Helene Hammerer

Virus und Elfe


Скачать книгу

      

Helene Hammerer

      UUID: 1922b3d8-61c0-11e7-ac7b-49fbd00dc2aa

      Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (http://write.streetlib.com) erstellt.

      Inhaltsverzeichnis

        1

        2

        3

        4

        5

        6

        7

        8

        9

        10

        11

        12

        13

        14

        15

        16

        17

       Impressum neobooks

      1

      „Also dann, einen schönen Sommer!“, verabschiedete sich Linus von der fröhlichen Runde der Kolleginnen und Kollegen, die den Schulschluss feierten. „Dir auch, vielleicht kommen wir einmal vorbei“, riefen die anderen. „Gut, ein Käsebrot und ein Bier gibt's auf jeden Fall“, grinste Linus und ging Richtung Tür. Seit zwei Jahren unterrichtete er nun am Gymnasium in Halden und er fühlte sich an der relativ kleinen Schule mit der familiären Atmosphäre sehr wohl. Es war richtig gewesen, ins Tal zurückzukehren, wo seine Mutter aufgewachsen war und wo er viele herrliche Sommer auf der Alpe seiner Großeltern verbracht hatte. Hier in Halden hatte er gleich nach dem Studium eine Stelle als Lehrer für Mathematik und Physik bekommen. Im Gemeindezentrum, einem hässlichen Mehrzweckbau aus den Siebzigerjahren, mietete er eine kleine Wohnung und konnte somit alles, was er täglich brauchte, in fünf Minuten zu Fuß erreichen. Jetzt überquerte er die Straße und ging in seine Wohnung im zweiten Stock, wo er sich umzog. Den Anzug, den er zur Feier des Tages getragen hatte, hängte er in den Schrank, das Hemd warf er in die Wäsche. Wenig später trug er alte Jeans, ein kariertes Hemd und seine alte Windjacke. Statt der Motorradstiefel zog er feste Bergschuhe an. Er nahm den Helm und den Rucksack, den er schon am Vorabend gepackt hatte, und ging in die Tiefgarage, wo seine alte BMW stand. Dort setzte er den Helm auf und los ging die Fahrt Richtung Sonnleiten und weiter auf den Geißberg, die Alpe seiner Großeltern. Wie schon in vielen Sommern davor würde Linus dort die Arbeit des Hirten verrichten und dem Großvater zur Hand gehen. Die Verarbeitung der frischen Alpmilch zu Bergkäse gab der alte Mann noch nicht aus der Hand, dafür stand zu viel Geld auf dem Spiel, denn wenn der Käse nicht von bester Qualität war, erzielte er keinen guten Preis. Linus genoss die Fahrt durch die malerischen Dörfer, vorbei an den alten Bauernhäusern mit ihren steilen Dächern, den verwitterten Holzschindeln und den üppigen Blumen vor den Fenstern. Das Gras auf den satten Wiesen stand hoch, bald wurde das zweite Mal gemäht. Nachdem er Sonnleiten hinter sich gelassen hatte und die kurvenreiche Schotterstraße zur Alpe hinauffuhr, änderte sich das Bild. Am Wegrand blühten Blumen in allen Farben, da und dort grasten Kühe und Rinder, meist in kleinen Gruppen. Linus verlangsamte das Tempo, der Weg war nicht im besten Zustand. Aber ein guter Fahrer kam auch damit zurecht, pflegte er nicht ohne Stolz zu behaupten. Schon sah er die Hütte des Geißbergs. Sie war von seinen Vorfahren geschickt inmitten der Hügel errichtet worden. Die Fenster waren gegen Osten gewandt, damit man gleich vom ersten Sonnenstrahl geweckt wurde. Der angebaute Stall schützte den Wohntrakt im Westen gegen das Wetter. Als er sein Motorrad abstellte, kam die Großmutter aus der Hütte gelaufen. Die kleine, zierliche Frau mit den aufgesteckten grauen Haaren wischte sich die Hände an ihrer geblümten Mantelschürze trocken. „Linus, schön, dass du da bist“, strahlte sie. „In zehn Minuten gibt’s Mittagessen.“ Ihr Enkel grinste. Auch auf der Alpe stand bei seiner Großmutter um Punkt zwölf Uhr das Essen auf dem Tisch. Danach konnte man die Uhr stellen. „Tag Säle, ich hab schon einen Bärenhunger“, begrüßte er sie und schüttelte ihr die Hand, wie es im Tal üblich war. Er nahm den Rucksack vom Gepäckträger und folgte der alten Frau in die Hütte. Durch die Haustür kam man direkt in die Sennküche, in deren Mitte ein großer Kupferkessel stand. An der Wand links von der Tür befand sich ein Holzherd, daneben ein offenes Regal mit Küchenutensilien. An der Wand über dem Herd hingen Pfannen an Haken und eine alte Küchenkredenz diente als Vorratsschrank. Die Tür zur Stube stand offen und Linus sah, dass der Tisch bereits gedeckt war. Eine zweite Tür führte in die Schlafkammer der Großeltern und eine steile Holztreppe ins Dachgeschoss, wo noch zwei kleine Zimmer waren. Eines davon gehörte dem Jagdherrn der Alpe, das andere benützte die Familie. Rechts ging es in den Stall, wo auch das Plumpsklo zu finden war. Inzwischen gab es auf den umliegenden Alpen schon viele neue, modern ausgestattete Hütten, aber die Großeltern liebten das einfache Alpleben, wie sie es seit ihrer Jugend gewohnt waren. „Den Luxus gönnen wir uns lieber im Tal“, pflegte der Großvater mit einem Schmunzeln zu sagen. Von Luxus hätte Linus zwar auch im Tal nicht gesprochen, aber der stattliche alte Hof war solide renoviert worden, als sein Onkel diesen vor fünfzehn Jahren übernommen hatte, und war nun mit allem ausgestattet, was ein modernes Haus brauchte. Linus hängte seine Jacke und den Helm in der Stube an die Haken neben der Tür und setzte sich auf Großmutters Einladung hin an den Tisch. Gleich darauf brachte sie eine Pfanne voll Bratkartoffeln, eine zweite mit Spiegeleiern und einen Topf mit Spinat. Sobald das Essen auf dem Tisch stand, kam auch der Großvater zur Tür herein. Er schaltete das batteriebetriebene Radio ein und schon kamen die Mittagsnachrichten. Die Großeltern sprachen ihr altes, traditionelles Tischgebet und auch Linus murmelte ein wenig mit. Die Großmutter teilte den beiden Männern großzügige Portionen aus und richtete dann auf einem Teller eine kleinere Portion appetitlich an. Diese stellte sie auf ein Tablett, auf dem bereits ein Glas Milch und ein Stück Kuchen standen. Zu Linus' Verblüffung ging sie damit Richtung Tür. „Habt ihr einen Gast?“, wandte er sich an den Großvater. Dieser nickte: „Ja, die Enkelin von Grete. Sie hat letzte Woche Tabletten geschluckt und da dachte deine Großmutter, dass wir das Mädchen am besten mit in die Berge nehmen, damit sie sich hier erholen kann.“ Damit hatte Linus neben Großmutters gutem Essen einen ziemlichen Brocken zu schlucken. Grete war Großmutters älteste Freundin und die Taufpatin seiner Mutter. Die Großmutter und sie standen sich sehr nahe und es gab im Leben der beiden Frauen keine Freude und keinen Kummer, die sie nicht geteilt hatten. Und nun war also Gretes Enkelin auf Erholungsurlaub hier. Wenn sie die Kammer im Dach bewohnte, in der normalerweise Linus Quartier bezog, musste er auf den alten Matratzen am Heuboden schlafen, mitunter den ganzen Sommer. Und wie es aussah, verlangte das verwöhnte Ding auch noch Zimmerservice. Schweigend aßen die beiden Männer und hingen ihren Gedanken nach, als die Großmutter zurückkam. Seufzend nahm sie den