J. D. Möckli

Der Wüstensklave


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er schnell das Geschirr ab und geht dann durch den Flur zur Hintertür.

      Tief Luft holend tritt er zögernd ins Freie. Nach ein paar Schritten bleibt er stehen und hebt sein Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen, die seine Haut angenehm wärmt.

      Kai, der das Knarren der Treppenstufen gehört hat, steht in der Tür und beobachtet Yari, der mitten im Hof steht und endlich mal entspannt wirkt. Mit einem leisen Lächeln zieht Kai sich nach einem Moment zurück und lässt den anderen allein.

      Er geht wieder hoch ins Wohnzimmer, in welchem sein Großvater vor einem begonnenen Schachspiel auf ihn wartet. Da er mit seinen schwarzen Figuren dran ist, nimmt er seinen Läufer und bewegt ihn drei Felder vorwärts. »Yari steht im Hinterhof und genießt die Sonne«, sagt er.

      Mit der weißen Dame schlägt Ren einen von Kais Springern. »Das ist doch gut.«

      Nun zieht Kai einen seiner Türme nach vorn, um den Läufer zu schützen. »Das sehe ich auch so.«

      Mit dem Springer wird ein schwarzer Bauer vom Feld befördert. »Willst du ihn morgen wirklich zum Hafen mitnehmen?«

      Die schwarze Dame kommt dem weißen Springer gefährlich nahe. »Er wäre eine große Hilfe, aber wenn er sich bis morgen nicht erholt hat, gehe ich ohne ihn. Obwohl … vielleicht tut es ihm ja ganz gut, wenn er zeigen kann, was in ihm steckt.«

      Ren bringt den Springer in Sicherheit. »Damit könntest du recht haben.«

      Grinsend zieht Kai seinen Läufer weiter nach vorn. »Schach.«

      Nun ist es an Ren zu grinsen. »Du hast einen Fehler gemacht. Schachmatt.« Kais Großvater gibt dem schwarzen König einen Stups, sodass dieser umfällt.

      Geschlagen hebt Kai die Hände, bevor er aufsteht. »Du bist einfach zu gut. So, ich muss jetzt aber alles für Morgen vorbereiten und aufschreiben, welche Stoffe ich nachbestelle.«

      »Ist gut. Ich räume das Spiel weg und schaue dann, ob ich eine Jacke für Yari finde, die ihm nicht viel zu groß ist. Wann willst du dich eigentlich um seine Garderobe kümmern?«

      Nachdenklich bleibt Kai in der Tür stehen. »Ich dachte, wenn es sich ergibt, schauen wir morgen mal nach anständigen Schuhen. Oder am Dienstag. Mittwochs wollte ich mit ihm zu Aja, während Blacky und Rocky bei Yu sind. Dann kann sie mal seine Maße nehmen.«

      Kaum ist er zur Tür raus, streckt er seinen Kopf noch mal ins Wohnzimmer. »Ich bin dann im Lager.« Schon ist er wieder weg.

      Schnell hat Ren das Schachbrett aufgeräumt und geht dann auf den Dachboden, wo die Sachen von Kais verstorbenen Eltern in zwei Truhen verstaut sind. Die Truhe seiner Tochter bedenkt er mit einem traurigen Lächeln: »Weißt du, wenn du Kai jetzt sehen könntest, wärst du unglaublich stolz auf ihn. Er ist so ein guter Junge.« Mit einem letzten Blick auf die Truhe wendet er sich der zweiten zu, die einst Kais Vater gehört hatte. Die Scharniere quietschen leise, als er den Deckel anhebt und dieser den Blick auf sauber gestapelte Kleidung freigibt.

      Nach kurzem Suchen findet Ren eine alte graue Jacke, die Kais Vater einst getragen hat, als er zu ihnen gekommen war. Der Stoff ist zwar alt, aber noch gut in Schuss und für den Moment wird sie ausreichen. Zusätzlich zu der Jacke nimmt Ren noch ein paar andere Kleidungsstücke aus der Truhe. Weil er die Treppe unten nicht wieder knarren gehört hat, geht er direkt in Yaris Zimmer und legt die Sachen auf dessen Bett, die Jacke hängt er jedoch über die Stuhllehne.

      Schließlich geht er runter in die Küche, um sich schon mal um das Abendessen zu kümmern. In der Hoffnung, dass sie diesmal zu dritt am Tisch sitzen werden, legt er drei Teller auf.

      Inzwischen hat Kai alles für den nächsten Morgen vorbereitet und verlässt das Lager. Auf dem Weg in den Stall schaut er kurz in der Küche vorbei, um seinem Großvater Bescheid zu geben. Als er dann durch die Hintertür tritt, sieht er Yari auf der Treppe sitzen. »He, hilfst du mir bei den Pferden?« Fragend blickt er auf den Sitzenden hinunter.

      Yari bleibt äußerlich ruhig und erwidert den fragenden Blick. »Ja.«

      Als er aufstehen will, hält ihm Kai die Hand hin. Zögernd nimmt Yari die angebotene Hilfe an und lässt sich hochziehen, ist aber erleichtert, als Kai seine Hand gleich wieder loslässt.

      Nebeneinander gehen sie zum Stall, wo sie schon ungeduldig von den beiden Wallachen erwartet werden.

      »Füll du bitte die Heunetze auf.« Kai deutet auf die leeren Netze, die in den Boxen hängen. »Das Heu findest du hinter der Tür da drüben. Du musst immer darauf achten, dass sie und die Boxen fest verschlossen sind, denn Rocky kann Türen aufmachen und es wäre nicht das erste Mal, dass er sich über Nacht im Heulager bedient.«

      Aufmerksam zuhörend holt Yari schon mal die leeren Netze aus den Boxen.

      Während Yari das Heu auffüllt, gibt Kai den beiden Pferden je eine Handvoll Hafer und beginnt dann die Boxen auszumisten.

      Als Yari mit den gefüllten Netzen zurückkommt, ist Kai gerade mit der ersten Box fertig. »Super. Häng die Netze gleich wieder auf. Ich bin hier auch gleich soweit, dann kannst du mir mit dem frischen Stroh helfen.«

      Zusammen verteilen sie die neue Einstreu in der Box, während die beiden Pferde genüsslich die ersten Halme aus den Netzen zupfen.

      Mit vereinten Kräften schieben sie den vollen Mistkarren zum Tor. Dort stellt ihn Kai gut sichtbar hin und holt eine Kupfermünze aus seiner Tasche. Diese legt er in eine Ausbuchtung in der Wand.

      »Die Kupferlinge findest du drinnen neben der Hintertür. Der Mistsammler kommt immer gegen Sonnenuntergang vorbei. Er nimmt sich dann die Münze und leert den Mistkarren. Wir müssen ihn dann nur wieder reinholen. Solltest du mal so spät dran sein, dass du ihm die Münze persönlich geben kannst, dann lass sie einfach in seine Hand fallen. Niemand fasst ihn auf seiner Runde an. Alles klar?«

      Yari nickt. »Ja. Ist das Versorgen der Pferde denn in Zukunft meine Aufgabe?«

      Zusammen gehen sie zurück zum Stall. Dort zeigt ihm Kai das Fass mit dem Hafer. »Ich wäre froh, wenn du das machen könntest. Am Sonntag geht es, aber wenn der Laden offen ist, bin ich besonders mit dem Ausmisten immer sehr spät dran und Großvater sollte nicht mehr so hart arbeiten.«

      Sie bleiben vor den Boxen stehen und beobachten die beiden Pferde.

      »Das da ist Rocky und das ist Blacky. Sie probieren gerne aus, wie weit sie gehen können, wenn du ihnen aber von Anfang an klarmachst, wer der Boss ist, hören sie gut.«

      Schweigend stehen sie da. Nur das Kauen der Tiere ist zu hören.

      »Ich werde dir am Anfang natürlich helfen und wenn du Zeit hast, ist Großvater sicher auch nicht böse, wenn du ihm im Haushalt helfen würdest. Besonders wenn wir Waschtag haben, ist es immer sehr stressig, aber er will sich von mir kaum helfen lassen.«

      Von der Seite schielt Kai zu Yari hinüber. Er hat bemerkt, dass dieser deutlich ruhiger bleibt, wenn er ihn nicht zu einem direkten Blickkontakt zwingt.

      Den Blick die ganze Zeit auf die Pferde gerichtet, hat Yari ihm zugehört und nickt jetzt etwas ruhiger. »Ist gut.«

      Plötzlich hören sie das Knarren von altersschwachen Rädern und den Hufschlag von einem einzelnen Pferd.

      »Das ist der Mistsammler. Ich stelle ihn dir kurz vor. Komm mit.« Auffordernd winkt Kai Yari zu, dass er ihm folgen soll.

      Zusammen gehen sie wieder zu dem Tor, vor dem gerade der volle Mistkarren weggeschoben wird.

      »Hallo, Kai. Na, wie geht’s? Wen hast du denn da?«, hören sie den Mistsammler rufen, noch bevor sie am Tor sind.

      »Hallo, Monok. Hallo, Noah. Das ist Yari. Er hilft mir ab heute bei den Pferden. Wie geht’s euch so?« »Du weißt ja, Unkraut vergeht nicht«, grinst Monok die beiden jungen Männer breit an. »Hast du dir etwa doch endlich einen Sklaven zugelegt? Oder ist er ein Freier?« Natürlich fällt dem alten Mann auf, dass Yari kein Halsband trägt, was er nach Kais Meinung ja auch nicht muss, solange er auf dem Grundstück bleibt.