Arne Rosenow

Der Waldläufer - Durch Sumpf und Wald


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als er sich wieder dem Bettler zuwenden wollte, war dieser verschwunden.

      Auf der Heimfahrt erzählte er Ute von der Begegnung.

      „Bist du sicher, dass es der Bettler von Karlshöfen war?“

      „Ja. Er sagte zwar nicht viel und schien mich auch nicht zu erkennen, aber er war es gewiss.“

      „Sonderbar. Bis Beversate ist es ein beachtliches Stück für einen Bettler mit einem Hinkefuß. Er muss den ganzen Tag unterwegs sein. Merkwürdig, dass er die Gnarrenburg problemlos passierte. Durch den Sumpf wird er wohl nicht gekommen sein.“

      Am Sonntag zog es wieder jeden zum Gottesdienst. Da der Ernte-Dank später gefeiert werden sollte, sprach der Priester von guter Ernte, den Früchten, die der Herrgott über die Erde streute, und dass die schwere Feldarbeit belohnt wurde. Armin hörte aufmerksam zu. Er tat es immer, wenn die Ernte eingebracht war, denn dann fühlte er sich durch die harte Arbeit besonders angesprochen.

      Als der Gottesdienst zu Ende war und alle wieder gen Ausgang strömten, ließen sich Armin und Ute wieder etwas zurückfallen. Ute steckte Armin wieder etwas Brot für die Bedürftigen zu, die vor der Kirche warteten. Er glaubte sich unbeobachtet und verteilte sein Brot, als er plötzlich am Arm gepackt wurde und eine Stimme hörte, die er lieber nicht gehört hätte.

      „Hast du etwa diesem Aussätzigen Brot gegeben?“

      Leugnen war zwecklos, denn Fiete hatte ihn auf frischer Tat ertappt.

      „Ich habe dem armen Mittellosen etwas von meinem Brot gegeben, das ich von meinem Frühstück aufsparte.“

      Der Alte wollte schon vor Wut aus seiner Haut fahren, sah aber den Priester in Hörweite.

      Er zog Armin mit sich und zischte nach einer Weile durch die Zähne: „Heute Abend kommst du nach dem Abendbrot in die Schreibstube. Und wage es nicht, zu spät zu kommen. Außerdem wirst du deine Brotration für morgen mitbringen.“

      Was hatte der Alte vor? Armin grübelte den ganzen Tag darüber nach, ohne es zu erraten.

      Wie befohlen, begab er sich nach dem Abendbrot mit der Brotration des nächsten Tages in das Gutshaus. Er stieg die Stiege zur Loodiele hoch und wandte sich nach links. Es war schummrig in der Schreibstube und auf dem Pult stand ein Leuchter, der etwas Licht spendete.

      Martin sah sich am offenen Geldschrank das Inventar an, während der alte Fiete am Pult stand.

      Als Armin eintrat, blickten beide auf, und auf Martins Gesicht zeichnete sich ein leichtes Grinsen ab. Offensichtlich wusste er schon, was Armin nun blühte.

      „Du hast offensichtlich zu viel zu Essen. Dir geht es wohl so gut, dass du dein Brot mit einem Bettler teilen kannst und brauchst wohl nicht so viel Brot?“

      „Ich hatte mir heute beim Frühstück etwas aufgespart, um ein klein wenig den Bedürftigen zu geben, denen es nicht so gut geht.“

      Was auch immer der alte Fiete nun schon wieder im Schilde führte, Armin war es egal. Ein paar Hiebe mehr oder weniger machten ihm nichts aus. Insgeheim keimte in ihm schon lange der Plan, den Hof zu verlassen. Das Wann und Wie wusste er noch nicht, doch sicher würde er es nicht vor dem Winter wagen. Im Frühjahr könnte er gut und gerne ein paar Tage, wenn nötig auch Wochen, in den Wäldern verbringen, ohne zu erfrieren. Aber es war bereits Spätsommer und der baldige Herbst konnte schon Nachtfrost mit sich bringen. Bis zum Frühjahr würde er es auf dem Hof wohl schon noch schaffen.

      „Nun gut“, Armin wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Da du ja scheinbar zu viel zu Essen bekommst, wirst du ab morgen weniger Brot bekommen. Ich werde Ute anweisen, dir weniger Brot zu geben. Ich werde es dir schon austreiben, meine kostenlose Gabe zu verschwenden.“

      Fiete sagte es mit bissiger und zorniger Stimme, und um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug er mit der Faust auf den Tisch. „Und damit du mich nicht hintergehen kannst, bringst du mir deine Brotration jeden Abend hierher, auf dass ich dir deinen Anteil für den Folgetag zuteilen kann.“

      Damit hatte Armin nicht gerechnet. Er hatte ohnehin schon immer großen Hunger und arbeitete auch viel. Mit noch weniger Brot würde eine harte Zeit für ihn anbrechen.

      „Und bilde dir nicht ein, Ute könne dir hinter meinem Rücken etwas zustecken. Den Schlüssel zur Vorratskammer verwahre ich in Zukunft.“

      Damit nahm er Armin das Brot aus der Hand, brach gut ein Drittel ab und reichte Armin das größere Stück. „Und jetzt pack dich von dannen. Ich will dich nicht mehr sehen.“

      Er sah auf das kärgliche Stück Brot hinab und zog schweigend davon.

      Zurück im Gesindehaus war Ute dabei, die Küche zu putzen und die letzten Erledigungen vor der Nachtruhe zu besorgen.

      „Morgen wird der alte Fiete kommen und den Schlüssel für die Vorratskammer verlangen, Ute. Die Vorratskammer wir nun nur noch geöffnet, wenn er dabei ist.“

      Ute schwieg, als Armin die Nachricht überbrachte und starrte in die Glut des Ofens, die fast erloschen war.

      „Was ist mit deinem Brot?“, fragte sie.

      „Der alte Fiete teilt mir jeden Abend die Brotration für den folgenden Tag zu.“

      „Du hättest die Ration nicht an die Bettler vergeben sollen. Weißt ja, wie der Alte dazu steht“, mischte sich nun Sven ein.

      „Halt den Mund, Sven“, blaffte Peer. „Dem Herrgott gefallen milde Gaben. Du hast ja noch nie etwas von deinem Essen abgegeben.“

      Sven schwieg.

      „Am besten wir gehen nun zu Bett. Morgen werden wir mit dem Dreschen anfangen. Das wird anstrengend genug.“

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