Beate Morgenstern

Ausm leben mittenmang


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erziehst dir deine Leute!

      Der Flur war sehr lang. Auf der einen Seite, wo die Plakate hingen, die Wand dunkelrot gestrichen, genau wie Annettes Flur. Den Boden bedeckte ein ebenso gestreifter Kokosläufer, wie ihn Annette sich gekauft hatte. Mit einem etwas helleren Rot hatte Jana ihre hölzerne Garderobe, den Rahmen eines Spiegels und eine kleine alte Kommode auf der gegenüberliegenden Wand versehen. Die war tapeziert und weiß gestrichen. Ein schöner alter Schrank neben dem Spiegel.

      Annette hängte ihre Jacke an die Garderobe, besah sich kurz im Spiegel. Sie hatte selbst keinen so großen und nahm so die Gelegenheit wahr, sich im Spiegel der Freundin zu betrachten. Jana schlich vor ihr her, als wäre sie etwas krank. So lief sie immer. Sie vergeudete keine Kraft.

      Die Küche war groß und durch die weißen Tapeten und hellen Möbel – ein weiß gestrichener kleiner Glasschrank war dabei - nicht mehr so düster wie bei der ersten Besichtigung damals, auch wohnlich durch etwas Farbe und kleine Dinge, die ebenso zur Benutzung wie zum Schmuck an den Wänden hingen. Eine kleine Tür ging zur Toilette. Das Haus, die Wohnung schon von der besseren Sorte, das ersah man auch daraus, dass es eine Innentoilette gab.

      Annette schaute auf die kalten Platten, die Jana auf dem Küchentisch abgestellt hatte. Für wen um Himmels willen soll das alles sein?, fragte sie.

      Man weiß ja nie, sagte Jana. Ich hab´s nicht gern, wenn man beim Essen spart.

      Aber für drei Personen!

      Wenn was übrig bleib, esse ich davon. Und den Rest schmeiß ich weg. Was soll´s? Jana machte eine ihrer großen Wegwerfgesten. Das konnte sie gut mit ihren langen Armen und Händen. Außerdem, wenn´s erstmal da steht, wird´s auch gegessen. Willst du dir ansehen, was ich gekriegt habe?

      Ja.

      Nach der Küche begann der andere Teil der Wohnung, durch eine Tür abgetrennt. Ein kleiner Flur dahinter, eine Kammer rechts, die Tür geradeaus führte in ein nicht allzu großes, quadratisches, aber helles Zimmer. Eine Vitrine und ein Büfett aus den Fünfzigerjahren, das Furnier gelblich gemasert, stammten von Janas Vater, dem Dirigenten eines bekannten Orchesters. Jana verehrte ihn. Von ihm hatte sie ihrer Aussage nach eine gewisse musikalische Begabung. Auch im Äußeren war sie ihm ähnlich, im Gesichtsschnitt wie in der Figur. Annette hatte den Vater kennengelernt, auch dessen Frau. Sie kannte auch Janas Mutter und deren drei Schwestern. Das hatte sich im Laufe der Jahre so ergeben.

      Jana zeigte auf dies und das. Nicht zu übersehen ein Strauß Rosen, den sie von ihren Kollegen bekommen hatte. Helmut hat mir natürlich nichts geschenkt, sagte sie. Wie üblich. Dass er mich heute früh angerufen hat, war schon ein Wunder

      Naja, dein Helmut

      Nicht mein Helmut.

      Also nicht dein Helmut. In den entscheidenden Augenblicken versagt er. Aber das sind wir ja gewohnt. Geburtstag und Weihnachten könnten wir glatt abschaffen. Jetzt sprach sie nicht nur für Jana, sondern auch für sich. Doch Jana, die normalerweise in das Klagelied voll eingestimmt hätte, hörte kaum zu. Sie war unruhig und abgelenkt, wie Annette das von der Freundin nicht kannte.

      Ich muss noch in die Küche, sagte sie.

      War ich zu früh?

      Nein, das nicht. Aber ich bin später gekommen … ER sitzt unten.

      Ja, wieso denn das?

      Er hat mich vor dem Betrieb abgepasst und ist mit mir bis hierher. Jetzt sitzt er in der Kneipe und lässt sich wahrscheinlich volllaufen. Du weißt ja, er trinkt ganz schön. Er hat gesagt. Er gibt mir ne halbe Stunde, wenn ich nicht runterkomme, dann …

      Ja, was dann?

      Hat er nicht gesagt. Aber ich weiß, dann ist es aus. Bevor er überhaupt angefangen hat. Jana lachte bitter.

      Und dass du mit uns verabredet bist, beeindruckt ihn nicht?

      Ich hab ihm hundertmal gesagt, dass ich meine Freundinnen eingeladen habe. Aber er sagt nur, das mache ihm doch nichts aus. Er will euch gern kennenlernen. Meinen Hintergrund sozusagen.

      Prachtvoll. Wir als Studienobjekte. Ist der Mensch noch zu retten.

      Ich wusste, dass es so kommt, jammerte Jana. Er hat schon immer doof gefragt wegen des Tierkreiszeichens und so. Naja, dann hat er das Datum rausgekriegt. Ich ahnte, dass er was vorhat.

      Aber wenn du das wusstest, warum hast du uns eingeladen?

      Ja, und dann wäre er doch nicht gekommen. Und ich wäre zu meinem Geburtstag ganz allein gewesen. Verstehst du?

      Ja. So etwas verstand Annette immer. Und du hast ihm gesagt, dass du jeden Geburtstag mit uns feierst. Dass das schon eine Tradition ist.

      So genau nicht. Und schließlich muss er noch an Helmut glauben. Ich hab doch gesagt, dass ich mit ihm zusammenlebe. Nur eben heute sei er auf Dienstreise. Er soll nicht denken, dass ich auf ihn angewiesen bin. Und alleinstehend. Was macht das für einen Eindruck auf so einen Mann.

      Oh Gott, hast du das nötig?

      Offensichtlich. Und? Soll ich ihn nun wegschicken?

      Natürlich nicht. Liebe geht vor. Das haben wir ja so ausgemacht.

      Aber was wird Silvie sagen?

      Ich erklär ihr das. Silvie ist ganz bestimmt einverstanden. Schon war Annette bereit, Janas Glück zu verteidigen, war es in ihren Augen auch noch so fragwürdig.

      Er ist so empfindlich. Stur und empfindlich. Wenn ich ihn wegschickte, der käme nicht wieder. Garantier ich dir.

      Nee, nee. Du hast ja wirklich einen Grund. Ist schon in Ordnung.

      Die beiden gingen in die Küche. Du, ich sag dir gleich, schön sieht er nicht aus. Jana, wurde ganz aufgeregt. Er ist auch eher kleiner als ich. Und Bart hat er. Ich weiß nicht, ob du Bart magst.

      Hauptsache, du magst Bart.

      Ich ja auch nicht. Aber bei ihm ist es was anderes. Er ist ne Ausnahme. Du hast doch selbst gesagt, ich soll nicht nur nach Größe und Aussehen gehen.

      Nun war es doch richtig, dass du so viel eingekauft hast!

      Ja, das heißt, er isst wenig. Er hat gesagt, er kommt auch nicht wegen des Essens her. Und hör mal, du sagst, du bist verheiratet. Alles muss ganz normal sein. Wenn schon ich nicht verheiratet bin.

      Annette lachte. Und habe ich auch Kinder?

      Ach, braucht nicht zu sein. Silvie hat ja einen Sohn. Wenigstens ist Silvie verheiratet. Versteh mich nicht falsch. Er beurteilt mich vielleicht auch nach meinen Freundinnen. Da soll er nicht denken, wir haben keinen abbekommen. Und du warst ja auch schon mal verheiratet.

      Daran musst du mich ab und zu erinnern. Es war so was von einem Irrtum.

      Du wirst ihm gefallen. Jaja, du wirst ihm gefallen, sagte Jana, die sich eine Meinung gebildet hatte, dass Annette so ziemlich allen Männern gefiel. Du bist bestimmt sein Typ. Naturblond, etwas lockig und zierlich und eben … weiblich. Jana war auf eine Art hoffnungslos betrübt, dass es die Freundin rührte. In ihrer Verzweiflung war sie so kindlich.

      Silvie, sagte Jana, als es klingelte.

      Verlass dich auf mich, ich bringe es ihr bei.

      Silvie und Jana unterhielten sich im langen, abgeschlossenen Flur. Dann kamen sie in die Küche. Jana hielt ein großes Alpenveilchen in einem weißen Übertopf in den Armen, Silvies Geschenk.

      Tag Silvie

      Tag Annette.

      Die beiden Freundinnen lächelten sich zu, so herzlich sie nur konnten. Sie sahen sich nur einmal im Jahr. Zu Janas Geburtstag. Jana hatte ein-, zweimal mit den Freundinnen getrennt gefeiert. Dann war sie es leid. Die beiden kannten sich noch dazu vom alten Betrieb. Die Freundschaft zu Silvie war gewachsen, seitdem Annette gekündigt hatte. Seitdem lud sie beide Freundinnen zusammen ein. Selbstverständlich, nachdem sie Annettes Einverständnis eingeholt hatte. Silvie war es wahrscheinlich sowieso recht gewesen. Was Jana auch einfiel, Silvie war alles recht, solange es sich mit der Existenz