gut! Warum das nicht?« »Und mit beiden Augen?«
fragte der Zwerg. Die Frau hielt das rechte Auge zu.
»Nein, nun sehe ich ihn nicht.« Darauf drückte sie das
linke Auge zu. »Ja, nun sehe ich ihn wieder.« »J!« –
sagte der Zwerg – »das ist doch sonderbar! Zeige Sie
mal her! Puh!« Da pustete er ihr ins rechte Auge, daß
es sogleich blind wurde und sie nicht wieder damit
sehen konnte ihr Lebelang.
4. Ilsabein.
Es war einmal ein Mädchen, hieß Ilsabein, das hatte
rothe Augen und konnte auch nicht zum Besten damit
gucken; darum so wurde es alt und wartete lange vergeblich
auf einen Freier, der es möchte unter die
Haube bringen. Endlich ließ sich einer melden auf den
Nachmittag, denkend: »es wird so schlimm nicht sein,
wie's die Leute machen, du sollst dich selbst erst
überzeugen, ob das Mädchen wirklich nicht gut sehen
kann.« Da stellte Ilsabein beizeiten eine Leiter an die
Hausthüre, nahm eine Nähnadel von der feinsten
Sorte und steckte sie hoch oben in den Thürriegel.
Nach Mittag kam der Bräutigam richtig an, und Ilsabein,
die ihn schon erwartet hatte, sprang ihm munter
auf dem Hof entgegen und faßte ihn bei der Hand, daß
sie ihn ins Haus brächte. »Sieh doch einmal, mein
Schatz!« sprach sie da, »dort oben im Thürriegel
steckt wahrhaftig eine Nähnadel.« »Ei wirklich!«
sagte der Freier, der seine Augen ordentlich anstrengen
mußte, um die Nadel in der Höhe zu bemerken,
»das ist wirklich eine Nähnadel!« und dachte bei sich:
»Das Mädchen sieht doch schärfer, als die Leute wohl
denken mögen; die nimm nur!« So gingen sie denn
ganz einmüthig zusammen in die Stube und setzten
sich an den Tisch. Mit dem so brachte die Muhme das
Vesperbrod herein, hatte auch eine schöne große Butterbemme
beigelegt und stellte das alles vor die
Brautleute auf den Tisch. Wie nun Ilsabein die große
Butterwälze da so auf dem Tische stehen sah, meinte
sie nicht anders, als ihre weiße Katze wär's, welche
von dem Vesperbrode naschen wollte. »Schuh!« rief
sie, »Katzut!« und klappte mit der Hand in die weiche
Butter. Da merkte der Freier, daß das Mädchen doch
nicht gut sehen konnte, stand auf, sah nach der Uhr
und that, als ob er noch etwas Eiliges zu bestellen
hätte. »Ich muß jetzt fort,« sagte er, »Adieu, mein
Schatz, bis Morgen!« Damit ging er zur Thüre hinaus,
kam aber niemals wieder, so daß die arme Ilsabein
wieder warten und warten mußte; und wenn sie
noch nicht gestorben ist, dann wartet sie heute noch.
5. Gerdmann un Alheid.
Dar was äis en gante un en goos, un de gante häit
Gerdmann un de goos häit Alheid, de beiden güngen
in der harwesttit te hope henut up dat stoppelfeeld un
föngen dar täo fräten an. Gerdmann, ans de kläukeste,
bleef jümmer up den hogen rüggen van'n stücke, wo
häi säen könne, wat rund ümme her passiren döe, de
goos Alheid fratt awerst in der däipen fore hendal, dar
stünnen de besten greunen spiere, denn dat wäit'n
woll, dat et dar jümmer natt is, un wenn emeihet
werd, säo kann'n ok mit der seessen nich orntliken
heninraken. Et dure nich lange, säo maoke Gerdmann
up äis sinen hals säo lang un keek sick ümme. Do
sach häi, dat de voss ganz liseken langs in der fore
herdal sleek un der goos jümmer nöger kam. Do wolle
häi der goos beschäid seggen un räip:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
De goos bleef awerst jümmer mit fräten värtüge un
antwore nix ans:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
un meene, Gerdmann schölle fräten un dat kören
laten.
De voss, de sick mitterwile dal eduked harre, kam
nu weer nöger un nöger. Do räip Gerdmann täon
twäiten male:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
Awerst Alheid keek sick nich ümme un antwore nix
ans:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
Dat schölle säo viäl häiten ans: kör hen, kör her! ek
säie nix! Mit dessen was de voss ganz dichte herbi
ekuomen; un Gerdmann räip täon drüdden male:
»Alheid!
Sühst du nich, wat dar in der fore geit?«
Un de goos antwore weer:
»Tatterattatt, tatterattatt!
Ette wat, ette wat!«
In densülbigen ogenblicke sprung de voss täo un
packe mine läiben goos bi'n hals. Do fong se an täo
schräin un räip: »Gerdmann, Gerdmann help mi doch!
Sühste nich, wo häi mi ritt, wo häi mi tüht?!«
»Recht di dat, recht di da–at!« räip Gerdmann,
breede sine flitke ut un streek aber dat feeld hen na
sinen dörpe hentäo.
Dat, min junge, is de geschichte van den kläoken
ganten Gerdmann un der dummen goos Alheid.
Gerdmann und Alheid
(hochdeutsch).
Gerdmann der Gante und Alheid die Gans gingen mal
in der Herbstzeit aufs Feld hinaus. Gerdmann, der
vorsichtige, blieb auf dem hohen Rücken des Ackers,
von wo er weit umher sehen konnte, während Alheid
in der tiefen Furche fraß, weil da die grünsten Spiere
standen. Als nun der Fuchs heran geschlichen kam,
rief Gerdmann warnend:
»Alheid,
sühste nich, wat dar in der fore geit?«
Doch Alheid schnatterte sorglos:
»tatterrattat!
ette wat, ette wat.«