häuptlinge für sich und vor allem für ihre Frauen Schmuck von den weithin bekannten Schmuckschmieden kaufen wollten. Exotische Menschen kamen in ihre Dörfer, die Frauen mit nackten Brüsten und kaum bekleidet, für sie wurden Halsketten aus feinstem Gold gefertigt, die ihre Blöße verhüllen, aber nicht verdecken sollten.
Es entstanden Herbergen für die vielen Gäste, einige Familien boten Essen an, ein lebhaftes, unbeschwertes und buntes Treiben herrschte in ihren Dörfern. Die kleineren Kinder spielten mit lautem Geschrei vor den Häusern auf der Dorfstraße und die Frauen schwatzten am Dorfbrunnen.
Unmerklich erst begann die Veränderung, der Regen blieb aus, das war noch nicht wirklich besorgniserregend, das passierte hin und wieder, aber der nahe Fluss wurde zu einem Rinnsal und wenig später fielen die Brunnen trocken. Der Magier und die Weisen wurden zu dem Dorfältesten gerufen, auch die alte Heilerin, und alle versicherten: „Keine Sorge, der Regen kommt bald.“ Der Regen kam, viel weniger als gewohnt, der Fluss wurde zu einem Bach, der Brunnen wurde jetzt jeden Tag trocken geschöpft. Und es wurde noch schlimmer, der Regen kam überhaupt nicht mehr, der Fluss wurde so trocken wie ihre Felder, ihre Brunnen versandeten. Der Magier zeigte den Menschen neue Stellen, um einen Brunnen zu bauen, nur in einem lief etwas Wasser. Die anderen Grabungen blieben trocken wie der Sand, der langsam, unaufhaltsam ihre Felder zudeckte, die Dörfer zuwehte. Ihr Reichtum schmolz dahin und als nichts mehr ging, war die Mehrheit der Bewohner damit einverstanden, ihre Heimat zu verlassen und eine neue zu suchen. Nur wenige Familien wollten weiter in den Westen ziehen, um dort ihr Glück zu finden. In den alten Schriften seines Volkes hatte Darkahr oft gelesen, so wusste er viel von dem Leben in der alten Heimat, von den Sitten und Gebräuchen, von den Magiern und Heilerinnen, die viel zum Wohlergehen seiner Ahnen beigetragen hatten.
Darkahr sah den langen Zug seiner verwundeten Krieger, die mit Hilfe der Menschen aus dem Basislager und den Heilerinnen in Richtung Lager zogen, es ging erschreckend langsam voran, es war inzwischen Nacht geworden, fahl beleuchtete der schmale Mond die traurige Szene. Darkahr trieb die Menschen an: „Wir müssen vor Morgengrauen schon weit weg sein, die wilde Horde wird sich auf die Suche nach dem Rest von uns machen, wir müssen so viel wie irgend möglich an Entfernung schaffen und unsere Spuren dabei verwischen.“
Im Basislager angekommen, wurden die Verletzten schnell auf die vorbereiteten Fuhrwerke geschafft und wenig später rumpelte der erste Wagen über den felsigen Grund in die Berge.
Darkahr stellte sich hoch auf den Sitz seines Wagenlenkers und schaute auf die Kolonne vor und hinter sich, Schmerz
schnürte die Brust ein. Was hatte die wilde Horde aus dem Volk gemacht, die drei Provinzen hatten mehr als vierzig Dörfer – und jetzt war nur ein Rest von einer Handvoll Menschen übrig geblieben.
Endlich kam eine Heilerin an die Wagenseite und schwang sich leicht hinauf, um Darkahr zu versorgen, er empfand die Fürsorge als angenehm und schon halb schlafend spürte er dieSchmerzen kaum noch, als die Heilerin seine Wunden reinigte.
Die ersten Monde zogen seine Ahnen durch ein nicht enden wollendes Gebirge, sie folgten Tal um Tal tiefer in das riesige Gebirge, gut war nur, dass sie keinen Hunger oder Durst leiden mussten, es gab in den Bergen viel Wild zu jagen und überall war frisches Wasser zu trinken. Nach mehr als einem Sommer- und Winterwechsel, fast alle sahen zum ersten Mal Schnee und fühlten Kälte, kamen sie aus dem endlosen Gebirge und gerieten in eine trostlose, dürre Landschaft. Der Dorfälteste wies sie weiter Richtung Nordwesten und verpasste dadurch die fruchtbare Gegend um den Fluss, der in einem großen Delta in einem