Harry Sher

Mann über Bord.....


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      Aufrecht und in einem Stück, ohne meinen dicken Füssen und dem gerade eben hinzu gekommenen schmerzenden Hintern größere Beachtung zu schenken, öffnete ich dem Briefträger mit neuem Elan beseelt die Haustür.

      „Einschreibe-Eilsendung für Herr Harry Sher, bitte“! unterbreitete mir eine Art Sing – Sang, welcher einem überbreit grinsendem Mund eines offensichtlich nicht deutschen, Turban tragenden Kopfes der, der Person des Briefträgers gehörte , entsprungen war.

      Wie durch Zauberhand (nicht meiner!) und ohne jedes Vorzeichen breitete sich genau in diesem Moment ein messerscharfer Schmerz über meiner eh schon schmerzenden hinteren, unteren Körperpartie aus. Ob der Briefträger oder der vorangegangene Salto Mortale der Auslöser war, vermag ich bis heute nicht zu sagen.

      Unter höchster Qual presste ich ein „Ja, der bin ich“ , heraus. Um die peinliche als auch schmerzhafte Situation so schnell als möglich hinter mich zu bringen, schob ich die Frage „Wo muss ich unterschreiben?“ direkt hinterher.

      Das von mir dringend und umgehend erwartete „HIER“ des Briefträgers blieb leider aus. Stattdessen erreichte mich das „Ich bräuchte mal bitte Ihren Personalausweis Herr Sher“ , wie ein Blitz aus heiterem Himmel! Aus den Tiefen meines chaotischen Inneren entfuhr mir ein sehr schrilles „WAASSS“?!? … Der Briefträger sichtlich zu Tode erschrocken und um Jahre gealtert: „Herr Sher, Sie müssen sich ausweisen. Ansonsten darf ich Ihnen die Postzustellung nicht aushändigen. Ihr Reisepass oder Führerschein würden mir zum Ausweisen auch genügen!“

      Nunmehr war ich derjenige der leichenblass wurde! Nicht weil ich mich ausweisen sollte, OH NEIN!

      Ohne auch nur zu ahnen, was er mit dem Wort „Reisepass“ ausgelöst hatte, fragte der Briefträger mich mit einer gewissen Vorsicht und einen Schritt rückwärtsgehend, „Herr Sher, geht es Ihnen gut, … Sie müssten sich nur schnell ausweisen, dann sind Sie mich auch ganz schnell wieder los“

      ... und genau in diesem Augenblick, wie sollte es auch anders sein, vernahm ich nicht nur das Ticken meiner inneren Uhr die mich zur Eile drängte, sondern auch noch ein weiteres dickes fettes Problem dessen Lösung umgehend in Angriff genommen werden musste, da sich sonst die gefühlten Einhundertsiebenundzwanzigtausend restlichen Probleme von selbst gelöst hätten.

      Ohne auch nur die geringste Rücksicht auf meine dicken Füße und dem jetzt auch noch verletzten und schmerzenden Hinterteil zu nehmen, musste ich umgehend all meine Kräfte wieder mobil machen, denn wie der plötzliche Schmerz tauchte ein weiteres dringendes Problem auf, welches ich bis zu diesem Zeitpunkt völlig ungeachtet lies was aber umgehend angegangen und ausgeräumt werden musste, da sich sonst das gesamte Projekt „Schiffsreisender Künstler“ ganz von selbst erledigt haben dürfte und in Luft auflösen könnte.

      DER R E I S E P A S S …

      In einer, den Briefträger sichtlich verwirrenden Geschäftigkeit, nestelte ich meine Geldbörse aus der hinteren Hosentasche, wobei ich den darunterliegenden immer noch sehr schmerzhaften Körperteil angestrengt, aber mehr oder weniger erfolgreich ignorierte.

      Mit etwas zittriger Hand entnahm ich der Geldbörse den Personalausweis um ihn ohne Umwege dem inzwischen wieder einen Schritt näher gekommenen, aber immer noch recht verwirrten Briefträger zu reichen. Ohne Zeit und Worte zu verlieren kontrollierte der mir leicht genervt erscheinende Postbote meinen Personalausweis, notierte geforderte Formalitäten in seinem Formular, lies mich dieses nach zweimaliger Überprüfung (einmal Er, einmal Ich) unterschreiben, drückte mir im Gegenzug mit der anderen Hand den Briefumschlag vor die Brust, um dann mit wehenden Fahnen und den Worten “- na sehen Sie Herr Sher, ist doch alles halb so schlimm, … auf Wiedersehen“ um die Hausecke und ab durch das Hoftor in Richtung Postauto zu verschwinden.

      Mit einem kurzen Kopfschütteln beendete ich die Episode„Briefträger“, klemmte mir den immer noch vor meiner Brust klebenden Briefumschlag unter den Arm und verstaute den Personalausweis wieder in der Geldbörse. Diese aber hielt ich in der Hand während ich mich nach dem Türe schließen wieder zurück in die Höhle des Löwen, nach unten in den Keller begab. Diesmal , zwar immer noch strümpfig aber Unfall frei!

      Von nun an musste alles, trotz schmerzendem Hinterteil einen Zacken schneller von statten gehen. Zunächst entriss ich dem soeben gelieferten Briefumschlag seinen Inhalt. Was konnte so Wichtig sein, dass es per Eilzustellung geschickt wurde!?!

      Die Vertragsunterlagen konnten es ja auf keinen Fall sein, denn das Telefongespräch mit Herrn Hase war ja kaum erst beendet ... also was konnte jetzt so dringend sein!?!

      Unglaublich, aber wahr! Meine neuen Visitenkarten.

      Wegen der Ihnen bekannten vorangegangenen Ereignisse, bei mir völlig in Vergessenheit geraten, hielt ich nun das doch sehr gut gelungene Produkt meines letzten Projekts „Werbung“ in Händen. Sollte das etwa so etwas wie ein „Gutes Omen“ sein. !?!? Ich jedenfalls deklarierte es umgehend als solches.

      Egal was auch immer ... auf jeden Fall genau zum richtigen Zeitpunkt. Eine gute Hand voll davon müssen zu den Reiseutensilien gepackt werden ... und prompt ... da war es wieder! Es sprang mich an wie eine Raubkatze ihre Beute, das Wort „Reisepass“. Auf der Stelle erfasste mich wieder der Drang alles auf einmal erledigen zu müssen. REISEPASS, wo war mein Reisepass? Mit einem Stoßgebet auf den Lippen, dass der Reisepass, so denn ich ihn finden sollte, bitte noch gültig sein möge, raste ich mittlerweile barfuß (die Socken gesellten sich zwischenzeitlich, zu meiner eigenen Sicherheit, zu den Sneakers in der Büroecke), die Treppen hoch, dem Schlafzimmer entgegen.

      Einer plötzlichen Eingebung folgend, schnappte ich mir im Vorbeirennen den nächstbesten Koffer, der unter der Kellertreppe geparkt war und verspürte beim Betreten der oberen Gemächer ein unbändiges Glücksgefühl, welches meines Erachtens daraus resultierte, schwerbeladen aber ohne weitere Schäden an Leib und Material das Obergeschoss erreicht zu haben,- und was noch viel bemerkenswerter war, dem Organisationschaos ein Schnippchen geschlagen zu haben.

      Der Koffer musste ja dann auch noch so schnell wie möglich mit meinen persönlichen Dingen gepackt werden. Die dafür benötigten Utensilien befinden sich wo? Natürlich ! Im Schlafzimmer. Ach was bin ich doch für ein Teufelskerl. Im größten Chaos lauf ich zur Höchstleistung auf. Klasse Harry mach weiter so ... mit einem imaginären Schulterklopfer beflügelt, machte ich mich auf die Suche nach meinem Reisepass. Eine kurze Orientierungspause einlegend blickte ich mich prüfend im Schlafgemach um und blieb mit versteinertem Blick an meiner Schlafzimmerkommode kleben.

      Über dieser Kommode blinkte in schrillen, Neon farbenen, riesengroßen imaginären Lettern mit nach unten weisendem Pfeil das Wort: REISEPASS!

      Mit einem einzigen riesigen Satz stand ich vor der Kommode und hatte schon die entsprechende Schublade in der Hand. Da war Sie! Meine Diebstahl gesicherte, Wasser -, Feuer - und Säurefeste Stahlkassette mit allen lebenswichtigen Dokumenten!

      Raus mit dem Ding, rauf aufs Bett und … na klar, wie könnte es auch anders sein … dafür hat man dieses Ding ja …

      A B G E S C H L O S S E N!!!

      Nur durch mehrmaliges tiefes und vor allem langsamen und ruhigen Ein- und Ausatmen ist es mir schlussendlich gelungen eine Herzattacke die sich durch spontan einsetzende Schnappatmung ankündigte, zu verhindern.

      Als ich wieder einigermaßen die Kontrolle über meinen Geist und Körper zurückgewonnen hatte, stürzte ich mich erneut die Treppe hinunter Richtung Büro.

      Dort nämlich befand sich, vor unbefugtem Zugriff geschützt, im Patronenfach meines Druckers gut versteckt, der Schlüssel zu meiner Kassette. (gut, spätestens jetzt brauche ich ein neues Versteck.)

      Schon wieder in Laufschritt verfallen entriss ich den Schlüssel dem wohl gehüteten Versteck und war mit zehn na ja, fünfzehn Sprüngen die Treppen hoch, wieder im Schlafzimmer zurück. Schlüssel ins Schloss der Kassette, umdrehen und ... ah, da lag ER!

      Wie ein frisch gewickelt und gefüttertes Baby, zufrieden in der Wiege schlummernd.

      Aus meiner ungezügelten Freude entwickelte