Prentice Mulford
Die Kraft von oben
Essays
Freie Übertragung von Max Hayek
Impressum
„Die Kraft von oben“ von Prentice Mulford
Erstveröffentlichung: E. P. Tal & Co. Verlag 1924
Coverbild: David Cox “Beach Scence – Sunrise” 1820
Überarbeitung: F. Schwab Verlag
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
Inhalt
2. MATERIALIST CONTRA SPIRITUALIST
7. GESUNDER UND UNGESUNDER GEISTERVERKEHR
1. DIE KRAFT VON OBEN
Warum gelingt es uns nicht, heiteren Gemütes zu bleiben? Warum sind wir Perioden des Unmuts und der Niedergeschlagenheit unterworfen?
Weil wir, so nahe wir auch unserem Ideal der Lebensführung gekommen sein mögen, von den störenden Gegenkräften, die um uns herum wirksam sind, mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wir leben inmitten von Verbrechen. Inmitten von Verbrechen an Tieren und Menschen. Und je feiner wir organisiert sind, umso mehr wird uns der Anblick des Lebens schmerzen. Denn es bereitet Schmerz, Zeuge von Grausamkeit, Brutalität und Ungerechtigkeit zu sein.
Warum vermögen wir aber auch nicht in der Einsamkeit Ruhe und Klarheit der Seele zu bewahren?
Alte Krankheit heilt nicht über Nacht. Alte Gewohnheit wird nur nach und nach überwunden. Da hat einer die Art, eilfertig zu sein, übereilt. Ein anderer die, Dingen, die im Augenblick gar keinen Wert haben, viel zu viel Wichtigkeit beizumessen. Ein dritter ist nur glücklich, wenn er unglücklich sein darf. Und zuletzt sind solche Menschen erschöpft. Erschöpfung ist aber die Mutter aller Übel, die das Fleisch von altersher plagen.
Alles, was den Körper erschöpft — möge diese Erschöpfung nun in gutem oder schlechtem Tun, in Wohlwollen oder Eigensucht begründet sein: alle Erschöpfung mindert die Kraft, den vielen Ursachen der Leiden und den darauf folgenden Abgespanntheiten zu widerstehen. Solange gleichsam nur unser Irdisches oder unser gröberes Wesen in uns stärker ist, sehen wir alles nur von der irdischen Seite an. Wir empfinden dann nur das Abstoßende an den Menschen. Wir können dann nur wenige lieben und viele, zu viele, missfallen uns. Ist aber das Seelische in uns der stärkere Teil, so ist's umgekehrt. Wir erkennen dann klar das Gute in Allen und werden zu Allen mehr oder weniger hingezogen. Wenn wir aber in Allen Gutes finden, empfangen wir von Allen Gutes. Vorurteile, die wir haben mögen, entfernen uns dann nicht mehr so sehr von den Menschen. Wir lieben mehr, als wir hassen. Herrscht dagegen in uns das Irdische vor, ist der Körpergeist in uns stärker als der Seelengeist, dann hassen wir mehr als wir lieben. Dann finden wir allerdings mehr Verabscheuungswertes als Bewunderungswürdiges. Wir sind dann zu blind für das Gute und zu empfänglich für das Schlechte geworden.
Wer mehr Schlechtes als Gutes sieht und fühlt, schadet sich damit. Wer einen anderen hasst, ja, wer auch nur eine starke Abneigung gegen ihn hat, ein starkes Vorurteil, wem unmöglich ist, den Namen der verabscheuten Person auch nur nennen zu hören, ohne gereizt oder gestört zu werden, der schlägt sich immerfort neue Wunden. Wer bewundern kann, wer den ungetrübten Blick für das Gute auch im tiefststehenden Geschöpf hat und das Schlechte außer Betracht lässt: der ist eine Quelle der Kraft, der Gesundheit und steter Kraftsteigerung.
Liebe ist Kraft. Man muss es immer wieder sagen. Und du bist niemals stärker, als wenn du bewunderst, wenn du liebst.
Neigung ist himmlisch, Abneigung irdisch.
Spiritualität wird von allem angezogen, was ihr gleicht. Sie erkennt den reinen Edelstein, auch wenn er in grobe Erde eingebettet ist. Sie sieht den Keim höherer Eigenschaften auch im Geringen, Gleichgültigen. Sie kann diesen Keim im Auge behalten und die gröberen Elemente vor ihm verbergen. Solcherart wirkt sie mit ihrer Kraft auf diesen Keim und wärmt ihn ins Leben. Und die niedrigste Natur erhebt sich in der Gegenwart und unter ihrem Einflusse zur höchsten Höhe. Deshalb braucht der echte Missionar kaum in Worten zu predigen. Er verbreitet die Atmosphäre einer Göttlichkeit um sich, die alle fühlen. Gebote sollten auch mehr gefühlt als gehört werden. Denn wer gegen einen Sünder voreingenommen ist, ist nichts als ein geistiges Stachelschwein, das jeden sticht, der es berührt.
Solange wir gegen andere eine starke Abneigung verspüren, weil wir nur immer die Fehler dieser anderen sehen, solange beherrscht uns dieses Gefühl. Wir sind dann nicht frei. Wir sind Sklaven und in Fesseln. Wir sind in der Gegenwart jener anderen so sehr von Widerwillen oder gar von Hass erfüllt, dass wir den besseren Teil unseres Wesens gar nicht zur Geltung bringen können. Alles Schlechte in uns wird heraufgerufen und beherrscht den Vordergrund. Ein Zusammenprall entgegengesetzter Willenskräfte vollzieht sich und wir sind im Augenblick der schwächere Teil, wenngleich wir in Wahrheit der stärkere Teil sind. Ja, wir werden gezwungen, uns dem Schüler, den wir durch unser Beispiel belehren sollten, unterzuordnen.
Der Zynismus ist ein Kind der Abneigung und des vollendeten Vorurteils. Der Zyniker findet zuletzt jeden Menschen unerträglich und endet beim Selbsthass. Kein Zyniker erfreut sich guter Gesundheit. Denn Zynismus ist Blutvergiftung. Der Zyniker jagt einem Ideale nach, das ihm die Außenwelt zeigen soll, aber ewig nicht zeigt. Denn er soll es in seiner Innenwelt finden: dort wartet es der Findung. Und ist es dort einmal gefunden, so schafft es die ganze Außenwelt zum Ideal. Der eigene liebende Geist des Menschen würde sich allen mitteilen, mit denen er in Berührung kommt, er würde sie aufbauen.
Denn auch Göttlichkeit ist ansteckend. Und das wäre wirklich eine armselige Gotteswelt, in der nur das Böse übertragbar sein würde. Auch Güte steckt an. Und mit der Zeit wird die Welt erkennen, dass auch die Gesundheit ansteckend ist. Der Teufel ist ja bisher von der Menschheit deshalb so sehr gefürchtet und sogar bewundert worden, weil sie annahm, dass er ihr das Böse kurzhin einimpfen könne, während das Gute doch nur unter schmerzensvollen und unendlich mühseligen Prozessen der armen Menschennatur einzudrillen ist.
Höchste Gesundheit und Kraft sind ohne Reinheit des Strebens und Reinheit des Denkens nicht zu erlangen. Reine Gedanken schaffen reines Blut. Unreines Denken, verzweifelte, hoffnungslose, vorwurfsvolle, krittelnde, ärgerliche oder verleumderische Gedanken verunreinigen das Blut und schaffen Übel und Krankheit.
Ohne reines Streben ist alle Körperpflege wenig nütze. Kleide dich mit erlesenem Geschmack,