Joann M.

Fluch der Vergangenheit


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Mann besuchte. Die Chancen, dass Daniel die Feiertage zu Hause verbringen würde standen nicht schlecht, dennoch wollten sich die Ärzte auf den Entlassungszeitpunkt nicht festlegen. Leyla musste sich nicht nur einmal auf die Zunge beißen um Daniel nicht anzuschreien, als dieser sich in Selbstmitleid suhlte. Seiner Meinung nach, würde Alles bald den Bach unter gehen, wenn er nicht im Laden wäre und sie würden bald pleite gehen.

      „Hör auf damit.“, sagte sie ruhig dennoch standhaft. „Sei doch dankbar dafür, dass der Tumor gutartig war.“

      „Ja, ja beim Vater war es auch gutartig und zwei Jahre später war er unter der Erde.“

      Daniel sah Alles schwarz und verglich seinen Tumor mit dem Kehlkopfkrebs seines Vaters.

      „Jetzt bitte. Hör auf damit! Es geht dir doch besser!“, ermahnte Leyla ihren Mann.

      „Und Mutter.. Wer weiß, ob es wirklich ein Herzinfarkt war. Vielleicht hatte sie auch einen Tumor.“

      „Hör auf! Deine Mutter war Kettenraucherin, das weißt du. Vielleicht solltest du das Rachen lassen..“

      „Jetzt kommt das schon wieder.“, sagte Daniel und fügte hinzu, dass er so oder so bald ins Grass beißen würde.

      Da er in der kommenden Nacht wiedermal einen Anfall erlitten hat, aus dem Bett gefallen war und sich jede Menge blaue Flecken wie eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, wusste er genauso wie seine Frau, dass es vorbei war mit dem gemeinsamen Weihnachtsfest.

      Viel schlimmer war jedoch die Tatsache, dass die OP-Wunde aufgegangen war und er erneut operiert werden musste.

      „Wie schauen sie denn aus?“, ermahnte Alexis, die ungeschminkte Leyla, als diese am Tag des Heilig Abends den Christbaumschmuck aus dem Keller holte.

      „Mir geht’s nicht gut.“, gab Leyla zu.

      „Das ist nicht zu übersehen. Geht´s ihrem Mann immer noch nicht besser?“

      „Doch. Er muss sich aber von der OP erholen.“

      „Wenn sie Hilfe brauchen, wissen sie ja wo ich wohne.“, sagte Frau Kessler und ermahnte Leyla wegen ihres Gewichts.

      „Alexis lauert im Flur.“, sagte Leyla zur Esin, die zusammen mit Elias den Baum bewunderte.

      „Ich habe Vater geschrieben.“

      „Was hast du?...Wieso?“

      „Wieso nicht? Meinst du nicht, dass wir endlich die Streitigkeiten begraben sollten?“

      „Wir!?“ Leyla war nicht gewillt ihrem Vater zu verzeihen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie brachte Elias ins Kinderzimmer und bot ihn eine Weihnachtskette zu basteln, worauf der Kleine keine Lust hatte.

      „Musst du jetzt mit Tante Esin streiten?“

      „Reden, nicht streiten. Reden.“

      „Darf ich hören was ihr redet?“

      „Nein. Jetzt versuch´ `ne schöne Kette zu basteln.“, sagte Leyla und stellte eine Kiste voller Bastelsachen auf dem Tisch.

      „Komm mit. Komm in die Küche.“, Leylas Ton Esin gegenüber glich einem Befehl.

      „Wieso machst du so ein Scheiß. Es ist ja schlimm genug, dass Daniel nicht da ist.“, sagte sie.

      „Eben. Deswegen dachte ich...“

      „Was? Was hast du dir gedacht? Dass er klein begibt und uns als gleichberechtigte Menschen akzeptiert? Oder dass er Daniel akzeptiert? Dass er sagt: „Oh, Weihnachten!!! Fest der Liebe!! Kommt meine ungläubige Töchter, es tut mir so leid....“

      „Du hast recht. Ich bin so dumm.“

      „Ja!!“, schrie Leyla ihre Schwester an.

      „Er hat nicht mal zurückgeschrieben.“

      „Also hat er jetzt deine Nummer. Na Prima!“

      „Ich bin doch nicht blöd. Ich habe ´ne Karte gekauft und sie in mein altes Handy gesteckt.“

      „Na dann ist ja gut.“, sagte Leyla leise.

      Während sie den Abwasch machte, lies sie den bis dahin unterdrückten Tränen freien Lauf. Wie wenn es gestern gewesen wäre, als ihr Vater sie mit dem Tod bedroht hat, falls sie Daniel heiraten würde.

      Sie konnte und wollte ihm nicht verzeihen.

      „Es tut mir leid.“ Leyla spürte die Hand ihrer Schwester an ihrer Schulter.

      Instinktiv nahm sie Esin in die Arme und weinte hemmungslos.

      „Machen wir den Baum endlich fertig? Ich mag nicht mehr basteln und im Fernsehen läuft nur was über Jesus.“, sagte Elias der sich leise in die Küche geschlichen hatte.

      „Ach so? Na dann machen wir den Baum fertig. Hol schon mal die Kugeln raus.“, schickte Esin Elias ins Wohnzimmer und sah in Leylas verweinte Augen. Jetzt konnte sie sich selber nicht erklären, wie sie auf die Idee kam, mit ihren Eltern Frieden schließen zu können. Alleine schon Elias Bemerkung hätte ihren Vater auf die Palme getrieben. Es tat ihr Leid, ihre Schwester an die schlimme Zeit erinnert zu haben.

      Wie wenn Leyla ihre Gedanken lesen konnte, sagte sie auf türkisch: „Schon gut. Ich habe dich lieb.“ Das erste Mal, seit Ewigkeiten sprach sie paar Worte in ihrer Muttersprache aus und bereute es in Gedanken ihren Sohn nicht zweisprachig erzogen zu haben.

      4.

      Nur einen Tag nach Weihnachten wurde Daniel in eine Spezialklinik verlegt, wo man sich seiner Epilepsie annehmen wollte.

      Leyla brauchte jedes mal fast eine Stunde, bis sie in der Klinik war. Am Silvestertag beschloss sie nicht hinzufahren. Sie musste wie jedes Jahr Inventur machen und war erleichtert, dass auch Esin nichts vorhatte.

      „Wollen wir Anna und Sara einladen? Annas Freund hat Nachtschicht und Sara hat sich von Chris getrennt.“

      „Wieso?“

      „Weil er sie betrügt, seit Monaten angeblich.“, sagte Esin und zog wie meistens, wenn ihr was unangenehm war ihre Augenbrauen hoch. „Du brauchst nicht sagen, was du jetzt denkst.“

      „Doch. Im Grunde kannst du dir ausmalen wie sich Roberts Frau fühlt.“

      „Das ist was anderes. Chris und Anna waren glücklich. Die Ehe von Robert ist schon längst zerrüttet.“

      „Ach ja? Hast du seine Frau dazu befragt? Vielleicht denkt sie auch, dass sie eine glückliche Ehe führt. Bitte, sie sind zusammen in Kitzbühel. Er, sie und dessen Tochter. Die perfekte Familie feiert zusammen ins neue Jahr.“

      „Schon gut, ich habe ja Schluss gemacht. Also, was ist? Machen wir einen Mädelsabend?“, lenkte Esin ab.

      „Klar.“, sagte Leyla mit gespielter Begeisterung, was ihrer Schwester nicht entging.

      „Ach komm. Es kann nur noch besser werden. Silvester alleine sein ist auch nicht die Lösung.“

      „Ich weiß, aber ich bin so müde. Am liebsten würde ich mich in den vier Wänden einsperren, um Tagelang schlafen zu können.“

      „Ich weiß. Ich weiß...“, nahm Esin ihre Schwester in die Arme.

      Trotz enormer Müdigkeit war Leyla am Silvesterabend froh mit den Mädels auf´s neue Jahr anstoßen zu können. Ihre Traurigkeit betäubte sie mit Alkohol und bereute es am nächsten Tag zutiefst.

      „Bist du böse, wenn ich nicht komme?“, fragte sie ihren Mann am Telefon.

      „Bleib zu Hause. Ich hab´ Kopfweh ohne Ende.“, jammerte Daniel.

      Auch am nächsten Tag beklagte er sein schlechtes Wohlbefinden. Nicht mal die Inventurzahlen interessierten ihn, was Leyla Angst machte. Ihr Mann war ein Arbeitstier. Schon vor seiner Selbständigkeit hat sich der gelernte Kaufmann schnell zum Filialleiter hochgearbeitet.