Simone Lilly

Für immer Shane ~2~


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      „Ja …“

      Sie bogen auf die Autobahn. Schon nach wenigen Kilometern konnte Shane schon die Anschrift zum Flughafen erkennen.

      „Und wie aufgeregt ich bin. Ich könnte platzen. So lange geflogen bin ich noch nie.“

      „Hast du Platzangst?“

      Shane schüttelte verblüfft den Kopf. Platzangst? Um ehrlich zu sein wusste er es nicht genau. Wann hätte er es testen sollen? Nach Amerika flog man schließlich nicht alle Tage.

      „Danke, dass du mich hinfährst.“, sagte er statt einer Antwort und blickte rasch wieder auf vorbeifahrende Autos.

      „Gern geschehen.“

      Dann war auch schon wieder Ruhe. Bis auf ein paar wilde Flüche seines Onkels, ein paar prüfende Blicke zu ihm auf den Rücksitz und lautes Gehupe blieb es bei den wenigen Sätzen. Was Shane durchaus recht war.

      „So, hier sind wir.“, erklärte Richard und wies auf den Haupteingang. „Soll ich noch mitkommen, oder kann ich weiterfahren?“

      Zwischen ihnen bestand keine feste Bindung, sie kannten sich nicht wirklich. „Ist nicht nötig, aber danke.“

      „Bitte, viel Spaß, Junge. Erzähl mir nachher davon.“

      „Mach‘ ich. Bye.“

      „Bye.“

      Den Kofferraum öffnete er noch, als Shane seinen Koffer an sich genommen hatte, winkte er ihm noch einmal und fuhr dann wieder zurück, Richtung Wicklow.

      „Gate 5.“

      Ratlos hatte er den Koffer schon abgegeben und stand nun inmitten vieler herumirrender Leute hinter den Sicherheitskontrollen. Dreimal hatte er sich durchsuchen, abtasten, offenbaren und sonstigen Fragen stellen müssen, doch nun war er fertig und konnte sich eigentlich auf einen ruhigen Flug freuen. Eigentlich, wenn er ihn fand.

      Shane flog zum ersten Mal, vielleicht spielte auch das eine Rolle. Das erste Mal und dann auch noch ganz auf sich gestellt.

      „Ó‘ Brannagh bitte zum Gate 5, letzer Aufruf.“

      Das war er. Oh Gott! Alle warteten auf ihn! In Eile wollte er unkoordiniert nach vorne hechten, als er der Stimme, die ihn ausgerufen hatte, folgte. Die Frau lächelte einer Gruppe anderer Menschen zu, doch sie hatte es gesagt. Über ihrem Kopf war ein Schild. „Gate 5“

      Peinlich berührt rannte er, als ginge es um sein Leben. Zeigte seine Bordkarte und huschte in die Maschine, auf seinen Platz. Wie peinlich musste es sein, dass er die ganze Zeit davor gestanden hatte und doch ausgerufen werden musste!

      Viel Platz war nicht, zwischen ihren Sitzreihen. Vor und hinter ihm sowieso nicht. Shane konnte kaum seine Füße ausstrecken. Aber zurücklehnen, das konnte er. Obwohl er nicht in der Stimmung war zu Schlafen, lehnte er sich nach dem angenehmen und aufregendem Start zurück, legte die Beine aufeinander und starrte an die Decke. Die Frau neben ihm trug einen dicken Nerz, den sie auch im Flugzeug nicht ablegte. Sie hatte graue Haare und wirkte auf ihn, als wäre ihr Mann erst kürzlich verstorben. Shane konnte nicht sagen wieso, aber sie wirkte traurig.

      Seine Ohren dröhnten und er konnte alles nur noch dumpf hören. Doch hören musste er nichts. Er bestellte sich einen Orangensaft, obwohl er, was ihn verwunderte, auch Whisky an Bord erhalten konnte.

      „Life’s Apart“ interessiert nahm er die Zeitschrift aus ihrer Halterung und musterte sie skeptisch. Von ihr hatte er noch nie gehört. War sie aus Amerika? Eine halbnackte Frau zierte das Bild und Shane machte eine schnelle Handbewegung, um sie vor dem Kind das hinter ihm saß zu verbergen. Schwachsinnig, denn es und seine Mutter hatten dieselben Hefte an ihren Sitzen.

      „Die moderne Hausfrau.“ Er musste lachen und erhaschte zugleich einen strafenden Blick der Frau neben ihm. Sie war anscheinend keine moderne Hausfrau.

      War die Zeitschrift nun amerikanisch? Das wäre interessant, Shane fand es spannend das amerikanische Bild einer Frau kennenzulernen. Immerhin war er mit einer zusammen.

      „Eine Frau sollte bereit sein für ihren Mann zurückzustecken, ihn zu achten und …“

      Weiter kam er nicht. Schockiert entschied er sich umzublättern. Hoffentlich gab es keinen Mann, keine Frau, die diesen Schrott glaubten. Nicht nur die Frau, sondern auch der Mann sollten bereit sein für den anderen zurückzustecken. Fand er.

      Als nichts weiteres kam als nur der Wetterbericht, langweilige Mode und noch mehr gefasel und interviews unbekannter Fernseköche, legte er die Zeitschrift wieder zurück und ließ den Kopf nach hinten kippen. Das monotone Surren der Maschinen beruhigte ihn irgendwie. Auf eine sarkastische Art. Denn würde er sie nicht mehr hören, wäre er bereits tot, abgestürtzt und auf der Erde zersprungen.

      Gelangweilt legte er den Arm auf seine Armlehne, und bemerkte erst dann einen Kopfhörer, der dort angebracht worden war. Neugierig nahm er ihn zur Hand und klemmte ihn sich über die Ohren.

       "Du wirkst blass, Mrs. Butler... ist das Rouge knapp geworden oder hast du mich vermisst?"

       "An meiner Blässe bist du schuld! Nicht weil ich dich vermisst hätte, sondern weil ich - "

       "Sprich dich nur aus."

       "Ich erwarte jetzt wieder ein Baby!"

       "AH - so verstehe... und wer ist der glückliche Vater?"

       "Das weißt du genau! Ich wollte, es wäre von jedem anderen, nur nicht von dir. Keine Frau möchte von so einem Halunken wie dir ein Kind!"

       "Na Kopf hoch, vielleicht gehts schief."

      Während dem Film musste Shane verhalten schmunzeln. Hoffentlich würde Britney das nie zu ihm sagen. Hoffentlich würde sie sich freuen, von ihm schwanger zu sein. Andererseits war er auch nicht Rhett Butler und sie nicht Scarlett O’Hara.

      Sich wieder seine Langeweile witmend lehnte er sich wieder zurück und schloss die Augen.

      „Nicht heute verschieben wir’s auf morgen.“ War der letzte Satz, den er hörte, dann wurde es um ihn herum dunkel. Das Surren verstummte und es wurde still.

      4.

       Wartet Britney auf mich? Umarmt sie mich? Küsst sie micht, wenn sie mich sieht?

      Shane hatte den Flieger noch nicht ganz verlassen, als er die Antwort auf seine Frage erhielt. Nein, sie tat nichts dergleichen, konnte es nicht tun, denn sie war gar nicht da. Zwischen den wenigen Menschen, die auf die Passagiere warteten konnte er schnell Joey ausmachen. Als dieser ihn sah, kam er lachend auf ihn zu. Shane musste schlucken. Er mochte Joey, aber Britney wäre ihm lieber gewesen. Ungewaschen, verschwitzt und mit zerzausten Haaren zog er den schweren Koffer auf Britneys Bruder zu, stellte ihn dort ab, schlug ihm in die Hand und umarmte ihn kurz.

      „Wie geht’s dir?“, fragte Joey und machte Anstallten , seinen Koffer zu tragen.

      Schnell sprang Shane dazwischen. „Nein lass nur, das mach ich selbst. Aber mir geht es gut.“

      Joey zu sehen freute ihn doch. Er hatte sich in der Zeit gar nicht verändert. Etwas längere Haare, aber das war auch schon alles.

      „Wo ist …“

      „Ah, wo Britney ist, willst du fragen?“

      Shane nickte lautlos, während er Joey brav hinterhertrottete, sich in ein Taxi verfrachten lies und zum ersten Mal in seinem Leben New York zu Gesicht bekam.

      „Sie ist zuhause geblieben.“

      „WARum?“

      „Sie fand es besser, wegen Dad.“

      Ein Fahradkurier schlängelte sich in wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Autos und war schon bald vor ihnen. Als Autofahrer wäre er sicherlich