J. D. Möckli

Der Wüstensklave


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kann Kai in den Augen von Yari sehen, dass dieser die Wahrheit sagt.

      Er wendet sich von ihm ab und fixiert den Händler. »Ich biete dir neun Silbermünzen für den Sklaven.« Mit verschränkten Armen wartet er dessen Reaktion ab.

      »Was? Das ist viel zu wenig. Der Sklave ist deutlich mehr wert.« Scheinbar empört über das Angebot, sieht er auf den kleineren Mann hinunter.

      »Ach ja? Der Sklave ist vorhin zusammengebrochen und auch jetzt kann er sich kaum auf den Beinen halten. Er hat Fieber und offensichtlich frische Wunden. Wer weiß, wie lange es dauern wird bis ich ihn voll einsetzen kann – wenn er überhaupt überlebt. Vielleicht hat er ja eine Blutvergiftung …«

      Sie starren sich an, bis der Händler schließlich den Blick abwendet: »Gut, ich gebe ihn Ihnen für elf Silbermünzen.«

      »Na schön«, brummt Kai. Er zieht seinen Wappenstempel aus der Innentasche der Jacke und reicht ihn dem Händler.

      Auch Yari werden die Hände mit einem groben Strick vor dem Körper zusammengebunden, während Kai die Münzen abzählt.

      Mit Mühe und Not schafft es Yari, seinem neuen Besitzer zu folgen. Seine Beine drohen dabei immer wieder einzuknicken.

      »He, Alter, ich dachte, du willst keinen Sklaven kaufen.« Yusaku steht grinsend vor Kai, als sie ein paar Meter von dem Stand weg sind.

      »Das wollte ich auch nicht, aber ich konnte nicht anders.«

      »So kann’s gehen. Jetzt haben wir beide einen Sklaven. Aber jetzt gehen wir besser. Ich muss heute noch zwei Pferde beschlagen.« Die Hand auf die Schulter seines Freundes legend, deutet Yusaku mit dem Kopf in Richtung Tor.

      »Gute Idee. Großvater wird sich schon fragen, wo ich so lange bleibe.«

      Da es inzwischen ziemlich voll ist, müssen sie mühsam durch die Menschenmenge schlängeln, wobei Kai immer wieder besorgt zu Yari schielt, der trotz seiner leicht gebräunten Haut blass wirkt.

      »Geht’s?« Kai bereut es jetzt, dass er nicht mit einem der Pferde gekommen ist.

      »Es geht schon. Es muss.« Yari lächelt bemüht, um seinen neuen Besitzer nicht schon jetzt zu verärgern.

      Als sie es an die frische Luft geschafft haben, atmet Yari hörbar auf.

      Langsam gehen sie die Straße entlang. Plötzlich bleibt Kai stehen und dreht sich zu seinem neuen Sklaven um. »Also, Yari. Ich heiße Kai und ich will auch, dass du mich so nennst. Verstanden?«

      Überrascht nickt Yari.

      »Gut. Kann ich darauf vertrauen, dass du nicht abhaust, wenn ich dir jetzt dieses blöde Seil abnehme?«

      Wieder kann Yari nur nicken. Viel zu sehr ist er von diesem Verhalten verwirrt. Im ersten Moment merkt er gar nicht, wie sich sein neuer Besitzer an seinen Handgelenken zu schaffen macht. Als dann jedoch die Klinge eines kleinen Dolches in der Sonne aufblitzt, zuckt er zusammen.

      »Hier, Kai«, sagt Yusaku. »Die machen die Knoten so fest, dass du das Seil durchschneiden musst. Musste ich bei Rashid gerade auch so machen.«

      Dankend nimmt Kai den kleinen Dolch entgegen und nur Sekunden später sind Yaris Hände frei. Unbewusst reibt dieser sich daraufhin die leicht geröteten Handgelenke.

      »Ich habe vorhin nicht übertrieben, als ich sagte, dass du krank bist. Wir haben noch ein ganzes Stück zu laufen. Schaffst du das?« Fragend sieht Kai sein Gegenüber an.

      »Ich schaff das schon.« Dann nimmt Yari seinen ganzen Mut zusammen. »Ich wäre nur froh, wenn wir langsam gehen könnten.« Dass er das Gefühl hat, zu verdursten, sagt er seinem neuen Besitzer lieber nicht. Wer weiß, vielleicht wäre es dann mit der Freundlichkeit vorbei.

      »Das sollte kein Problem sein. Yu kann mit Rashid ja vorgehen, wenn wir ihm zu langsam sind.«

      In gemächlichem Tempo gehen sie weiter durch die Straßen, bis sie an einem Marktstand vorbeikommen, an dem man Wasser kaufen kann. Sehnsüchtig blickt Yari auf die Flaschen.

      »He, Kai, ich habe ja noch etwas Geld übrig. Ich spendiere eine Runde Wasser«, meint Yusaku.

      Noch bevor Kai etwas sagen kann, hält er eine Wasserflasche in der Hand und nicht nur er: Yusaku hat auch an die beiden Sklaven gedacht und jedem eine Flasche gekauft.

      Jede Vorsicht vergessend, beginnt Yari durstig zu trinken, bis ihm siedend heiß einfällt, dass er das ohne die Erlaubnis seines neuen Besitzers gar nicht darf. Auf Schläge gefasst senkt er die Flasche wieder, doch zu seinem Erstaunen sagt niemand etwas zu seinem Verhalten. Stattdessen wird ihm ein nachsichtiges Lächeln zugeworfen.

      »Wenn du willst, kannst du meine Flasche auch noch haben.« Kai hält Yari sein Wasser hin und nimmt ihm die leere Flasche ab.

      »Danke.« Endlich kann er seinen Durst richtig stillen.

      An einer Kreuzung trennen sich die Wege der Freunde.

      Kai und Yari gehen nun noch langsamer weiter und machen auch öfter eine kleine Pause, daher brauchen sie für die Strecke bis zu Kais Laden fast eine Stunde.

      »Also, da wären wir.« Kai ist etwas nervös. Immerhin weiß sein Großvater ja noch nicht, dass sie ab heute zu dritt sein werden.

      Zusammen mit Yari betritt er seinen Laden, was das Glöckchen über der Tür zum Bimmeln bringt.

      »Großvater! Ich bin wieder da!« Suchend schaut er sich im Laden um.

      »Ah, Kai, da bist du ja wieder.« Ren kommt grinsend hinter einem der Regale hervor. »Wen hast du denn da mitgebracht?« Neugierig mustert er den fremden jungen Mann, der hinter seinem Enkel steht.

      »Ähm, das ist Yari. Yari das ist mein Großvater Ren.«

      Freundlich lächelnd hält Ren dem jungen Mann seine Hand hin, die nach einem kurzen Zögern ergriffen wird. »Wenn ich das richtig sehe«, sagt Ren mit einem Blick auf das Sklavenhalsband, »ist das unser Familiensymbol, darum heiße ich dich einfach mal in unserer Familie willkommen.« Mit festem Griff schüttelt er Yaris Hand. »

      Ähm, danke Sir«, erwidert Yari unsicher.

      »Ach Junge, nenn mich einfach nur Ren. – Kai, der Nachmittag war ruhig. Du kannst dich also in Ruhe um unseren Familienzuwachs kümmern. Wenn was ist, rufe ich dich.« Resolut schiebt er seinen Enkel aus dem Laden.

      Da Yari nicht so recht weiß, was er jetzt machen soll, folgt er den beiden in den hinteren Teil des Hauses.

      »So, ich bin dann wieder im Laden.«

      Schon ist Ren verschwunden und lässt die beiden jungen Männer allein im Flur zurück.

      »Also, dann würde ich sagen, dass wir dich erst in ein heißes Bad und dann ins Bett stecken. Komm mit, Yari.«

      Zusammen gehen sie durch eine Tür auf der rechten Seite des Flurs. Dahinter verbirgt sich ein schlichtes Badezimmer. Die eiserne Wanne ist gerade groß genug für eine Person und verfügt über zwei Wasserhähne.

      »Unser Kaiser hat vor ein paar Jahren seine Technolimagi dafür Sorgen lassen, dass alle Bewohner der Städte in der Küche und im Bad fließendes Wasser haben. Heiß und kalt.«

      Stolz beginnt Kai das heiße Wasser in die Wanne laufen zu lassen, bis diese zur Hälfte gefüllt ist.

      »Ich schau mal nach, ob ich noch irgendwo Sachen habe, die dir passen könnten. Du machst es dir solange in der Wanne gemütlich.« In der Tür dreht sich Kai noch mal um. »Du kannst das Halsband übrigens ausziehen, solange du das Haus beziehungsweise den Hinterhof nicht verlässt.« Mit diesen Worten verlässt Kai das Badezimmer und lässt einen verwirrten und verunsicherten Yari zurück.

      Nach kurzem Zögern löst Yari das Leder um seinen Hals, wofür er den Spiegel über dem Waschbecken als Orientierungshilfe benutzt. Dann zieht er sich die verschlissene Tunika sowie die Sandalen aus und lässt sich in das angenehm heiße Wasser gleiten, das an den offenen Stellen auf seiner