hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!“
Möge es künftig mehr Menschen beschieden sein, Kräfte zu mobilisieren, die zur Erneuerungen führen! Nicht im Stile dumpf protestierender „Wutbürger“, sondern als Vernunftbürger, die gezielt vor gehen gegen die allgemeine Pflichtvergessenheit, gegen die Verantwortungsscheue von Politikern und Verwaltung und gegen die Verantwortungslosigkeit unserer Wohlstandsgesellschaft! - Um jedoch den hehren teutonischen Weisheiten des Verwaltungsjuristen Goethe ein wenig mehr Leichtigkeit zu verleihen, sei noch der Moralist und Skeptiker Erich Kästner zitiert, der Goethes Drama auf die eingängige Formel brachte: „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!“
Es geht in diesem Buch nicht darum, den Stein der Weisen zu finden oder gar gefunden zu haben. Natürlich irre ich mich in vielem, und natürlich gibt es zu jedem Thema inzwischen profiliertere und ausführlichere Darstellungen. Ich bitte, meine Beiträge, Artikel und Erinnerungen aus 40jähriger politischer und Verwaltungstätigkeit daher vor allem als Anregungen zu verstehen, über den Tellerrand hinaus zu schauen, sich selbst infrage zu stellen, Vorurteile immer wieder zu überprüfen, kritisch und kreativ andere Sichtweisen zuzulassen, ständig nach neuen Lösungen zu suchen – und ggf. dafür zu kämpfen.
Betriebsblindheit gepaart mit Routine und Veränderungsängsten haben in den letzten Jahrzehnten gesellschaftliche Verkrustungen geschaffen, die immer schwerer aufzubrechen sind, und die Industriestaaten, namentlich Deutschland, in lähmende Zwangslagen gebracht haben, aus der sie sich nur noch sehr schwer befreien können. Es muss deshalb darum gehen, sich die geistige und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren. Es mag trivial klingen, doch nur wer sein Herz nicht an materielle Güter hängt, wer Reklame ignoriert, wer Sachzwänge belächelt, nur der bewahrt sich die geistige Freiheit und Frische, die eine Gesellschaft braucht, um sich zu erneuern und zu entwickeln.
Von einem der auszog, die Macht zu suchen
… und er beschloss, Politiker zu werden - und das besonders schnell: Klassensprecher, Schulsprecher, Geschäftsführer des Stadtschülerrates, Mitglied des Landesschülerrates, Doppelstudium Jura und Politik in Rekordzeit. Nun ist es kein Verdienst, Prüfungen und Karriereschritte besonders rasch hinter sich zu bringen. Es spricht eher manches dafür, dass wir es hier mit einem Dünnbrettbohrer zu tun haben könnten. Die Politik besteht aber fast nur aus extrem dicken und harten Brettern. Ein frühes Scheitern schien daher vorprogrammiert.
Der weitere Verlauf bestätigte leider die Prognose: Noch nicht einmal 30 Jahre alt, war unser junger Held – die Leser werden ahnen, dass es sich dabei um den Autor handelt – nach Referendariat und Geschäftsführerausbildung bei Wirtschaftsverbänden und Unternehmen schon fest verankert im Leitungsbereich des Bundesministeriums der Justiz. …
… Und gleich in einer Position vergleichbar einem Regierungsdirektor. Ende 1979 war ich nach Bonn zum Vorstellungsgespräch ins Bundesministerium der Justiz geladen worden. Es ging um meine erste richtige Stelle nach dem Examen. Zwar hatte ich mich gleich nach der zweiten Staatsprüfung als Anwalt zulassen lassen und noch einen Ausbildungsgang für den Geschäftsführernachwuchs bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände absolviert, aber eine echte Anstellung war das nicht gewesen.
Meine Vorstellung im Bundesjustizministerium stand unter einem besonders guten Stern:
Um nicht zu spät zu kommen, hatte ich bereits die Nacht vor dem Termin im Bonner Hotel am Tulpenfeld zugebracht. Es war der 22.11.1979, ein Donnerstag. Beim Frühstück hatte ich in der frisch erschienenen Wochenzeitschrift „Die Zeit“ geblättert und war dabei auf einen von mir verfassten Artikel zu Sozialbilanzen gestoßen: Ein ganzseitiger Artikel, Aufmacher des Wirtschaftsteils. Es war ein Abfallprodukt meiner Tätigkeit bei den Arbeitgebern gewesen. Seitdem ich den Artikel vor einem halben Jahr an „Die Zeit“ geschickt hatte, hatte ich nichts weiter davon gehört. Und nun hielt ich meine ersten richtigen Artikel in Händen:
Nicht nur Soll und Haben
Stefan Sethe - Die Zeit; 23.11.1979
Sozialbilanzen: Auf dem Weg zu einer neuen Unternehmens-Ethik
Elmar Pieroth, Unternehmer und CDU-Politiker, umschrieb die derzeitige gesellschaftliche Situation der Unternehmen mit den Worten: „In den fünfziger und sechziger Jahren waren die Bundesbürger froh, dass die ,Schlote rauchten‘. Heute bilden sich Bürgerinitiativen, weil diese Schlote rauchen.“ Wie tiefgreifend dieser Meinungsumschwung inzwischen verwurzelt ist, zeigt sich nicht zuletzt auch an den Ergebnissen der letzten Kommunal- und Landtagswahlen, wo die „Grünen“ immer wieder für neue Schlagzeilen sorgten.
Weniger spektakulär und von der Öffentlichkeit kaum bemerkt hat jedoch auch eine neue Ära im Selbstverständnis der Unternehmen begonnen. Als Beginn dieser Ära lässt sich ziemlich genau der Juli 1973 ermitteln. In jenem Monat legte die Steag AG in Essen neben ihrer Handelsbilanz und dem Geschäftsbericht eine „Sozialbilanz“ vor, in welcher zum ersten Mal der Versuch gemacht wurde, die gesellschaftlichen Beziehungen eines Unternehmens aufzuzeichnen und damit auch der öffentlichen Diskussion preiszugeben.
Diese erste, aus heutiger Sicht noch sehr rudimentäre „Sozialbilanz“ eines deutschen Unternehmens enthielt bereits ein inneres Beziehungsfeld, in dem die monetären Leistungen an die Belegschaft sowie die Aktivitäten zur Sicherung der Arbeitsplätze aufgeführt waren, sowie ein äußeres Beziehungsfeld, in welchem beispielsweise die Leistungen zur Verminderung der Umweltbelastung und die Förderung gemeinnütziger Ziele erwähnt wurden.
Schon am Beispiel der Steag fällt auf, dass der Begriff Sozial-„Bilanz“ für diese Form der Berichterstattung nicht gerade sehr glücklich gewählt ist. Nicht nur, dass sich die Unternehmen bis heute schwer tun, auch Negativposten, wie etwa die Umweltbelastung durch das Unternehmen oder empfangene Subventionen, gleichrangig neben den auf soziales Engagement hindeutenden Aufwendungen zu erwähnen. Es ist auch unmöglich, eine Vergleichbarkeit der Soll- und der Haben-Seite zu erreichen. Schließlich lassen sich bei bestem Willen die Aufwendungen für einen Betriebssportplatz und einen tödlichen Betriebsunfall nicht gegeneinander aufrechnen.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma schien das mittlerweile von manchen Unternehmen praktizierte Verfahren des goal decounting zu bieten. Man setzt sich zu Beginn einer Berichtsperiode ein realistisches Ziel, wie zum Beispiel die Unfallhäufigkeit pro Tausend Beschäftigte im kommenden Jahr von 9,7 auf 9,4 zu senken. Je nachdem, ob man dieses Ziel erreicht, übertrifft oder darunter bleibt, ist der jeweilige Bilanzposten ausgeglichen, positiv oder negativ. Abgesehen von der hierbei immer noch nicht gelösten Frage der Gewichtung im Gesamtzusammenhang bietet sich dieses System aber keineswegs für alle Berichtsposten an, so dass eine durchgängige Bilanzierung im technischen Sinne auf diesem Gebiet nicht möglich ist. Man spricht daher immer häufiger von einer gesellschaftsbezogenen Berichterstattung statt von einer Sozialbilanz und erweckt damit auch gar nicht erst die ohnehin kaum erfüllbare Hoffnung auf Vollständigkeit der vorgelegten Berichte.
Die Sozialbilanzierung hat unter den Unternehmern inzwischen zahlreiche Anhänger gefunden. Sie haben sich zu einem großen Teil im Arbeitskreis „Sozialbilanz-Praxis“ zusammengeschlossen. Neben Umsatzriesen wie VW, BASF, Bayer und Shell sind hier vor allem auch engagierte kleinere Betriebe tonangebend und treiben die Entwicklung voran.
Die Bemühungen um eine stärkere Vergleichbarkeit und daher Standardisierung der Berichterstattung haben bereits zu zahlreichen Erfolgen geführt. So ist man sich inzwischen darin einig, dass die immer noch als „Sozialbilanz“ apostrophierte Berichterstattung aus einer Sozialrechnung bestehen soll, in der alle quantifizierbaren Größen aufgeführt werden sollen, sowie aus einem allgemein gehaltenen Sozialbericht, welcher auch zum Beispiel zu dem jeweiligen Stand der Mitbestimmung Stellung beziehen sollte und aus einer Wertschöpfungsrechnung. Einig ist man sich mittlerweile auch, dass es kaum praktikabel