Elke Maria Pape

Mörderliebe


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die dichten, hellen Haare auf seinem Unterarm schließen. Und blaue Augen, vielleicht.

      Er wartete. Sprach immer noch nicht.

      Langsam wagte sie es endlich aufzustehen. Wirbel für Wirbel bog sie ihren Rücken gerade und achtete peinlich genau darauf, ihr verletztes Bein nicht zu belasten. Man wusste nie genau, von wem man angesprochen wurde. Im schlimmsten Fall einer von Rolands sogenannten Bekannten. Was, wenn er ihren Mann ausfragen würde, nach dem Humpeln seiner Frau?

      Rosemarie schaute vorsichtig durch ihre angeklatschte Haarsträhne zur Seite. Es half nichts, sie musste ihn ansehen, er ging einfach nicht weg!

      Die Augen des Mannes hatten tatsächlich eine durchdringende Farbe. Sie hatte solche Augen noch nie gesehen. Eine Farbe irgendwo zwischen einem stechenden Stahlblau und einem sanften Grün. Wie ein tiefer Bergsee in Aquamarin, dachte sie.

      Die Augen fixierten sie die ganze Zeit, so als würde er abwarten, was sie tun würde. Aber Rosemarie war zu keiner Regung fähig. Eigentlich hätte sie nervös sein müssen. Normalerweise fand sie es grauenvoll, so angestarrt zu werden. Aber nichts war hier wie sonst. Ihr fiel die Geschichte von dem Kaninchen ein, das von den Blicken einer Schlange hypnotisiert ist, und nicht wegläuft, obwohl es eigentlich panische Angst hat.

      Aber, und das beunruhigte sie fast noch mehr, sie verspürte keinerlei Angst.

      Denn seine Augen schauten trotz des stechenden Blicks freundlich, fast warmherzig zu ihr herüber, so empfand sie es jedenfalls.

      Rosemarie wollte Danke sagen, sie wollte lächeln, doch sie starrte nur in sein Gesicht!

      Das Ganze ist verrückt, dachte sie. Litt sie jetzt schon unter Wahnvorstellungen? Schließlich kannte sie den Mann nicht. Hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Und doch war da etwas, was ihr vertraut vorkam, ein ganz flüchtiges Gefühl, nicht wirklich greifbar, als hätte sie ihn doch schon einmal irgendwo gesehen.

      Es war, als stände in diesen Augen eine Botschaft für sie, nur für sie allein. War sie jetzt komplett verrückt geworden? Kannte sie ihn vielleicht von früher?

      Während sie in ihrem Gedächtnis kramte und sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, stand er ganz nahe bei ihr und lächelte. Ich muss schleunigst hier weg, erschrak Rosemarie. Jetzt sofort! Wenn Roland sieht, dass ich hier mit einem anderen Mann stehe, sie stellte sich vor, wie er reagieren würde und ihr Körper fing erneut an zu zittern. Zuerst würde er noch freundlich fragen, würde wissen wollen, wer denn der junge Mann sei, Rosemarie, willst du uns nicht vorstellen. Dann würden Hände geschüttelt und freundliche Floskel ausgetauscht und hinterher, zuhause, würde er heftiger schreien und schlagen als je zuvor.

      Als hätte der Fremde gespürt, dass sie weg wollte, hob er plötzlich ganz langsam seinen rechten Arm und berührte vorsichtig ihre Schulter. Rosemarie spürte nur einen kurzen Hauch seiner Bewegung. Trotzdem war es, als würde ihr ganzer Körper wie unter einem elektrischen Schlag zusammenzucken. Die Panik hatte sie nun wieder voll im Griff. Jeden Moment konnte Roland in den Gang kommen. Wie sollte sie ihm die Situation erklären?

      „Ich komme wieder!” Jetzt sprach der Mann, wenn auch nur ganz leise, mit einer tiefen und rauchigen Stimme. „Ich helfe dir!“ Dann drehte er sich um und verschwand ganz einfach.

      Rosemarie stand wie angewurzelt vor dem Regal. Was? Was hatte er gesagt? Ich helfe dir? Wer war der Mann? Was wollte er von ihr. Hastig tastete sie ihre Jackentaschen ab. Geldbörse, Ihr kleines Täschchen mit Ausweis und Handcreme, alles noch da. Er war also kein Dieb, aber wer war er dann? Nach ein paar Minuten der Regungslosigkeit fiel ihr auf, dass sie nicht mehr zitterte. Eine eigenartige Ruhe hatte sie erfasst. Eine Ruhe, die ihr unbekannt war, von der sie nicht wusste, ob sie gut war oder schlecht. Wann sie eine solche Empfindung das letzte Mal gespürt hatte, sie konnte sich nicht erinnern. Aber sie war nicht unangenehm, glich fast einer Art Betäubung und war doch anders. Rosemarie sah sich um.

      Noch immer war Roland nirgendwo zu sehen. Was bedeutete das alles? Und bedeutete es überhaupt irgendetwas? Die Saucenpackungen, die noch auf der Erde lagen, ließ sie einfach liegen und ging schließlich wie unter Trance weiter.

      Was wollte ihr ein fremder Mann helfen, und wobei eigentlich. War er nur charmant oder kannte er sie, überlegte sie erneut. Sicherlich hatte er nur Blödsinn gemacht, wollte sie ein bisschen ärgern und als er ihre Reaktion bemerkt hatte, war er weggegangen, würde wahrscheinlich keinen Gedanken mehr an sie verschwenden.

      Und doch, ohne, dass sie es hätte verhindern können, schlichen sich andere Überlegungen ein. Solche, die sie sich eigentlich nicht zu denken traute. Konnte er es ernst gemeint haben, diese Worte?

      Vielleicht.

      Das konnte man nicht wissen oder?

      Obwohl es ihr jetzt bereits ihr Unterbewusstsein zuraunte. Sein Blick, seine Gesten, er hatte es so gemeint, wie er es gesagt hatte.

      Sie hatte es in seinen Augen gelesen und verstanden.

      Kapitel 5

       Endlich!

       Sie hat mich kennen gelernt.

       Oder sollte ich besser sagen, ich durfte sie kennen lernen?

       Wie viele Jahre, Monate, Tage, Stunden und Sekunden habe ich darauf gewartet.

       Im Supermarkt war die passende Gelegenheit dazu. Letztendlich war es doch einfacher, als ich es mir vorgestellt habe. Das erste Mal, dass ich sie, Rosemarie, ansprechen durfte. Rosemarie, dieser Name, der an so viel erinnert. An Blumen, an Duft, an Musik! Lange habe ich nachgedacht, wie es wohl ist, ihren Geruch zu riechen, ganz in ihrer Nähe zu sein, ihr feines Haar zu bestaunen, ihr so nah zu sein, dass ich sogar ihre feinen, roten Äderchen auf ihren Wangen sehen konnte, die sie manchmal bekam, wenn sie aufgeregt war.

       Immer diese Träume, die ich gehabt habe! In letzter Zeit traten sie gehäuft auf und ich musste etwas unternehmen. Alle erdenkliche Situationen, die ich phantasiert habe, wie ich sie anspreche und wo! Das alles ist nun vorbei.

       Endlich sind die Träume in der Wirklichkeit angekommen. Und es ist noch viel schöner und aufregender, als ich gedacht habe.

       Als ich je zu hoffen gewagt habe.

       Der Traum ist wahr geworden. Mein Traum. Unser Traum.

       Sie hatte wieder geweint, nein nicht richtig geweint, aber ich habe es gesehen. Mir entgeht so etwas nicht! Rosemarie weint nicht laut, ihre Tränen fließen leise und rinnen in feinen Fäden über ihr wundervolles Gesicht und ich befürchte, sie bemerkt es nicht einmal mehr. Alles ist so schlimm für sie, dass sie es sogar verlernt hat, richtig zu weinen.

       Ich verstehe das, aber aushalten kann ich es nicht. Aber vielleicht waren diese lautlosen Tränen im Supermarkt ja ein Zeichen für mich, ein von einer höheren Macht geschicktes Zeichen endlich zu handeln.

       Ja, so muss es gewesen sein! Sie wurde ruhiger, als ich ihr mit diesen dämlichen Saucenpackungen geholfen habe, die sie für ihren noch dämlicheren, so genannten Ehemann holen sollte. Beim bloßen Gedanken an ihn wird mir schlecht.

       Alles nur eine Frage der Zeit, und meine Zeit, mich mit ihm zu befassen wird ganz sicher kommen.

       Ich darf nicht ungeduldig werden, muss vorsichtig sein mit ihr.

       Zuerst wird sie wahrscheinlich noch erstaunt sein, wird vielleicht denken, ich habe sie verwechselt.

       Aber ich habe dich nicht verwechselt, mein Herz. Wie könnte ich?

       Schließlich gibt es eine Frau wie dich nur ein einziges Mal auf der ganzen Welt.

       Sie wird es zunächst nicht glauben können, weil sie es nicht gewohnt ist zu glauben.

       Das dort jemand